SPRACHE  
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  Biographie: Sebastian Bran(d)t


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[Motti] Eine Vorrede in das Narrenschiff 1. Von unnützen Büchern 2. Von guten Räthen 3. Von Habsucht 4. Von neuen Moden 5. Von alten Narren 6. Von rechter Kinderlehre 7. Von Zwietrachtstiftern 8. Gutem Rath nicht folgen 9. Von bösen Sitten 10. Von wahrer Freundschaft 11. Verachtung der Schrift 12. Von unbesonnenen Narren 13. Von Buhlschaft 14. Von Vermessenheit gegen Gott 15. Von thörichtem Anschlag 16. Von Völlerei und Prassen 17. Von unnützem Reichthum 18. Vom Dienst zweier Herren 19. Von vielem Schwatzen 20. Von Schätze finden 21. Vom Tadeln und Selberthun 22. Die Lehre der Weisheit 23. Von Ueberschätzung des Glücks 24. Von zu viel Sorge 25. Von zu Borg aufnehmen 26. Von unnützem Wünschen 27. Von unnützem Studiren 28. Von wider Gott reden 29. Von selbstgerechten Narren 30. Von viel Pfründen 31. Vom Aufschubsuchen 32. Vom Frauenhüten 33. Von Ehebruch 34. Ein Narr heute wie gestern 35. Von leichtem Zürnen 36. Von Selbstzufriedenheit 37. Von Glückes Zufall 38. Von unfolgsamen Kranken 39. Von offenkundigen Anschlägen 40. An Narren sich stoßen 41. Nicht auf alle Rede achten 42. Von Spottvögeln 43. Verachtung ewiger Freude 44. Lärm in der Kirche 45. Von muthwilligem Unglück 46. Von der Narren Gewalt 47. Vom Weg der Seligkeit 48. Ein Gesellenschiff 49. Böses Beispiel der Eltern 50. Von Wollust 51. Heimlichkeit verschweigen 52. Freien um Gutes willen 53. Von Haß und Neid 54. Strafe nicht dulden wollen 55. Von närrischer Arznei 56. Vom Ende der Gewalt 57. Von Gottes Vorsehung 58. Seiner selbst vergessen 59. Von Undankbarkeit 60. Selbstgefälligkeit 61. Vom Tanzen 62. Von nächtlichem Hofieren 63. Von Bettlern 64. Von bösen Weibern 65. Von Beobachtung des Gestirns 66. Aller Länder Kunde 67. Kein Narr sein wollen 68. Nicht Scherz verstehn 69. Böses thun und nicht erwarten 70. Nicht bei Zeiten vorsorgen 71. Zanken und vor Gericht gehn 72. Von groben Narren 73. Vom Geistlichwerden 74. Von unnützem Jagen 75. Von schlechten Schützen 76. Von großem Rühmen 77. Von Spielern 78. Von gedrückten Narren 79. Reuter und Schreiber 80. Närrische Botschaft 81. Von Köchen und Kellnern 82. Von bäurischem Aufwand 83. Von Verachtung der Armuth 84. Vom Beharren im Guten 85. Sich des Todes nicht versehen 86. Von Verachtung Gottes 87. Von Gotteslästerung 88. Von Plage und Strafe Gottes 89. Von thörichtem Tausche 90. Ehre Vater und Mutter 91. Vom Schwätzen im Chor 92. Ueberhebung der Hoffahrt 93. Wucher und Vorkauf 94. Von Hoffnung auf Erbschaft 95. Von Verführung am Feiertage 96. Schenken und Bereuen 97. Von Trägheit und Faulheit 98. Von ausländischen Narren 99. Vom Verfall des Glaubens und des Reiches 100. Den falben Hengst streichen 101. Von Ohrenblasen 102. Von Falschheit und Betrug 103. Vom Antichrist 104. Wahrheit verschweigen 105. Verhinderung des Guten 106. Von Versäumniß guter Werke 107. Vom Lohn der Weisheit 108. Das Schlaraffenschiff 109. Verachtung des Unheils 110. Verleumdung des Guten 111. Von Unzucht bei Tische 112. Von Faßnachtnarren 113. Entschuldigung des Dichters 114. Der weise Mann 115. Abwehr
 Sebastian Bran(d)t (*1457 †1521)

Kurzinfo:

Sebastian Bran(d)t war ein dt. Satiriker der 'Renaissance'. Sein bekanntestes Werk ist sein Gedicht: 'Das Narrenschiff', dort beschreibt er satirisch in etwa 100 Kapiteln Formen menschlicher Dummheit.

Quelle: Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Leipzig [1877]. Original von 1494.



Sebastian Brant

Das Narrenschiff


Zu Schyff Zu Schyff Bruder. Eß gat! es gat

Eine Vorrede zu dem Narrenschiff

Zu nutz vnd heylsamer ler / vermanung
vnd ervolgung der wyßheit /
vernunfft vnd guter sytten: Ouch zu
verachtung vnd straff der narheyt /
blintheyt yrrsal vnd dorheit / aller
ståt / vnd geschlecht der menschen: mit
besunderem flyß ernst vnd arbeyt / gesamlet
zu Basell: durch Sebastianum
Brant. in beyden *rechten doctor.



Alle Lande sind jetzt voll heiliger Schrift
Und was der Seelen Heil betrifft:
Voll Bibeln, heiliger Väter Lehr
Und andrer ähnlicher Bücher mehr,
So viel, daß es mich wundert schon,
Weil niemand bessert sich davon.
Ja, Schrift und Lehre sind veracht't,
Es lebt die Welt in finstrer Nacht
Und tut in Sünden blind verharren;
Alle Gassen und Straßen sind voll Narren,
Die treiben Torheit an jedem Ort
Und wollen es doch nicht haben Wort.
Drum hab ich gedacht zu dieser Frist,
Wie ich der Narren Schiff' ausrüst:
Galeeren, *Füst, Krack, Naue, Bark,
Kiel, Weidling, Hornach, Rennschiff stark,
Auch Schlitten, Karre, Schiebkarr, Wagen:
Denn ein Schiff könnt nicht alle tragen,
So groß ist jetzt der Narren Zahl;
Ein Teil sucht Fuhrwerk überall,
Der *stiebt herbei gleichwie die *Immen,
Versucht es, zu dem Schiff zu schwimmen:
Ein jeder will der erste sein;
Viel Narren und Toren kommen drein,
Deren Bildnis ich hier hab gemacht.
Wär jemand, der die Schrift veracht't,
Oder einer, der sie nicht könnt lesen,
Der sieht im Bilde wohl sein Wesen
Und schaut in diesem, wer er ist,
Wem gleich er sei, was ihm *gebrist.
Den Narrenspiegel ich dies nenne,
In dem ein jeder Narr sich kenne;
Wer jeder sei, wird dem vertraut,
Der in den Narrenspiegel schaut.
Wer sich recht spiegelt, der lernt wohl,
Daß er nicht weise sich achten soll,
Nicht von sich halten, was nicht ist,
Denn niemand lebt, dem nichts gebrist,
Noch der behaupten darf fürwahr,
Daß er sei weise und kein Narr.
Denn wer sich selbst als Narr eracht't,
Der ist zum Weisen bald gemacht,
Wer aber stets will weise sein,
Ist *fatuust, der *Gevatter mein,
Der sich zu mir recht übel stellt,
Wenn er dies Büchlein nicht behält.
Hier wird an Narren nicht gespart,
Ein jeder findet seine Art,
Und auch, wozu er sei geboren,
Warum so viele sind der Toren;
Welch hohes Ansehn Weisheit fand,
Wie sorgenvoll der Narren *Stand.
Hier findet man der Welten Lauf,
Drum ist dies Büchlein gut zum Kauf.
Zu Scherz und Ernst und allem Spiel
Trifft man hier Narren, wie man will,
Ein Weiser sieht, was ihm behagt,
Ein Narr gern von den Brüdern sagt.
Hier hat man Toren, arm und reich,
*Schlim schlem, gleich findet gleich.
Ich schneidre Kappen manchem Mann,
Der meint, es gehe ihn nichts an,
Hätt ich mit Namen ihn genannt,
Spräch er, ich hätt ihn nicht erkannt.
Doch hoff ich, daß die Weisen alle
Drin finden werden, was gefalle,
Und sagen dann mit Wissenheit,
Daß ich gab recht und gut Bescheid.
Und da ich das von ihnen weiß,
Geb ich um Narren einen Schweiß;
Sie müssen hören Wahrheit alle,
Ob ihnen es auch nicht gefalle.
*Wiewohl *Terentius saget, daß
Wer Wahrheit ausspricht, erntet Haß;
Und wer sich lange schneuzen tut,
Der wirft zuletzt von sich das Blut;
Und wenn man *coleram anregt,
So wird die Galle oft bewegt.
Darum beacht ich, was man spricht
Mit Worten hinterm Rücken, nicht,
Noch wenn man schmäht die gute Lehr:
Ich habe solcher Narren mehr,
Denen Weisheit nicht gefället wohl,
Von solchen ist dies Büchlein voll.
Doch bitt ich jeden, daß er mehr
Ansehn wolle Vernunft und Ehr
Als mich oder mein schwach Gedicht.
Ich hab *fürwahr ohn Mühe nicht
So viele Narrn zu *Hauf gebracht:
Gar oft hab ich gewacht die Nacht,
Die schliefen, deren ich gedacht,
Oder saßen vielleicht bei Spiel und Wein,
Wo sie wenig gedachten mein;
Ein Teil in Schlitten fuhr umher
Im Schnee, wo sie gefroren sehr;
Ein Teil trieb Kindereien just;
Die andern schätzten den Verlust,
Der sie desselben Tags betroffen,
Und welchen Gewinn sie könnten hoffen,
Oder wie sie morgen wollten lügen
Mit Geschwätz, verkaufen und manchen betrügen.
Um diesen nachzudenken allen,
Wie mir solch Art, Wort, Werk gefallen,
Hab ich, kein Wunder ists, gar oft
Gewacht, wann niemand es gehofft,
Damit man tadle nicht mein Werk,
In diesen Spiegel sollen schauen
Die Menschen alle, Männer, Frauen;
Die einen mit den andern ich mein':
Die Männer sind nicht Narrn allein,
Man findet auch Närrinnen viel,
Denen ich Kopftuch, Schleier und Will
Mit Narrenkappen hier bedecke.
Auch Mädchen haben Narrenröcke;
Sie wollen jetzt tragen offenbar,
Was sonst für Männer schändlich war:
Spitze Schuh' und ausgeschnittne Röcke,
Daß man den Milchmarkt nicht bedecke;
Sie wickeln viel Lappen in die Zöpfe
Und machen Hörner auf die Köpfe,
Als käm daher ein mächtger Stier;
Sie gehen umher wie die wilden Tier'.
Doch sollen ehrbare Frauen mir schenken
Verzeihung, denn ihrer will ich gedenken
Wie billig in keiner argen Art;
Den bösen aber sei nichts erspart,
Von denen man ein Teil hier find't,
Die auch im Narrenschiffe sind.
Darum mit Fleiß sich jeder suche,
Und findet er sich nicht im Buche,
So mag er sprechen, daß er sei
Der Kappe und des *Kolbens frei.
Wer meint, daß ich ihn nicht berühre,
Geh zu den Weisen vor die Türe,
Gedulde sich, sei guter Dinge,
Bis ich 'ne *Kappe von Frankfurt bringe!



001.

Im Narrentanz voran ich gehe,
Da ich viel Bücher um mich sehe,
Die ich nicht lese und verstehe.

Von unnützen Büchern

Daß ich im Schiffe vornan sitz,
Das hat fürwahr besondern Witz;
Nicht ohne Ursache ist das:
Auf Bücher ich mich stets verlaß,
Von Büchern hab ich großen *Hort,
Versteh ich selten auch ein Wort,
So halt ich sie doch hoch in Ehren:
Will ihnen gern die Fliegen wehren.
Wo man von Künsten reden tut,
Sprech ich: » Daheim hab ich sie gut!«
Denn es genügt schon meinem Sinn,
Wenn ich umringt von Büchern bin.
Von *Ptolemäus wird erzählt,
Er hatte die Bücher der ganzen Welt
Und hielt das für den größten Schatz,
Doch manches füllte nur den Platz,
Er zog daraus sich keine Lehr.
Ich hab viel Bücher gleich wie er
Und lese doch nur wenig drin.
Zerbrechen sollt ich mir den Sinn,
Und mir mit Lernen machen Last?
Wer viel studiert, wird ein Phantast!
Ich gleiche sonst doch einem Herrn,
Kann zahlen einem, der für mich lern'!
Zwar hab ich einen groben Sinn,
Doch wenn ich bei Gelehrten bin,
So kann ich sprechen: »*Ita! – So!«
Des *deutschen Ordens bin ich froh,
Dieweil ich wenig kann Latein.
Ich weiß, daß vinum heißet »Wein«,
Gucklus ein *Gauch,
Und daß ich heiß': »*domine doctor
Die Ohren sind verborgen mir,
Sonst sah man bald des *Müllers Tier.



002.

Wer sich auf Macht im Rate stützt
Und dem Wind folgt, der grade nützt,
Der stößt die Sau zum Kessel *itzt.

Von guten Räten

Viel sind, die *trachten früh und spat,
Wie sie bald kommen in den Rat,
Die doch vom Rechte nichts verstehn
Und blindlings an den Wänden gehn.
Den guten *Chusi man begrub,
Zum Rat man *Achitophel hub.
Wer richten soll und raten schlecht,
Der rat und stimm allein nach Recht,
Auf daß er nicht ein Zaunpfahl bleibe,
Der nur die Sau zum Kessel treibe.
Fürwahr, sag ich, es hat nicht *Fug:
Es ist mit Raten nicht genug,
Womit verkürzet wird das Rechte;
Das Bessere billig man bedächte
Und forschte nach, was man nicht weiß.
Denn wird verdreht des Rechts *Geleis,
So stehst du wehrlos da vor Gott,
Und glaube mir, das ist kein Spott!
Wenn jeder wüßt, was folgt darnach,
War er im Urteil nicht so jach;
Denn mit dem Maß wird jedermann
Gemessen, wie er hat getan.
Wie du mich richtest und ich dich,
So wird Gott richten dich und mich.
Ein jeder wart' in seinem Grab
Des Urteils, das er selbst einst gab,
Und wer damit das Recht verletzt,
Dem ist auch schon die Frist gesetzt,
Wo er ein kräftig Urteil find't:
Es fällt der Stein ihm auf den Grind!
Wer hier nicht hält Gerechtigkeit,
Dem droht sie dort mit Härtigkeit:
Denn weder Weisheit, Einsicht, Rat,
Noch Macht vor Gott Bestehen hat.



003.

Wer setzt die Lust in zeitlich Gut,
Sucht darin Freud und guten Mut,
Der ist ein Narr mit Fleisch und Blut.

Von Habsucht

Der ist ein Narr, wer sammelt Gut
Und hat nicht Freud noch frohen Mut
Und weiß nicht, wem er solches spart,
Wenn er zum finstern Keller fahrt.
Ein größrer Narr ist, wer vertut
Mit Üppigkeit und leichtem Mut
Das, was ihm Gott gab als das Seine,
Darin er Schaffner ist alleine,
Wovon er Rechnung geben muß,
Die mehr einst gilt als Hand und Fuß.
Ein Narr läßt seinen Freunden viel,
Die Seele er nicht versorgen will;
Er fürchtet Mangel in der Zeit
Und sorgt nicht für die Ewigkeit.
O armer Narr, wie bist du blind:
Die *Räude scheust du – findst den *Grind!
Ein andrer sündigem Gut nachrennt,
Wofür er in der Hölle brennt:
Das achten seine Erben klein,
Sie helfen nicht mit einem Stein,
Sie spendeten kaum ein einzig Pfund,
Und läg er tief im Höllengrund.
Gib, da du lebst, zu Gottes Ehr,
Nach deinem Tod wird ein andrer Herr.
Ein Weiser hat noch nie begehrt
Nach Reichtum hier auf dieser Erd,
Wohl aber, daß er selbst sich kenne:
Den Weisen mehr als reich du nenne!
Zuletzt geschah's, daß *Crassus trank
Das Gold, wonach ihn dürstet' lang;
Doch Crates warf sein Geld ins Meer,
Das hindert' ihn beim Lernen sehr.
Wer sammelt, was vergänglich ist,
Begräbt seine Seele in Kot und Mist.



004.

Wer neue Moden bringt durchs Land,
Der gibt viel Ärgernis und Schand
Und hält den Narren bei der Hand.

Von neuen Moden

Was vormals war ein schändlich Ding,
Das schätzt man schlicht jetzt und gering:
Sonst trug mit Ehren man den Bart,
Jetzt lernen Männer Weiberart
Und schmieren sich mit Affenschmalz
Und lassen am entblößten Hals
Viel Ring' und goldne Ketten sehn,
Als sollten sie vor *Lienhart stehn.
Mit Schwefel und Harz pufft man das Haar
Und schlägt darein dann Eierklar,
Daß es im Schüsselkorb werd' kraus.
Der hängt den Kopf zum Fenster 'raus,
Der bleicht das Haar mit Sonn' und Feuer,
Darunter sind die Läus nicht teuer.
Die können es jetzt wohl aushalten,
Denn alle Kleider sind voll Falten:
Rock, Mantel, Hemd und Tuch dazu,
Pantoffeln, Stiefel, Hosen, Schuh',
Pelzkragen, Mäntel, Besatz daran:
Der Juden Brauch fängt wieder an.
Vor einer Mode die andre weicht,
Das zeigt, wie unser Sinn ist leicht
Und wandelbar zu aller Schande,
Und wieviel Neuerung ist im Lande,
Mit schändlich kurz geschnittnen Röcken,
Die kaum den Nabel mehr bedecken!
Pfui Schande deutscher Nation,
Daß man entblößt, der Zucht zum Hohn,
Und zeigt, was die Natur verhehlt!
Drum ist es leider schlecht bestellt
Und hat wohl bald noch schlimmern Stand.
Weh dem, der Ursach gibt zur Schand!
Weh dem, der solcher Schand nicht wehrt:
Ihm wird ein böser Lohn beschert!



005.

Schon steh ich an der Grube dicht,
Im Arsch das Schindermesser sticht,
Doch – meine Narrheit laß ich nicht!

Von alten Narren

»Die Narrheit läßt mich nicht sein greis;
Ich bin sehr alt, doch ganz unweis,
Ein böses Kind von hundert Jahren,
Zeig dem die *Schellen, der unerfahren,
Den Kindern geb ich Regiment
Und mach mir selbst ein Testament,
Das wird nach meinem Tod mir leid.
Mit schlechtem Beispiel und Bescheid
Treib ich, was meine Jugend lernte;
Daß meine Schlechtigkeit Ehre ernte,
Wünsch ich und rühm mich dreist der Schande,
Wie ich beschissen alle Lande
Und hab gemacht viel Wasser trübe;
Im Schlechten ich mich allzeit übe,
Es tut mir leid, daß ichs nicht mehr
Vollbringen kann so wie vorher.
Doch was ich jetzt nicht mehr kann treiben,
Soll meinem Heinz empfohlen bleiben;
Mein Sohn wird tun, was ich gespart,
Er schlägt mir nach wohl in der Art;
Es stehet ihm recht stattlich an,
Und lebt er, wird aus ihm ein Mann.
Er sei mein Sohn, muß man einst sagen;
Dem *Schelme wird er Rechnung tragen
Und wird in keinem Ding sich sparen
Und in dem Narrenschiff auch fahren!
Es soll mich noch im Grab *ergötzen,
Daß er mich wird so ganz ersetzen!« –
Nach solchem jetzt das Alter trachtet,
Die Weisheit es gar nicht mehr achtet.
*Susannens Richter zeigten wohl,
Was man dem Alter zutraun soll:
Ein alter Narr der Seel nicht schont;
Der tut schwer recht, wers nicht gewohnt.



006.

Wer seinen Kindern übersieht
Mutwillen und sie nicht erzieht,
Dem selbst zuletzt viel Leid geschieht.

Von rechter Kinderlehre

Der ist vor Narrheit wohl ganz blind,
Wer nicht drauf achtet, daß sein Kind
In guter *Zucht man unterweist,
Und sich insonderheit befleißt,
Daß er sie irrgehn läßt ohn Strafe,
Wie ohne Hirten gehn die Schafe;
Der ihrem Übermut nicht wehrt
Und sie zu strafen nicht begehrt,
Dieweil er meint, sie sei'n zu jung,
Es hafte nicht Erinnerung
In ihrem Ohr, nicht Straf noch Lehre. –
O großer Tor, merk auf und höre:
Der Jugend ist nichts zu geringe,
Sie merket wohl auf alle Dinge.
Der neue Topf hält vom Gericht
Geschmack und Duft und läßt ihn nicht.
Ein junger Zweig sich dreht und schmiegt,
Doch wenn man einen alten biegt,
So kracht und bricht er bald entzwei.
Gerechte Straf bringt kein Geschrei,
Der Rute Zucht vertreibt ohn Schmerzen
Die Narrheit aus des Kindes Herzen.
Ohn Strafe selten man belehrt,
Das Übel wächst, dem man nicht wehrt.
*Heli war brav und lebte rein,
Doch straft' er nicht die Kinder sein,
Drum straft' ihn Gott, daß er mit Klage
Samt ihnen starb an einem Tage.
Weil man der Kinder Zucht nicht will,
Drum trifft man *Catilinen viel.
Es stände besser um manches Kind,
Gäb man ihm Lehrer wohlgesinnt,
Wie *Phönix, den einst aufgesucht
*Peleus zu des *Achilles Zucht.
*Philipp durchsuchte Griechenland,
Bis er dem Sohn den Meister fand:
Dem größten König in der Welt
Ward *Aristoteles zugesellt,
Der hörte *Plato manches Jahr,
Dem *Sokrates einst Lehrer war.
Jedoch die Väter unsrer Zeit,
Die gehen blind vor Geiz so weit
Und nehmen solchen Lehrer schon,
Der ihnen zum Narren macht den Sohn
Und schickt ihn wieder heim nach Haus
Halb närrischer, als er kam daraus.
Drum ist zu wundern nichts daran,
Wenn närrische Kinder ein Narr gewann.
Der alte *Crates sprach, wenn ihm
Es zuständ, wollt mit lauter Stimm'
Er schreien: Narren unbedacht!
Aufs Gütersammeln habt ihr acht
Und achtet nicht auf euer Kind,
Für das ihr doch auf Reichtum sinnt.
Aber euch wird zuletzt der Lohn,
Wenn in den Rat soll gehn der Sohn
Und dort auf Zucht und Ehren achten,
Dann wird nach solchem Ding er trachten,
Wie man's von Kind an ihn gelehrt;
Dann wird des Vaters Leid gemehrt,
Der sich verzehrt, weil er ohn Nutzen
Erzogen einen *Winterbutzen.
Die einen gehn zu der Buben *Rott'
Und lästern dort und schmähen Gott;
Die andern hängen sich an Säcke,
Die dritten verspielen Roß und Röcke;
Die vierten prassen Tag und Nacht.
Das wird aus solchen Kindern gemacht,
Die man nicht in der Jugend zieht,
Mit einem Lehrmeister wohl versieht.
Denn Anfang, Mittel, Schluß der Ehre
Entspringt allein aus guter Lehre.
Ein löblich Ding ist adlig sein,
Doch ist es fremd und ist nicht dein:
Es kommt von deinem Elternpaar;
Ein köstlich Ding ist Reichtum gar,
Aber er ist des Glücks Zufall,
Das auf und ab tanzt wie ein Ball;
Der Ruhm der Welt sich schön anläßt:
Doch schwankt er und ist voll *Gebrest;
Ein schöner Leib steht hoch in Acht
Und währt doch kaum bis über Nacht;
So ist Gesundheit uns sehr lieb
Und stiehlt sich weg doch wie ein Dieb;
Der Stärke Größe, die man schätzt,
Schwindet vor Krankheit und Alter zuletzt:
Darum ist nichts unsterblich mehr
Und unvergänglich, als gute Lehr.
Gorgias fragte, ob glücklich wär
Zu preisen Persiens mächtiger Herr?
Sprach Sokrates: »Ich weiß noch nicht,
Ob er gelernt der Tugend Pflicht!«
Als wollt er sagen, daß Macht und Gold
Ohne Tugendlehre nichts gelten sollt.



007.

Wer zwischen Stein und Stein sich legt
Und viel Leut auf der Zunge trägt,
Den *Trübsal bald und Schaden schlägt.

Von *Zwietrachtstiftern

Gar mancher hat viel Freude dran,
Daß er verwirren jedermann
Und bürsten kann dies Haar auf das,
Daraus dann Feindschaft wächst und Haß.
Mit *Afterrede und Lügen groß
Gibt er gar manchem einen Stoß,
Den der erst lang nachher empfindet,
Wenn aus der Freundschaft Haß sich zündet;
Und daß ers wohl besiegeln möge,
Lugt er, wieviel er noch zulege,
Und will es nur beichtweise sagen,
Um nicht Verweis davonzutragen;
Ja, unter der Rose – beteuert er –
Es dir ans Herz geleget wär,
Und meint, damit gefall er wohl.
Die Welt ist solcher Zwietracht voll,
Daß man einen auf der Zunge tragen
Kann weiter als im *Hängewagen.
Wie Chore tat und *Absalon,
Die wünschten Anhang sich und Kron'
Und holten sich nur Schimpf und Schande.
Ein *Alchymus in jedem Lande
Die Freunde entzweit, mit Lügen umringt
Und die Finger zwischen die Angeln bringt;
Die werden oft geklemmt davon,
Wie dem, der wollt empfangen Lohn,
Dieweil er *Saul erschlagen hätt,
Und denen, so schlugen *Isboseth.
Wie der auch zwischen Mühlsteinen liegt,
Der stets an Zwietracht sich vergnügt.
Man sieht ihm an den Gebärden an,
Welch Worte das sind und welch ein Mann:
Verbirgt man den Narren hinter der Tür,
Er streckt die Ohren doch herfür.



008.

Wer nicht kann sprechen ja und nein
Und pflegen Rat um groß und klein,
Der trag den Schaden ganz allein.

Gutem Rat nicht folgen

Der ist ein Narr, der weis will sein
Und hält nicht *Glimpf noch Maße ein,
Und wenn er Weisheit pflegen will,
So ist ein *Gauch sein *Federspiel,
Viel sind mit Worten weis und klug
Und ziehen doch den Narrenpflug.
Das macht, weil sie zu jeder Zeit
Für klug sich halten und gescheit,
Und achten nicht auf fremden Rat,
Bis ihnen sich das Unglück naht.
*Tobias stets den Sohn belehrt,
Daß er an weisen Rat sich kehrt;
Man riet der Hausfrau *Lots wohl gut,
Doch voll Verachtung war ihr Mut,
Drum ward von Gott sie heimgesucht
Und ward zur Säule auf der Flucht.
*Rehabeam nicht folgen wollte
Den alten Weisen, wie er sollte;
Den Narren folgt' er, da verlor
Er Stämme zehn und blieb ein Tor.
Hätt *Nebukadnezar auf *Daniel gehört,
Er wäre nicht in ein Tier verkehrt;
Und *Makkabäus, der stärkste Mann,
Der großer Taten Ruhm gewann,
Hätt *Jorams Rat er zu Herzen genommen,
Er wäre nicht ums Leben gekommen.
Wer allzeit folgt seinem eignen Haupt
Und gutem Rat nicht folgt und glaubt,
Der lässet Glück und Heil beiseit
Und will verderben vor der Zeit!
Drum Freundes Rat niemand veracht',
Wo Räte viel – dort Glück und Macht.
*Achitophel sich selbst getötet hat,
Weil *Saul nicht folgte seinem Rat.



009.

Wer schlecht an Sitte und Gebärde
Und guckt, wo er zum Narren werde,
Der schleift die Kappe an der Erde.

Von schlechten Sitten

Viel gehn in *Schauben stolz daher
Und werfen den Kopf bald hin, bald her,
Dann hin zu Tal, dann auf zu Berg,
Dann hinter sich, dann *überzwerch,
Bald gehn sie rasch, dann sehr gemach;
Das zeigt als Zeichen und Ursach,
Daß sie leichtfertig von Gemüte,
Wovor man sich gar *billig hüte.
Wer klug nach guter Sitte späht,
Dem auch sein Wesen wohl ansteht,
Und was er auch beginnt und tut,
Das dünket jeden Weisen gut.
Die echte Weisheit fängt an mit Scham,
Ist *züchtig, still und *friedesam,
Es ist bei ihr dem Guten wohl,
Drum füllt sie Gott der Gnaden voll.
Viel besser hat man gute Gebärde,
Denn allen Reichtum auf der Erde,
Weil aus den Sitten man bald entnimmt,
Wie einer im Herzen ist gestimmt.
Gar mancher der Sitten wenig schont,
Das macht, sie sind ihm ungewohnt,
Er ist erzogen nicht dazu,
Drum hat er Sitten wie eine Kuh.
Die beste Zierde, der höchste Nam',
Sind gute Sitten, Zucht und Scham.
*Noah wohl guter Sitten pflag,
Doch schlug ihm *Ham, sein Sohn, nicht nach.
Wer einen weisen Sohn gebärt,
Den man Vernunft, Sitt', Weisheit lehrt,
Der danke Gott doch früh und spat,
Der ihn mit Gnade versehen hat.
In des Vaters Nase biß *Albin,
Weil der ihn nicht besser ließ erziehn.



010.

Wer Gewalt und Unrecht einem Mann
Antut, der Leid ihm nie getan,
Da stoßen sich zehn andre dran.

Von wahrer Freundschaft

Der ist ein Narr mit töricht Blut,
Der einem Menschen Unrecht tut,
Weil er dadurch gar manchem *dräut,
Der sich dann seines Unglücks freut.
Wer seinem Freunde Böses tut,
Der all sein Hoffen, Vertrauen und Mut
Allein gesetzet hat auf ihn,
Der ist ein Narr und ohne Sinn. –
Es gibt nicht mehr ein Freundespaar,
Wie *Jonathan und *David war,
*Patroklus und *Achill dabei,
*Orest und *Pylades, die zwei,
Wie *Demades und *Pythias gar
Oder der Schildknecht Saulis war,
Wie *Scipio, *Laelius, die beiden.
Wo Geld gebricht, muß Freundschaft scheiden;
Die Nächstenliebe so weit nicht geht,
Wie im Gesetz geschrieben steht:
Der Eigennutz vertreibt das Recht,
Die Freundschaft, Liebe, Sippschaft, Geschlecht;
Es lebt jetzt keiner Moses gleich,
An Nächstenliebe wie dieser reich,
Oder wie *Nehemias
Und mit ihm der fromme *Tobias.
Wem nicht Gemeinnutz so viel wert
Wie Eigennutz, den er begehrt,
Den halt ich für einen närrischen *Gauch:
Denn was gemeinsam, ist eigen auch.
Doch *Kain lebt jetzt in jedem Stand,
Dem leid ist, wenn Glück *Abel fand.
Es gehen Freunde in der Not
Wohl vierundzwanzig auf ein Lot,
Und die am besten wollen sein,
Gehn sieben auf ein *Quentelein.



011.

Wer jedem Narren glauben will,
Da man doch hört von Schrift so viel,
Der schickt sich wohl ins Narrenspiel.

Verachtung der Heiligen Schrift

Der ist ein Narr, der nicht der Schrift
Will glauben, die das Heil betrifft,
Und meint, daß er zu Recht so lebe,
Als ob's nicht Gott noch Hölle gebe,
Verachtend Predigt sowie Lehre,
Als ob er gar nicht säh noch höre. –
Stünd einer von den Toten auf,
Man liefe hundert Meilen drauf,
Damit man hörte neue *Märe,
Welch Wesen in der Hölle wäre;
Ob viele Leut dort führen ein,
Ob man auch zapfte neuen Wein
Und ander ähnlich Affenspiel.
Nun hat man doch der Schrift so viel
Vom *Alten und vom Neuen Bund,
Kein ander Zeugnis zu der Stund
Braucht man, noch Kapell und *Klausen
Des *Sackpfeifers von Nickelshausen.
Denn Gott spricht nach der Wahrheit sein:
»Wer hier gesündigt, hat dort Pein,
Und wer sich hier zur Weisheit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.«
Gott gab, das leidet Zweifel nicht,
Gehör dem Ohr, dem Auge Licht;
Drum ist erblindet und ertaubt,
Der nicht hört Weisheit und ihr glaubt
Und lauscht auf neue Mär und Sage.
Ich fürcht, es kommen bald die Tage,
Daß man mehr neuer Mär werd inne,
Als uns gefall und sei nach Sinne.
Jeremias schrie und hat gelehrt
Und ward von niemand doch gehört,
Desgleichen andre *Weise mehr,
Drum kam viel Plage hinterher.



012.

Wer nicht erst gürtet vor dem Reiten,
Nicht weise Vorsicht übt beizeiten,
Des spottet man, fällt er zur Seiten.

Von unbesonnenen Narren

Der ist mit Narrheit wohl geeint,
Wer spricht: »Das hätt ich nicht gemeint!«
Denn wer bedenkt all Ding beizeiten,
Der sattelt wohl, eh er will reiten.
Wer sich bedenkt erst nach der Tat,
Des Überlegung kommt meist zu spat;
Wer in der Tat sich raten kann,
Muß sein ein wohlerfahrner Mann,
Oder es haben's ihn Frauen gelehrt,
Die solchen Rats sind hochgeehrt.
Hätt Adam zuvor bedacht sich *baß,
Bevor er von dem Apfel aß,
Er wär nicht um den kleinen Biß
Gestoßen aus dem Paradies.
Hätt *Jonathas sich recht bedacht,
Er hätt die Gaben wohl veracht't,
Die *Tryphon ihm in Falschheit bot
Und ihn darnach erschlug zu Tod.
Guten Anschlag wußte alle Zeit
Der *Kaiser Julius in dem Streit,
Doch, als er hatte Fried und Glück,
Versäumte er ein kleines Stück,
Daß er den Brief nicht las zur Hand, ,
Den man zur Warnung ihm gesandt.
*Nikanor überschlug gering,
Verkaufte das *Wildbret, eh ers fing,
Drum ging sein Anschlag fehl genug:
Zung, Hand und Haupt man ab ihm schlug.
Ein weiser Plan allzeit gut paßt,
Wohl dem, der ihn beizeiten faßt.
Gar mancher eilt und kommt zu spät,
Der stößt sich bald, der zu rasch geht.
*Asahel, einst als schnell bekannt,
Sank hin, durchbohrt von *Abners Hand.



013.

An meinem Seile ich nach mir zieh
Viel Affen, Esel und Narrenvieh:
Ich täusche, trüge, verführe sie.

Von Buhlschaft

Ich, *Venus mit dem *strohernen Steiß,
Bin nicht die letzte des Narrenbreis;
Ich locke zu mir der Narren viel
Und mach zum *Gauche, wen ich will,
Meine Kunden niemand nennet all.
Wer je gehört von *Circes Stall,
*Kalypso, der *Sirenen *Joch,
Bedenk, welch Macht ich habe noch.
Wer meint, daß klug und schlau er sei,
Den tauch ich tief in Narrenbrei,
Und wer einmal von mir wird wund,
Den macht kein kräftig Kraut gesund.
Drum hab ich einen Sohn, der blind:
Kein *Buhler sieht, was er beginnt;
Mein Sohn ein Kind ist, nicht ein Mann:
Und kindisch ist der Buhler Plan;
Sie kennen Worte von Gewicht
Gleich einem kleinen Kinde nicht;
Mein Sohn ist nackt, das zeiget an,
Daß Buhlschaft niemand verbergen kann;
Böse Lieb entfliegt, nicht lang sie steht,
Daher mein Sohn geflügelt geht.
Buhlschaft ist leicht zu aller Frist,
Nichts weniger stet auf Erden ist;
*Cupido trägt den Bogen bloß,
An jeder Seit' einen Köcher groß,
In einem hat er Hakenpfeile,
Damit trifft er viel Narrn in Eile,
Die sind scharf, hakig, *gülden, spitz,
Und wen sie treffen, verliert den Witz
Und tanzt darnach am Narrenholze;
Im andern Köcher die Vogelbolze
Sind stumpf, nicht leicht, beschwert mit Blei,
Macht einer wund, so scheuchen zwei.
Wen traf Cupidos sichre Hand,
Den setzt sein Bruder *Amor in Brand,
Daß er nicht löschen kann die Flamm',
Die *Dido einst das Leben nahm,
Durch die *Medea einst verbrannt
So Kind wie Bruder mit eigner Hand.
Kein Wiedehopf ward *Tereus je,
Den Stier vermiede *Pasiphae,
*Phädra führ' nicht dem *Theseus nach,
Sucht' nicht an ihrem Stiefsohn Schmach;
*Nessus wär nicht geschossen tot,
*Troja gekommen nicht in Not;
Es ließe *Scylla dem Vater das Haar,
*Hyacinth wär keine Blume fürwahr,
*Leander durchs Meer nicht schwimmen tät,
*Messalina wäre in Keuschheit stet;
*Mars läg nicht in Ketten um sein Lieben,
Und fern wäre *Procris der Hecke geblieben.
Es stürzte nicht *Sappho vom Felsenhang,
Keinen Kiel versehrte Sirenengesang;
Es ließe *Circe wohl fahren die Schiffe,
Und *Cyclops mit Pan nicht kläglich pfiffe;
*Leucothea würde nicht Weihrauch gebären,
*Myrrha sich nicht mit Adonis beschweren,
*Byblis wär nicht ihrem Bruder hold,
Es empfinge nicht *Danae durch Gold,
*Nyctimene flöge nicht aus bei Nacht,
Zur Stimme nicht wäre *Echo gemacht;
Es färbte nicht *Thisbe die Beeren rot,
*Atalanta käm nicht als Löwin in Not,
Des *Leviten Weib wäre nicht geschwächt
Und darum erschlagen ein ganz Geschlecht;
*David ließe baden die *Bathseba,
Und *Samson nicht traute der *Delila;
Nicht betete *Salomo Götzen an,
Der Schwester hätt *Amon nichts Böses getan;
Ohn Grund wär *Joseph verklaget nit
Wie *Bellerophon und *Hippolyt;
Der Weise wie ein *Roß nicht ginge,
Am Turm *Virgilius nicht hinge,
*Ovidius hätte des Kaisers Gunst,
Hätt nicht gelehrt er der Buhler Kunst –
Es käme zur Weisheit mancher noch,
Verlangte er nicht nach der Buhlschaft Joch.
Wer viel mit Frauen hat *Credenz,
Dem wird verbrannt sein *Conscienz;
Es dienet Gott nicht früh noch spat,
Wer viel mit ihnen zu schaffen hat,
Die Buhlschaft dient einem jeden Stande
Zu Spott und Narrheit und zur Schande;
Noch schändlicher ist sie *alsdann,
Wenn buhlt im Alter Weib und Mann.
Der ist ein Narr, der buhlen will
Und meint zu halten Maß und Ziel;
Denn daß man Weisheit pfleg' – und buhle,
Verträgt sich nicht auf einem Stuhle.
Ein Buhler wird verblendet gar:
Er meint, es nähm ihn niemand wahr.
Dies ist das kräftigste Narrenkraut,
Die Kappe klebt lang an der Haut.



014.

Wer spricht, daß Gott barmherzig sei
Allein, und nicht gerecht dabei,
Der hat Vernunft wie Gäns' und Säu'.

Von Vermessenheit gegen Gott

Der schmiert sich wohl mit *Eselsschmalz
Und hat die Büchse an dem Hals,
Wer sprechen darf, daß Gott der Herr
Barmherzig sei und *zürn nicht sehr,
Wenn man auch manche Sund vollbringe,
Und wägt die Sünden so geringe,
Daß er sie für ganz menschlich nimmt.
Den Gänsen sei doch nicht bestimmt
Von Gott des Himmelreiches Pracht,
Auch hab man allzeit Sünd vollbracht
Und fang nicht erst von neuem an.
Die Bibel er erzählen kann
Und andere Historien viel,
Daraus er doch nicht merken will,
Daß Strafe überall darnach
Geschrieben steht mit Plag' und Rach',
Und daß es Gott nie lang vertrug,
Wenn man ihn auf die Backen schlug.
Gott ist kein Böhme, kein Tatar,
Doch ihre Sprache ist ihm klar;
Ist sein Erbarmen noch so groß,
Ohn Zahl, Gewicht und Maße los,
So bleibt doch die Gerechtigkeit
Und straft die Sünd in Ewigkeit
An allen, die nicht tuen recht,
Gar oft bis in das neunte Geschlecht.
Barmherzigkeit nicht lang besteht,
Wenn Gottes Gerechtigkeit vergeht.
Wahr ists, der Himmel kommt nicht zu
Den Gänsen; doch auch keine Kuh,
Kein Narr, Aff, Esel oder Schwein
Kommt je ins Himmelreich hinein;
Denn was gehört in des Teufels Zahl,
Das nimmt ihm niemand überall.



015.

Wer bauen will, der schlag erst an,
Was ihm der Bau wohl kosten kann,
Sonst sieht er nicht das Ende an.

Von törichtem Planen

Der ist ein Narr, der bauen will
Und nicht zuvor anschlägt, wieviel
Es kosten wird, und ob er kann
Vollbringen es nach seinem Plan.
Groß Werk hat mancher ausersehn
Und konnte nicht dabei bestehn.
Der *König Nabuchodonosor
Hob einst in Hoffart sich empor,
Weil *Babylon die große Stadt
Durch seine Macht gebaut er hat,
Und doch kam es gar bald dazu,
Daß er im Feld lag wie 'ne Kuh.
*Nimrod wollt bauen hoch in die Luft
Einen Turm, stärker als Wassers Kluft,
Und schlug nicht an, daß ihm zu schwer
Sein Bauen und nicht möglich war.
Es baut nicht jeder so geschickt,
Wie es *Lucullus einst geglückt.
Wer nicht gern Reu beim Bau gewinnt,
Bedenk sich wohl, eh er beginnt,
Denn manchem kommt die Reu zu spät,
Wenn es ihm an den Säckel geht.
Wer große Dinge leitet ein,
Der muß sich selber Bürge sein,
Ob er gelangen mög' zum Ziel,
Das er für sich erreichen will,
Damit ihn nicht des Glückes Fall
Mach' zum Gespött den Menschen all.
Viel besser ist es, nichts beginnen,
Als Schaden, Schand und Spott gewinnen.
Die Pyramiden kosten viel,
Das Labyrinth auch dort am Nil,
Und mußten doch schon längst vergehn:
Kein Bau der Welt kann lang bestehn!



016.

In künftige Armut billig fällt,
Wer Völlerei stets nachgestellt
Und sich den Prassern zugesellt.

Von Völlerei und Prassen

Der zieht einem Narren an die Schuh,
Der weder Tag noch Nacht hat Ruh,
Wie er den Wanst füll' und den Bauch
Und mach' sich selbst zu einem Schlauch,
Als ob er dazu wär geboren,
Daß durch ihn ging viel Wein verloren,
Als müßt ein Reif er täglich sein –
Der paßt ins Narrenschiff hinein,
Denn er zerstört Vernunft und Sinne,
Des wird er wohl im Alter inne,
Wenn ihm dann schlottern Kopf und Hände;
Er kürzt sein Leben, ruft sein Ende.
Ein schädlich Ding ists um den Wein,
Bei dem kann niemand weise sein,
Wer darin Freud und Lust nachtrachtet.
Ein trunkner Mensch niemandes achtet
Und weiß nicht Maß noch recht Bescheid.
Unkeuschheit kommt aus Trunkenheit,
Viel Übles auch daraus entspringt:
Ein Weiser ist, wer mäßig trinkt. –
Noah vertrug selbst nicht den Wein,
Der ihn doch fand und pflanzte ein,
Lot ward durch Wein zweimal zum Tor,
Durch Wein der *Täufer den Kopf verlor.
Wein machet, daß ein weiser Mann
Die Narrenkapp aufsetzen kann.
Als Israel einst schlemmte wohl
Und ihm der Bauch war mehr als voll,
Begann es übermütig Spiel,
Gottloser Tanz ihm wohlgefiel.
Darum gebot Gott *Aarons Söhnen,
Sie sollten sich des Weins entwöhnen
Und alles, was da trunken macht
– Doch haben's Priester wenig acht!
Als *Holofernes trunken ward,
Verlor den Kopf er samt dem Bart;
*Thamyris brauchte Speis und Trank,
Als sie den König *Cyrus zwang;
Durch Wein lag nieder *Bennedab,
Als er verlor all seine Hab;
*Alexander, wenn er trunken war,
Vergaß der Ehr und Tugend gar;
Er tat oft in der Trunkenheit,
Was ihm darnach ward selber leid;
Der Reiche trank wie ein *Zechgeselle
Und aß des Morgens in der Hölle.
Der Mensch könnt frei, kein Knecht mehr sein,
Wenn Trunkenheit nicht wär und Wein.
Wer liebt den Wein und fette Bissen,
Wird Glück und Wohlstand ewig missen,
Ihm Weh und seinem Vater Weh!
Dem wird nur Streit und Unglück je,
Wer stets sich füllt wie eine Kuh
Und jedermann will trinken zu
Und tun Bescheid dem, was man bringt
Denn wer ohn Not viel Wein austrinkt,
Ist dem gleich, welcher auf dem Meer
Entschläft und liegt ohn Sinn und Wehr:
So tun, die nur auf *Praß bedacht,
*Schlemmen und *demmen Tag und Nacht.
Trägt denen der Wirt als Kunden zu
Einen *Bug und Viertel von einer Kuh
Und bringt ihnen Mandeln, Feigen und Reis:
So bezahlen sie ihn wohl auf dem Eis.
Viel würden bald sehr weise sein,
Wenn Weisheit steckte in dem Wein,
Den sie in sich gießen ohne Ruh.
Je einer trinkt dem andern zu:
»Ich bring dir eins! – Ich kitzle dich! –
Das kommt dir zu!« – Der spricht: »Wart, ich
Will wehrn mich, bis wir beid' sind voll!«
Damit ist Narren *jetzo wohl!
Eins auf den Becher, zwei vor den Mund,
Ein Strick an den Hals, war einem gesund
Und besser, als solche *Völlerei
Zu treiben; das ist Narretei,
Wie *Seneca schon sah vorher,
Als in den Büchern geschrieben er,
Daß man würd künftig geben mehr
Dem Trunknen als dem Nüchternen Ehr,
Und daß man noch wolle gerühmet sein,
Wenn einer trunken wäre vom Wein.
Die Biersäufer dazu ich meine,
Wenn einer trinkt 'ne Tonne alleine
Und wird dabei so toll und voll –
Man stieß mit ihm die Tür auf wohl.
Ein Narr muß saufen erst recht viel,
Ein Weiser trinkt mit Maß und Ziel
Und ist dabei doch viel gesunder,
Als wer's mit Kübeln schüttet runter.
Der Wein geht ein – man merkt es nicht,
Zuletzt er wie die Schlange sticht
Und gießt sein Gift durch alles Blut,
Gleichwie der *Basiliskus tut.



017.

Wer Gut hat, sich ergötzt damit
Und teilt es nicht dem Armen mit,
Dem wird versagt die eigne Bitt'.

Von unnützem Reichtum

Die größte Torheit in der Welt
Ist, daß man ehrt vor Weisheit Geld
Und vorzieht einen reichen Mann,
Der Ohren hat und *Schellen dran;
Der muß allein auch in den Rat,
Weil er viel zu verlieren hat.
Einem jeden glaubt so viel die Welt,
Als er trägt in der Tasche Geld:
»Herr Pfennig!«, der muß stets vornan.

War noch am Leben *Salomo,
Man ließ ihn in den Rat nicht so,
Wenn er ein armer *Weber wär
Oder ihm stund der Säckel leer.
Die Reichen lädt man ein zu Tisch
Und bringt ihnen Wildbret, Vögel, Fisch,
Und tut ohn Ende ihnen hofieren,
Dieweil der Arme vor der Türen
Im Schweiß steht, daß er möcht erfrieren.
Zum Reichen spricht man: »Esset, Herr!«
O Pfennig, man gibt dir die Ehr;
Du schaffst, daß viel dir günstig sind:
Wer Pfennige hat, viel Freund' gewinnt,
Den grüßt und schwagert jedermann.
Hält einer um 'ne Ehfrau an,
Man fragt zuerst: »Was hat er doch?«
Wer fragt nach Ehrbarkeit denn noch
Oder nach Weisheit, Lehre, Vernunft?
Man sucht einen aus der Narrenzunft,
Der in die Milch zu *brocken habe,
Ob er auch sei ein *Köppelknabe.
Kunst, Ehre, Weisheit gelten nicht,
Wo an dem Pfennig es gebricht.
Doch wer sein Ohr vor dem Armen stopft,
Den hört Gott nicht, wenn er auch klopft.



018.

Der setzt zwei Hasen sich zum Ziel
Wer zweien Herren dienen will
Und ladet auf sich allzuviel.

Vom Dienst zweier Herren

Der ist ein Narr, dem es gefällt,
Daß Gott er diene und der Welt;
Denn wo zween Herren hat ein Knecht,
Kann ihnen dienen er nimmer recht.
Gar oft verdirbt ein Handwerksmann,
Der viel Gewerb und Künste kann.
Wer jagen will und zu einer Stund
Zween Hasen fangen mit einem Hund,
Dem wird kaum einer wohl zuteil
Und oft gar nichts – trotz aller Eil.
Wer mit viel Bogen schießen will,
Der trifft wohl kaum einmal das Ziel;
Und wer auf sich viel Ämter nimmt,
Der kann nicht tun, was jedem ziemt;
Wer hier muß sein und doch auch dort,
Ist weder hier noch dort am Ort;
Wer's recht tun will nach jedermanns Nasen,
Muß warmen und kalten Atem blasen,
Und schlucken viel, was ihm nicht schmecke,
Und strecken sich nach jeder Decke,
Der möge *Pfühle unterschieben
Dem Arme jedes nach Belieben,
Und salben jedem wohl die Stirne
Und schauen, daß ihm keiner *zürne.
Aber viel Ämter schmecken gut,
Man wärmt sich bald bei großer Glut,
Doch wer der Weine viel erprobt,
Darum noch nicht *jedweden lobt.
Ein schlicht Geschmeid ist bald bereit,
Der Weise lobt Einfältigkeit;
Wer einem dient und tut dem recht,
Den hält man für den treusten Knecht.
Der Esel starb und ward nie satt,
Der täglich neue Herren hatt'.



019.

Wer Mund und Zunge gut behüt't,
Der schirmt vor Angst Seel und Gemüt:
Ein Specht durch Lärm die Brut verriet.

Von vielem Schwatzen

Der ist ein Narr, wer tadeln will,
Wozu sonst jedermann schweigt still,
Und will unnötig Haß vermehren,
Wo er doch schweigen könnt in Ehren.
Wer reden will, wo er nicht soll,
Der taugt zum Narrenorden wohl;
Wer ohne Frage gibt Bescheid,
Der zeiget selbst sein Narrenkleid.
An solcher Rede hat mancher Freud,
Dem daraus Schaden wächst und Leid.
Mancher verläßt sich auf sein Schwätzen,
Daß er eine Nuß abredet einer Hätzen,
Des Worte sind so stark und tief,
Er schwatzt ein Loch in einen Brief
Und richtet an ein Geschwätz gar leicht.
Doch wenn er kommt dann zu der Beicht,
Wo man doch ewigen Lohn verheißt,
Geht ihm die Zunge nicht so dreist.
Noch sind viel *Nabal auf der Erde,
Die schwätzen mehr, als gut ihnen werde,
Und mancher würde für klug geschätzt,
Wenn er nicht selbst sich hätte verschwätzt:
Ein Specht verrät mit seiner Zungen
Das eigne Nest mitsamt den Jungen.
Im Schweigen liegt oft Antwort viel,
Und Schaden hat, wer schwatzen will.
Oft trägt die Zunge, ein Glied so klein,
Unruhe und Unfrieden ein,
Befleckt gar oft den ganzen Mann
Und stiftet Streit, Krieg, Zanken an;
Ein großes Wundern ist in mir,
Daß man bezähmt ein jedes Tier,
Wie hart, wie wild, wie grimm es ist:
Doch kein Mensch seiner Zunge Meister ist!
Die ist ein unruhiges Gut,
Das Schaden oft dem Menschen tut;
Durch sie wird oft gescholten Gott,
Den Nächsten schmähen wir mit Spott,
Mit Fluchen, Nachred und Veracht,
Den Gott nach seinem Bild gemacht;
Gar mancher wird durch sie verraten,
Sie offenbart geheimste Taten.
Vom Schwatzen nährt sich mancher allein,
Nicht kaufen braucht er Brot und Wein.
Die Zunge braucht man vor Gericht,
Daß krumm wird, was zuvor war schlicht;
Manch armer Narr verliert die Habe
Durch sie und greift zum Bettelstabe.
Dem Schwätzer kostet das Reden nicht viel,
Er kitzelt sich, lacht, wann er will,
Und redet Gutes in der Welt
Von keinem, wie der auch sei gestellt.
Wer viel Lärm und Geschrei jetzt macht,
Den lobt man und hat seiner acht,
Zumal wer köstlich geht einher
Mit dicken Röcken und Ringen schwer;
Die taugen jetzt wohl für die Leute,
Man achtet dünnen Rocks nicht heute.
Wenn noch auf Erden *Demosthenes
Oder *Tullius wär oder *Aeschines,
Man schätzte nicht ihre Weisheit heute;
Wenn sie nicht könnten bescheißen die Leute
Und reden viele Worte geschmückt,
Welche zu hören Narren entzückt.
Wer vieles spricht, sagt oft zuviel
Und muß auch schießen nach dem Ziel,
Werfen den Schlegel fern und weit
Und *Ränke schmieden im Widerstreit.
Viel Schwätzen sündigt und betrügt,
Und keines Freund ist, wer viel lügt;
Wenn man vom Herren Übles spricht,
So bleibt das lang verschwiegen nicht,
Ob es auch fern geschäh von ihm:
Die Vögel tragen aus die Stimm',
Es nimmt zuletzt kein gutes Ende,
Denn Herren haben lange Hände.
Wer über sich viel hauen will,
Dem fallen Spän' ins Auge viel,
Und wer seinen Mund in den Himmel setzt,
Der wird mit Schaden oft geletzt.
Ein Narr den Geist auf einmal zeigt,
Der Weise Besseres hofft und – schweigt.
Unnützes Wort keinen Nutzen bringt,
Und aus Geschwätz nur Schad' entspringt.
Darum ist besser Stillesein
Als Schwatzen, Reden oder Schrein.
*Sotades ward um wenig Wort'
Einst eingekerkert wie um Mord.
Es sprach nur dies Theocritus:
Einäugig sei *Antigonus,
Da wars mit ihm im eignen Haus
Wie mit Tullius und Demosthenes aus.
Schweigen ist löblich, recht und gut,
Wer weise redet, noch besser tut.



020.

Wer etwas findet und trägt das hin
Und wähnt, Gott schenk's ihm, in seinem Sinn,
So hat der Teufel beschissen ihn.

Vom Schätze finden

Der ist ein Narr, wer etwas findet
Und im Verstand ist so erblindet,
Daß er spricht: »Gott hat mir das beschert;
Ich frag nicht, wem es zugehört!«
Was einer nicht hat ausgesät,
Ist ihm versagt auch, daß ers mäht,
Und jeder weiß, bei seiner Ehre,
Daß dies einem andern zugehöre.
Was, wie er weiß, sein Gut nicht ist,
Das hilft ihm nicht, obs ihm gebrist
Und er es findet ohn Gefährde;
Er schau, daß es dem wieder werde,
Falls er ihn weiß, der es erworben,
Oder geb es den Erben, wenn jener gestorben,
Und falls man die nicht wissen kann,
Geb man es einem armen Mann
Oder sonst um Gottes Willen aus;
Es soll nicht bleiben in dem Haus,
Denn es ist fortgetragen Gut,
Dadurch verdammt in Höllenglut
Gar mancher um solch Sünden sitzt,
Den man oft reibt, wenn er nicht schwitzt.
Achor behielt, was nicht war sein,
Und bracht dadurch das Volk in *Pein,
Zuletzt ward ihm, was er nicht meinte,
Als ohn Erbarmen man ihn steinte.
Wer auf sich nimmt 'ne kleine Bürde,
seines Diebstahls gesteinigt wurde.
Trüg größre auch, wenn sie ihm würde.
Finden und Rauben Gott gleich achtet,
Weil er dein Herz dabei betrachtet.
Nichts finden macht kein Herz betrübt,
Doch Fund, den man nicht wiedergibt.
Denn was man findet und trägt ins Haus,
Das kommt gar ungern wieder heraus.



021.

Wer guten Weg zeigt andern zwar,
Doch bleibt, wo Sumpf und Pfütze war,
Der ist der Sinn' und Weisheit bar.

Vom Tadeln und Selbertun

Der ist ein Narr, der tadeln will,
Was ihm zu tun ist nicht zuviel;
Der ist ein Narr und ungeehrt,
Der jedes Ding zum Schlechten kehrt,
Der einen Lappen an alles hängt
Und nicht der eignen Gebrechen denkt.
Die Hand, die an der Wegscheid steht,
Zeigt einen Weg, den sie nicht geht,
Und wer im Auge den *Balken hat,
Tu ihn heraus, eh er gibt Rat:
»Bruder, hab acht, ich seh an dir
Ein Fäserlein, das mißfällt mir!«
Dem, der da lehrt, stehts übel an,
Wenn er sonst tadelt jedermann
Und selbst dem Laster nach doch geht,
Das andern Leuten übel steht,
Und wenn er leiden muß den Spruch:
»Herr Arzt, für dich erst Heilung such !«
Mancher den andern Rat zuspricht,
Der sich doch selbst kann raten nicht;
Wie *Gentilis und *Mesue,
Deren jeder starb am selben Weh,
Das er von andern gern vertrieben,
Worüber fleißig sie geschrieben.
Ein jedes Laster, das geschieht,
Um soviel deutlicher man sieht,
Als man denselben höher acht't,
Der solches Laster hat vollbracht.
Tu erst das Werk und darnach lehre,
Willst du verdienen Lob und Ehre.
Einst hatte Israel im Sinn
Zu strafen den Stamm Benjamin,
Obschon es lag darnieder doch
Und selbst noch trug der Sünden Joch.



022.

Wer gern die Weisheit hört und lehrt
Und ganz zu ihr sich allzeit kehrt,
Der wird in Ewigkeit geehrt.

Die Lehre der Weisheit

Die Weisheit ruft mit heller Stimm:
»O menschlich Geschlecht, mein Wort
Erfahrung achte stets, mein Kind! vernimm!
Aufmerket all, die töricht sind!
Sucht die Belehrung, nicht das Geld!
Weisheit ist besser als die Welt
Und alles, was man wünschen mag!
Nach Weisheit *trachtet Nacht und Tag!
Nichts ist, was ihr gleicht auf der Erd,
Weisheit im Rate ist gar wert;
Alle Stärke und Fürsichtigkeit
Ist einzig mein«, so spricht die Weisheit.
»Durch mich der König die Krone erhält;
Durch mich sind Gesetze mit Recht in der Welt;
Durch mich die Fürsten haben ihr Land,
Durch mich alle Macht ihren Rechtspruch fand.
Wer mich lieb hat, den lieb auch ich;
Wer früh mich sucht, der findet mich.
Bei mir ist Reichtum, Gut und Ehr,
Mich hat besessen Gott der Herr
Von Anbeginn in Ewigkeit.
Durch mich macht Gott all Ding bereit,
Und ohne mich ist nichts gemacht.
Wohl dem, der mich stets hat in Acht.
Drum, meine Söhne, seid nicht träge,
Selig, wer geht auf meinem Wege!
Wer mich findet, hat Glück und Heil,
Wer mich haßt, dem wird Verderben zuteil!« –
Die Strafe wird über Narren gehn,
Sie werden den Glanz der Weisheit sehn
Und den Lohn, der dafür steht bereit
Und währen wird in Ewigkeit –
Daß sie verbluten und selber sich
In Jammer nagen ewiglich.



023.

Wer meint, vollkommen sei sein Heil
Und stetes Glück allein sein Teil,
Den trifft zuletzt der Donnerkeil.

Von Überschätzung des Glücks

Der ist ein Narr, der Rühmens macht,
Daß ihn das Glück stets angelacht
Und er Glück hab in jeder Sache:
Der harrt des *Schlegels auf dem Dache.
Denn der Vergänglichkeit *Glücksal
Ein Zeichen ist und ein Merkmal,
Daß Gott des Menschen ganz vergißt,
Den er nicht heimsucht zu der Frist.
Im Sprichwort man gemeinhin spricht:
»Ein Freund den andern oft *besicht!«
Ein Vater straft oft seine Söhne,
Daß er an Rechttun sie gewöhne;
Ein Arzt gibt sauern und bittern Trank,
Daß desto eher genese der Krank';
Ein *Bader sondiert und schneidet die Wunde,
Damit der *Sieche bald gesunde,
Und weh dem Kranken, wenn verzagt
Der Arzt und nicht mehr mahnt noch sagt:
»Das sollte der Sieche besser nicht tun,
Und das und das ließ' er besser ruhn!«
Vielmehr spricht: »Gebt ihm nur recht hin
Das, was er will und was *lüstet ihn!«
Wen also der Teufel bescheißen will,
Dem gibt er Glück und Reichtum viel,
Geduld ist besser in Armut
Denn aller Welt Glück, Reichtum, Gut.
Bei Glück soll niemand Stolz empfinden,
Denn wenn Gott will, so wird es *schwinden.
Ein Narr schreit jeden Augenblick:
»O Glück, was läßt du mich, o Glück?
Was tat ich dir? Gib mir recht viel,
Weil ich ein Narr noch bleiben will!«
Drum, größre Narren wurden nie
Denn die Glück hatten allzeit hie!



024.

Wer aller Welt Sorg' auf sich ladet,
Nicht denkt, ob es ihm nützt, ob schadet,
Hab auch Geduld, wenn man ihn badet.

Von zu viel Sorge

Der ist ein Narr, der tragen will,
Was ihm zu heben ist zuviel,
Und der allein meint zu vollbringen,
Was ihm *zu drittselbdritt kaum könnt gelingen.
Wer auf den Rücken nimmt die Welt,
In einem Augenblick oft fällt.

Von *Alexander kann man lesen,
Daß ihm die Welt zu eng gewesen;
Er schwitzte drin, als ob er kaum
Für seinen Leib drin hätte Raum,
Und fand zuletzt doch seine Ruh
In einem Grab von sieben Schuh.
Der Tod allein erst zeiget an,
Womit man sich begnügen kann.
Diogenes mehr Macht besaß,
Und dessen Wohnung war ein Faß;
Wiewohl er nichts hatt' auf der Erde,
Gab es doch nichts, was er begehrte
Als: Alexander möchte gehn
Und ihm nicht in der Sonne stehn.

Wer hohen Dingen nach will jagen,
Der muß auch hoch die *Schanze wagen.
Was hilfts dem Menschen zu gewinnen
Die Welt und zu verderben drinnen?
Was hilfts dir, daß der Leib käm' hoch
Und die Seele führ' ins Höllenloch?
Wer Gänse nicht will barfuß lassen
Und Straßen fegen rein und Gassen
Und eben machen Berg und Tal,
Der hat keinen Frieden überall.

Zu viele Sorg' ist nirgend für,
Sie machet manchen bleich und dürr.
Der ist ein Narr, der sorgt all Tag',
Was er zu ändern nicht vermag.



025.

Wer will auf *Borg aufnehmen viel,
Dem fressen die Wölfe doch nicht das Ziel.
Und der Esel schlägt ihn, wann er will.

Vom Borgen

Der ist mehr Narr als andre Narren,
Wer stets aufnimmt auf Borg und *Harren
Und nicht bei sich erwägen will
Das Wort: »Es frißt der Wolf kein Ziel!«
So tun auch die, deren Schlechtigkeit
Gott nachsieht zur Beßrung lange Zeit,
Und die doch täglich mehr und mehr
Sich laden auf, weshalb der Herr
Ihrer wartet, bis kommt ihre Stund
Und sie zahlen bis zum letzten Pfund.
Es starben Frauen, Vieh und Kind,
Als einstmals kam *Gomorrhas Sünd
Und *Sodoms zu dem letzten Ziel.
*Jerusalem zu Boden fiel,
Als Gott gewartet manches Jahr;
Die *Niniviten zahlten zwar
Bald ihre Schuld und wurden quitt,
Doch beharrten sie die Länge nit;
Sie nahmen auf noch größre Schand,
Da ward kein *Jonas mehr gesandt.

Alle Dinge haben Zeit und Ziel
Und gehn ihre Straße, wie Gott will.
Wer wohl sich fühlt bei seinem Borgen,
Macht ums Bezahlen sich nicht Sorgen.
Sei nicht bei denen, die rasch die Hand
Hinstrecken für dich zum *Bürgepfand,
Denn so man nichts zum Bezahlen hätte,
Nähmen sie 's Kissen von dem Bette.
Als Hunger einst *Ägypten fraß,
Nahmen sie so viel Korn auf, daß
Sie *leibeigen wurden hinterher,
Und mußtens doch bezahlen schwer.
Denn wenn der Esel beginnt den Tanz,
Hält man ihn nicht fest bei dem Schwanz.



026.

Wer sich erwünscht, was ihm nicht not,
Und seine Sach nicht setzt auf Gott,
Der kommt zu Schaden oft und Spott.

Von unnützem Wünschen

Der ist ein Narr, der Wünsche tut,
Die ihm mehr schädlich sind als gut;
Denn wenn ers hätt, und würds ihm wahr –
Er blieb der Narr doch, der er war.
Der König *Midas wünscht' und wollt,
Was er berührte, würde Gold;
Als das geschah – da litt er Not,
Nun ward zu Gold ihm Wein und Brot.
Daß man nicht sah sein Eselsohr,
Das ihm gewachsen drauf im Rohr,
Verhüllte er mit Recht sein Haar.

Weh dem, des Wünsche werden wahr!
Viele wünschen, daß sie leben lange,
Und machen doch der Seele bange
Mit Praß und Schlemmen im Weinhaus,
Daß sie vorzeitig muß fahren aus;
Dazu, wenn sie schon werden alt,
Sind sie doch bleich, siech, ungestalt;
Ihre Haut ist schlaff, ihre Wangen so leer,
Als ob ein Aff ihre Mutter war.
Viel Freude hat nur, wer noch jung,
Das Alter ist ohn Abwechselung,
Ihm zittern Glieder, Stimm' und Hirn,
Die Nase trieft, kahl ist die Stirn,
Es ist den Frauen zuwider fast,
Sich selbst und seinen Kindern zur Last;
Ihm schmeckt und gefällt nichts, was man tut,
Es sieht viel, was ihm *dünkt nicht gut.

Lang leben andre, um in Pein
Und neuem Unglück stets zu sein,
In Trauer und in stetem Leid,
Sie enden ihre Tag' im schwarzen Kleid:
Es konnte *Nestor in alten Tagen
Samt *Peleus und *Laertes klagen,
Daß sie zu lang ließ leben Gott,
Weil sie die Söhne sahen tot.
Wär *Priamus gestorben eh',
Er hätt erlebt nicht so viel Weh,
Das ihm mit Jammer ward bekannt
An Frau und Kindern, Stadt und Land.
Wenn *Mithridat und *Marius,
*Pompejus, *Krösus noch zum Schluß
Nicht so alt geworden wären,
Sie wären gestorben hoch in Ehren.

Wer Schönheit sich und seinem Kind
Erwünscht, der sucht Ursach zur Sünd.
Wär *Helena nicht als schön bekannt,
Ließ *Paris sie in Griechenland;
Wär häßlich gewesen *Lukrezia,
Dann solche Schmach ihr nicht geschah;
Wär *Dina mit Kropf und Höcker beschwert,
Hätt *Sichem sie wohl nicht entehrt.
Gar selten hat man noch gefunden
Schönheit und Keuschheit eng verbunden.
Zumal die hübschen *Hansen nun
Begehren *Büberei zu tun
Und straucheln doch, daß man sie oft
Am Narrenstrick sieht unverhofft

Mancher wünscht Häuser, Frau und Kind,
Oder daß er viel Gulden find'
Und ähnliche Torheit – von der Gott wohl
Erkennt, wie sie geraten soll;
Drum säumt er, sie uns zu erteilen,
Und was er gibt, nimmt er zuweilen.

Etliche wünschen sich Gewalt
Und Aufstieg ohne Aufenthalt
Und sehen nicht, daß, wer hoch steigt,
Von solcher Höhe fällt gar leicht,
Und daß, wer auf der Erde liegt,
Vorm Fall sich braucht zu fürchten nicht.

Gott gibt uns alles, was er will;
Er weiß, was recht ist, was zuviel,
Auch was uns nütz sei und bekomme,
Und was uns schade und nicht fromme;
Und wenn er uns nicht lieber hätt
Als wir uns selbst, und wenn er tät
Und macht' uns, was wir wünschten, wahr –
Es reut' uns, eh verging ein Jahr.
Denn die Begierde macht uns blind
Zu wünschen Ding', die schädlich sind.
Wer wünschen will, daß er recht lebe,
Der wünsche, daß der Herr ihm gebe
Gesunden Sinn, Leib und Gemüte
Und ihn vor Furcht des Todes hüte,
Vor Zorn, vor bösem Geiz und Gier.
Wer das für sich erwirbet hier,
Legt seine Tage besser an,
Als *Herkules je hat getan
Oder *Sardanapalus es tät
In Wollust, Prassen und Federbett;
Der hat alles, was ihm ist not,
Braucht nicht zu rufen das Glück statt Gott.
Ein Narr wünscht seinen Schaden oft:
Sein Wunsch wird Unglück unverhofft.



027.

Wer nicht die rechte Kunst studiert,
Derselbe wohl die *Schellen rührt
Und wird am Narrenseil geführt.

Von unnützem Studieren

Der Studenten ich auch nicht schone:
Sie haben die Kappe voraus zum Lohne,
Und wenn sie die nur streifen an,
Folgt schon der Zipfel hintendran,
Denn wenn sie sollten fest studieren,
So gehn sie lieber bubelieren.
Die Jugend schätzt die Kunst gar klein;
Sie lernt jetzt lieber ganz allein,
Was unnütz und nicht fruchtbar ist.

Denn dies den Meistern auch gebrist,
Daß sie der rechten Kunst nicht achten,
Unnütz Geschwätz allein betrachten:
Ob es erst Tag war oder Nacht?
Ob wohl ein Mensch einen Esel gemacht?
Ob *Sortes oder *Plato gelaufen?
Die Lehr ist jetzt an den Schulen zu kaufen.
Sind das nicht Narren und ganz dumm,
Die Tag und Nacht gehn damit um
Und kreuzigen sich und andre Leut
Und achten beßre Kunst keinen *Deut?
Darum *Origenes von ihnen
Spricht, daß sie ihm als die Frösche schienen
Und als die *Hundsmücken, die das Land
Ägypten plagten, wie bekannt.
Damit geht uns die Jugend hin,
So sind zu Lips wir, Erfurt und Wien,
Zu Heidelberg, Mainz, Basel gestanden
Und kamen zuletzt doch heim mit Schanden.
Ist dann das Geld verzehret so,
Dann sind der Druckerei wir froh,
Und daß man lernt auftragen Wein:
Der Hans wird dann zum *Hänselein.
So ist das Geld wohl angelegt:
Studentenkapp gern Schellen trägt!



028.

Sollt Gott nach unserm Willen machen,
So ging es schlimm in allen Sachen,
Wir würden weinen mehr denn lachen.

Von Wider=Gott=Reden

Der ist ein Narr, der Feuer facht,
Zu mehren des Sonnenscheines Macht,
Oder wer Fackeln setzt in Brand,
Dem Sonnenglanz zum Beistand;
Doch wer Gott tadelt um sein Werk,
Der heißt wohl *Heinz von Narrenberg,
Die Narren all er übertrifft,
Seine Narrheit gibt er in Geschrift.
Denn Gottes Gnad und Fürsichtigkeit
Ist so voll aller Wissenheit,
Daß sie nicht braucht der Menschen Lehre
Oder daß man mit Ruhm sie mehre.
Darum, o Narr, was tadelst du Gott?
Dein Wissen ist vor ihm ein Spott.
Laß Gott tun seinem Willen nach,
Sei's Wohltat, Strafe oder Rach;
Laß *wittern ihn, laß machen schön,
Denn ob du auch magst bös aussehn,
Geschieht es doch nicht desto eh',
Dein Wünschen tut allein dir weh;
Dazu versündigst du dich schwer,
So daß dir Schweigen besser wär!
Wir beten, daß sein Wille werde,
So wie im Himmel, auf der Erde,
Und du Narr willst ihn tadeln lehren,
Als ob er sich an dich müßt kehren!
Gott kann es besser *ordinieren
Als durch dein närrisch Phantasieren.
Der Juden Volk belehrt uns wohl,
Ob Gott will, daß man murren soll; ;
Wer gab ihm Rat zu jener Zeit,
Als er aus Nichts schuf Herrlichkeit?
Wer etwas ihm gegeben eh'r,
Der rühm' sich des und schelt' ihn mehr!



029.

Wer sich für fromm hält ganz allein
Und andre richtet als schlecht und klein,
Der stößt sich oft an hartem Stein.

Von selbstgerechten Narren

Ein Narr sich auf den Trost verläßt
Und meint, er sei der Allerbest,
Und weiß nicht, daß in einer Stunde
Die Seel ihm fährt zum Höllengrunde.
Denn diesen Trost hat jeder Narr,
Er meint, noch fern zu sein der *Bahr;
Sieht andre er im Sterbekleid,
Hat einen Grund er bald bereit
Und sagt dann wohl: » Der lebte so!
Der war zu wild; der selten froh!
Der hat dies und der jenes getan,
Drum tat ihm Gott das Sterben an!«
Er richtet den nach seinem Tod,
Der Gnade fand vielleicht bei Gott,
Während er in größern Sünden lebt,
Wider Gott und seinen Nächsten strebt
Und scheut nicht Strafe drum noch Buß
Und weiß doch, daß er sterben muß.
Wo, wann und wie? ist ihm nicht kund,
Bis ihm die Seel fährt aus dem Mund;
Doch glaubt er nicht an eine Hölle,
Bis er kommt über ihre Schwelle,
Dann wird ihm wohl der Sinn aufgehn,
Wird er inmitten der Flammen stehn!
Einen jeden dünkt sein Leben gut,
Das Herz allein Gott kennen tut;
Für schlecht hält man oft manchen Mann,
Den Gott doch kennt und liebgewann.
Auf Erden mancher wird geehrt,
Der nach dem Tod zur Hölle fährt.
Ein Narr ist, wer es wagt und spricht,
Er sei befleckt von Sünden nicht:
Doch jedem Narren das gebrist,
Daß er nicht sein will, was er ist.



030.

Wem nach viel *Pfründen hier ist not,
Des Esel fällt oft in den Kot:
Viel Säcke sind des Esels Tod.

Von vielen Pfründen

Ein Narr ist, wer eine Pfründe gewann,
Der er allein kaum gerecht werden kann,
Und lädt noch soviel Säck' auf den Rücken,
Bis daß der Esel muß ersticken.
Eine mäßige Pfründe nährt einen wohl;
Wer noch eine nimmt, derselbe soll
Acht haben, daß er ein Auge wahre,
Damit ihm das nicht auch ausfahre;
Denn wenn er noch eine Pfründe gewinnt,
Wird er auf beiden Augen blind,
Dann hat er Tag und Nacht nicht Ruh,
Wie er noch zahllose nehm dazu;
So reißt dem Sack der Boden aus,
Bis daß er fährt zum Totenhaus.
Aber man tut jetzt *dispensieren,
Wodurch sich mancher läßt verführen,
Der meint, daß er sei sicher ganz,
Bis elf und Unglück wird sein' Schanz'.
Viel Pfründen mancher besitzen tut,
Der wär nicht zu einem Pfründlein gut,
Dem er könnt recht Genüge tun,
Der tauscht und kauft nun ohne Ruhn,
Daß er wohl irr wird in der Zahl
Und tut ihm also weh die Wahl,
Daß er auch sitz auf der rechten Stelle,
Wo er kann leben als guter Geselle.
Das ist eine sorgenvolle Kollekt:
Wahrlich, der Tod im Hafen steckt!
Wo man Pfründen *jetzo verleiht,
Sind *Simon und *Hiesi nicht weit.
Merk: will viel Pfründen ein Geselle,
So harrt er der letzten in der Hölle,
Da wird er finden eine *Präsenz,
Die mehr bringt als hier sechsmal *Absenz.



031.

Wer singt *»cras, cras« gleichwie ein Rab,
Der bleibt ein Narr bis hin zum Grab;
Hat morgen eine noch größere Kapp.

Vom Aufschubsuchen

Der ist ein Narr, dem Gott gebeut,
Daß er sich bessern soll noch heut
Und soll von seinen Sünden lassen,
Ein besser Leben anzufassen,
Und der nicht gleich sich bessern mag,
Nein, Frist sich setzt zum andern Tag
Und singt »cras, cras!« des Raben Sang,
Und weiß nicht, ob er lebt so lang.
Viel Narren sind verlorngegangen,
Die allzeit: »Morgen! Morgen!« sangen.
Was Sünd und Narrheit sonst angeht,
Da eilt man zu so früh wie spät;
Was Gott betrifft und Rechtes tun,
Das schleicht gar langsam näher nun,
Dem suchen Aufschub stets die Leute.
»Morgen ist besser beichten denn heute!
Wir lernen Rechttun morgen schon!«
So spricht gar mancher verlorne Sohn.
Derselbe Morgen kommt nimmer je,
Er flieht und schmilzt gleichwie der Schnee;
Erst wenn die Seel nicht bleiben kann,
Dann bricht der morgige Tag heran,
Dann wird von Schmerz der Leib bedrängt,
Daß er nicht an die Seele denkt.
So sind auch in der Wüste vergangen
Der Juden viel; es sollte gelangen
Kein einziger in jenes Land,
Das Gott verhieß mit milder Hand.
Wer heut nicht fähig zur Reue ist,
Hat morgen noch mehr, was ihm gebrist.
Wen heute beruft die Gottesstimm,
Weiß nicht, ob sie ruft morgen ihm,
Drum sind viel Tausend jetzt verloren,
Die morgen sich zu bessern schworen!



032.

Heuschrecken hütet an der Sonnen
Und Wasser schüttet in den Bronnen,
Wer hütet die Frau, die er gewonnen.

Vom Frauenhüten

Viel Narrentage und viel Verdruß
Hat, wer der Frauen hüten muß;
Denn welche wohl will, tut selbst recht,
Die übel will, die macht bald schlecht,
Wie sie zu Wege bring' all Tag
Ihre böse Absicht und ihren Anschlag.
Legt man ein Malschloß schon dafür
Und schließt all Riegel, Tor und Tür
Und setzt ins Haus der Hüter viel.
So geht es dennoch, wie es will.
Was half der Turm, drein Danae ging,
Dafür, daß sie ein Kind empfing?
Penelope war frei und los
Und hatt' um sich viel Buhler groß,
Ihr Mann blieb zwanzig Jahre aus,
Und sie blieb brav in ihrem Haus.
Der sprech allein, daß er noch sei
Von Weiberlist und Trug ganz frei,
Und halt die Frau auch lieb und hold,
Den seine Frau nie täuschen wollt.
Eine hübsche Frau, als Närrin geboren,
Gleicht einem Roß, dems fehlt an Ohren;
Wer mit derselben ackern will,
Der macht der krummen Furchen viel.
Das sei der braven Frau Betragen:
Die Augen nieder zur Erde schlagen,
Nicht Artigkeiten mit jedermann
Austauschen und jeden gäffeln an,
Noch hören alles, was man ihr sagt:
Denn Kupplern das Schafskleid wohl behagt.
Hätt Helena nicht, als Paris schrieb,
Antwort gegeben, er sei ihr lieb,
Und Dido durch ihre Schwester Ann',
Sie wären beide ohn fremden Mann.



033.

Wer durch die Finger sehen kann
Und läßt die Frau einem andern Mann,
Da lacht die Katz die Maus süß an.
Vom Ehebruch

Ehbrechen wägt man so gering,
Als ob man schnellt' einen Kieseling.
Ehbruch hat jetzt des Gebots nicht acht,
Das Kaiser Julius gemacht.
Man scheut jetzt Straf noch Tadel nicht,
Das macht, die in der Ehe Pflicht
Zerbrechen Krüge und Töpfe gleich
Und: »Schweig du mir, so ich dir schweig!«
Und: »Kratz du mich, so kratz ich dich!«
Man kann die Finger halten sich
Vors Auge so, daß man doch sieht,
Und wachen bei geschlossenem Lid –
Man kann jetzt leiden Frauenschmach,
Es folgt nicht Straf noch Rache nach.
Stark ist im Land der Männer Magen,
Viel Schande können sie vertragen
Und tun, was ehmals Cato tat,
Der dem Hortens die Frau abtrat.
Gar wenigen gehn jetzt zu Herzen
Aus Ehbruch Leid und Sorg und Schmerzen,
Wie die Atriden straften mit Recht,
Da ihre Frauen man geschwächt,
Oder wie Collatinus tat,
Als man Lukrezia Schmach antat.
Drum ist der Ehbruch jetzt so groß,
Auf allen Straßen ist Clodius los.
Wer jetzt mit Geißeln die wohl strich',
Die wegen Ehbruchs rühmen sich,
Wie man Salustio gab Lohn –
Trüg mancher Striemen viel davon.
War solche Strafe für Ehbruch da,
Wie Abimelech einst geschah,
Sowie den Söhnen Benjamin
Oder würd ihm solcher Gewinn,
Wie David geschah mit Bersabe –
Mancher würd brechen nicht die Eh'.
Wer leiden kann, daß sein Weib sei
Im Ehbruch, und er wohnt ihr bei,
So er das weiß und sieht den Trug,
Den halt ich wahrlich nicht für klug.
Er gibt ihr Ursach mehr zum Fall;
Dazu die Nachbarn munkeln all,
Er hab mit ihr teil und gemein,
Und ihre Beute sei auch sein.
Sie sprech zu ihm: »Hans, guter Mann,
Dich seh ich doch am liebsten an!« –
Die Katz den Mäusen gern nachgeht,
Wenn sie das Mausen erst versteht:
Die andre Männer hat versucht,
Wird also schandbar und verrucht,
Daß Ehr und Scham sie nicht mehr achtet,
Nach ihrer Lust allein sie trachtet.
Ein jeder schau, daß er so lebe,
Daß er der Frau nicht Ursach gebe;
Er halt sie freundlich, lieb und schön
Und fürcht nicht jeder Glock Getön,
Noch keif er mit ihr Nacht und Tag,
Und schau doch, was die Glocke schlag.
Dann laß dies treuer Rat dir sein:
Führ nicht viel Gäste bei dir ein!
Vor allen schaue der genau,
Wer hat 'ne weltlich hübsche Frau,
Denn niemand ist zu trauen wohl,
Die Welt ist falsch und Untreu voll.
Es blieb die Frau dem Menelaus,
Wenn Paris nicht kam in das Haus;
Hätt Agamemnon den Aegisth
Nicht zu Haus gelassen, wie ihr wißt,
Und ihm vertraut Weib, Hof und Gut,
Er hätt verloren nicht sein Blut,
Gleichwie Kandaules, der Tor so groß,
Der zeigte sein Weib einem andern bloß.
Wer Freude nicht will haben allein,
Dem geschieht ganz recht, wird sie gemein;
Drum soll man halten das fürs Beste,
Wenn Ehleut nicht gern haben Gäste,
Zumal denen nicht zu trauen ist:
Die Welt steckt voll Betrug und List!
Wer Argwohn hat, der glaubt gar bald,
Man tue, was ihm nicht gefallt,
Wie Jakob mit dem Rock geschah,
Den er mit Blut besprenget sah;
Ahasverus dachte, daß Haman meinte
Esther zu schänden, der doch weinte;
Um seine Frau einst Abraham bangte,
Bevor er nach Gerare gelangte.
Besser ein Knauser in seinem Haus,
Als fremde Eier brüten aus.
Wer viel ausfliegen will zu Wald,
Der wird zu einer Grasmücke bald.
Wer brennende Kohlen im Schoße trägt
Und Schlangen an seinem Busen hegt
Und in der Tasche zieht eine Maus –
Solche Gäste nützen wenig dem Haus.



034.

Mancher hält sich für weise gern
Und bleibt 'ne Gans doch heuer wie fern,
Will nicht Vernunft noch Zucht erlern'n.

Narr heute wie gestern

Ein Narr ist, wer viel Gutes hört
Und doch nicht seine Weisheit mehrt,
Wer allzeit wünscht Erfahrung viel
Und sich davon nicht bessern will,
Und was er sieht, will haben auch,
Damit man merk, er sei ein Gauch.
Denn das plagt alle Narren sehr:
Was neu ist, das ist ihr Begehr;
Doch ist die Lust dran bald verloren
Und etwas andres wird erkoren.
Ein Narr ist, wer durchfährt viel Land
Und lernt nicht Tugend noch Verstand,
Der als eine Gans geflogen aus
Und kommt als Gagack heim nach Haus.
Nicht genug, daß einer war vordem
Zu Pavia, Rom, Jerusalem,
Sondern dort etwas gelernt zu haben,
Vernunft und andere Weisheitsgaben:
Das halt ich für ein Wandern gut.
Denn war voll Kreuze auch dein Hut,
Und könntest du scheißen Perlen fein,
So schätzte ich doch nicht allein,
Daß du viel Land besucht und sahst
Und – wie die Kuh ohn Weisheit stahst.
Denn wandern bringt nicht große Ehre,
Es sei denn, daß man klüger wäre.
Hätt Moses im Ägypterland
Und Daniel nicht erworben Verstand,
Als er war in Chaldäa fern,
Man würde sie nicht also ehrn.
Mancher kommt staubbedeckt zur Beicht,
Der rein zu werden meint und leicht,
Und geht doch wieder fort unrein
Und trägt am Hals den Mühlenstein.



035.

Wer stets im Esel hat die Sporen,
Der rutscht ihm oft bis auf die Ohren:
Leicht zürnen paßt zu einem Toren.

Von leichtem Zürnen

Der Narr den Esel allzeit reitet,
Der unnütz wird zum Zorn verleitet
Und um sich knurret wie ein Hund,
Kein gutes Wort geht aus dem Mund,
Keinen Buchstaben kennt er als das R
Und meint, man soll ihn fürchten sehr,
Weil er kann zürnen nach Behagen.
Drum hört man gute Leute sagen:
»Wie tut der Narr sich so zerreißen!
Unglück will uns mit Narrn bescheißen!
Er wähnt, man hab nicht Narren zuvor
Gesehen als Hans Eselsohr!«
Den Weisen hindert Zorneswut,
Der Zornige weiß nicht, was er tut.
Archytas sprach zu seinem Knecht,
Als ihm von dem geschah Unrecht:
»Ich würd dies jetzt nicht schenken dir,
Wenn ich nicht spürte Zorn in mir!«
Mit Plato solches auch geschah;
An Sokrates nie Zorn man sah.
Wen leicht sein Zorn zu Ungeduld
Bringt, der fällt bald in Sünd und Schuld.
Geduld besänftigt Widrigkeit,
Ein mildes Wort löst Härtigkeit;
All Tugend Ungeduld zerbricht,
Wer zornig ist, der betet nicht.
Vor schnellem Zorn dich allzeit hüte,
Denn Zorn wohnt in des Narrn Gemüte.
Viel leichter wär eines Bären Zorn,
Hätt seine Jungen er auch verlorn,
Zu dulden, als was ein Narr dir tut,
Den seine Narrheit setzt in Wut.
Der Weise ist bedächtig allzeit,
Ein Jäher billig den Esel reit'!



036.

Wer will auf eignen Sinn ausfliegen
Und Vogelnester sucht zu kriegen,
Der wird oft auf der Erde liegen.

Vom Eigensinn

Der kratzt sich mit den Dornen scharf,
Wen dünkt, daß niemands er bedarf,
Und meint, er sei allein so klug,
In allen Dingen gewitzt genug;
Der irrt gar oft auf ebnem Wege,
Gerät gar leicht auf wilde Stege,
Auf denen Heimkehr nicht wird sein.
Weh dem, der fällt und ist allein!
Zu Ketzern wurden oft verkehrt,
Die rechter Tadel nicht belehrt,
Verlassend sich auf eigne Kunst,
Daß sie erlangten Ruhm und Gunst.
Viel Narren fielen hoch herab,
Die suchten Weg, wo's keinen gab,
Und stiegen Vogelnestern nach;
Ohn Leiter mancher niederbrach.
Verachtung oft den Boden rührt,
Vermessenheit viel Schiff' verführt,
Und weder Nutzen hat noch Ehre,
Wer nicht mag, daß man ihn belehre.
Die Welt wollt Noah hören nie,
Bis untergingen Leut und Vieh; ;
Korah wollt tun, was ihn verdarb,
Drum er mit seinem Volke starb.
Das sondre Tier, das frißt gar viel.
Wer eignen Kopf gebrauchen will,
Sich zu zertrennen untersteht
Den Rock, der doch nicht ist genäht.
Wer hofft, vom Narrenschiff zu weichen,
Muß in die Ohren Wachs sich streichen,
Das tat Ulysses auf dem Meer,
Als er sah der Sirenen Heer
Und ihm durch Weisheit nur entkam,
Womit ihr Stolz ein Ende nahm.



037.

Wer sitzet auf des Glückes Rade,
Der schaue, daß kein Fall ihm schade
Und daß als Narr er komm zum Bade.

Von Glückes Zufall

Der ist ein Narr, der hochauf steigt,
Daß seine Scham der Welt er zeigt,
Und sucht stets einen höhern Grad
Und denkt nicht an des Glückes Rad.
Was hochauf steigt in dieser Welt,
Gar plötzlich oft zu Boden fällt.
Kein Mensch so hoch hier kommen mag,
Der sich verheißt den künftgen Tag,
Und daß er Glück dann haben will,
Denn Klotho hält ihr Rad nicht still,
Oder den sein Reichtum und Gewalt
Vorm Tod einen Augenblick erhalt'.
Wer Macht hat, der hat Angst und Not,
Viel sind um Macht geschlagen tot.
Die Herrschaft hat nicht langen Halt,
Die man muß schirmen mit Gewalt.
Wo keine Lieb und Gunst der Gemein',
Da ist viel Sorge – und Freude klein.
Es muß viel fürchten, wer da will,
Daß ihn auch sollen fürchten viel.
Nun ist die Furcht ein schlechter Knecht,
Sie kann nicht lange hüten recht.
Wer innehat Gewalt, der lerne
Liebhaben Gott und ehr ihn gerne.
Wer Gerechtigkeit hält in der Hand,
Des Macht kann haben gut Bestand;
Des Herrschaft war wohl angelegt,
Um dessen Tod man Trauer trägt.
Weh dem Regenten, nach des Tod
Man sprechen muß: »Gelobt sei Gott!«
Wer einen Stein wälzt auf die Höh,
Auf den fällt er und tut ihm weh,
Und wer vertrauet auf sein Glück,
Fällt oft in einem Augenblick.



038.

Wer krank ist und liegt in der Not
Und folgt nicht eines Arztes Gebot,
Der hab den Schaden, der ihm droht!

Von unfolgsamen Kranken

Der ist ein Narr, der nicht versteht,
Was ihm ein Arzt in Nöten rät,
Und der nicht recht Diät will leben,
Wie ihm der Arzt hat aufgegeben,
Und der für Wein das Wasser nimmt
Und andres, was ihm sonst nicht ziemt,
Und schaut, daß er sein Lüstchen labe,
Bis man ihn hinträgt zu dem Grabe.
Wer bald der Krankheit will entgehn,
Der soll dem Anfang widerstehn,
Denn Arzenei muß wirken lang,
Wenn Krankheit schon nahm Überhang.
Wer gern will werden bald gesund,
Der zeig dem Arzte recht die Wund'
Und dulde, daß man sie aufbreche
Oder mit Sonden darein steche,
Sie hefte, wasche und verbinde,
Ob man ihm auch die Haut abschinde,
Damit ihm nur das Leben bleibe
Und man die Seel nicht von ihm treibe.
Ein guter Arzt darum nicht flieht,
Wenn auch der Kranke halb hinzieht;
Ein Siecher billig dulden soll
Auf Hoffnung, daß ihm bald werd wohl.
Wer einem Arzt in Krankheit lügt
Und in der Beicht den Priester trügt
Und Falsches sagt dem Advokaten,
Der ihm doch soll zum Rechten raten,
Der hat sich ganz allein belogen,
Zu seinem Schaden sich betrogen.
Ein Narr ist, wer den Arzt befragt
Und nicht beachtet, was der sagt,
Doch alter Weiber Rat hält fest
Und in den Tod sich segnen läßt
Mit Amulett und Narrenwurz,
Drum nimmt zur Hölle er den Sturz.
Des Aberglaubens ist jetzt viel,
Womit man Heilung suchen will –
Wenn ich das alles zusammensuch,
Mach ich wohl draus ein Ketzerbuch.
Der Kranke nach Gesundheit trachtet,
Woher ihm Hilf kommt, er nicht achtet:
Den Teufel riefe mancher an,
Daß er der Krankheit möcht entgahn,
Wenn ihm von dem nur Hilfe würde
Und nicht Besorgnis ärgrer Bürde.
Der wird in Narrheit ganz verrucht,
Wer wider Gott Gesundheit sucht
Und ohne Weisheit doch begehrt,
Daß er will klug sein und gelehrt,
Der ist gesund nicht, sondern blöde,
Nicht klug, vielmehr in Torheit schnöde;
In steter Krankheit er verharrt,
In Wahn und Blindheit ganz ernarrt.
Krankheit aus Sünden oft entspringt,
Denn Sünde großes Siechtum bringt.
Drum wer der Krankheit will entgehn,
Dem soll Gott wohl vor Augen stehn,
Der soll sich erst der Beichte nahn,
Eh er will Arzenei empfahn,
Und soll zuvor die Seele heilen,
Eh er zum Leibesarzt will eilen.
Aber es spricht jetzt mancher Gauch:
»Was sich beleibt, beseelt sich auch!«
Doch wird es sich zuletzt so leiben,
Daß weder Leib noch Seele bleiben,
Und ewige Krankheit ficht den an,
Der hier will zeitlicher entgahn.
Viel sind verfault und längst schon tot,
Die besser vorher suchten Gott
Und seine Gnade, Hilf und Gunst,
Ehe sie suchten Ärztekunst
Und Leben hofften ohne Gnaden:
Sie starben zu der Seele Schaden.
Hätt Makkabäus recht vertraut
Auf Gott und nicht auf Rom gebaut,
Wie er zuerst gesonnen war,
Er hätt gelebt noch lange Jahr'.
Hiskias wär gestorben tot,
Hätt er sich nicht gekehrt zu Gott
Und so erworben, daß Gott wollte,
Daß er noch länger leben sollte.
Hätt sich Manasse nicht bekehrt,
Gott hätt ihn nimmermehr erhört.
Der Herr zu dem Bettsiechen sprach,
Der lange Jahr' gewesen schwach:
»Geh hin, bleib rein und sei kein Narr,
Daß dir nicht Schlimmeres widerfahr!«
Mancher gelobt in Krankheit viel,
Wie er sein Leben bessern will,
Von dem spricht man: »Der Sieche genas
Und wurde schlimmer, als er was!«
Er meinet Gott damit zu äffen:
Bald wird ihn größre Plage treffen!



039.

Wer laut den Anschlag kündet an
Und spannt sein Garn vor jedermann,
Vor dem man leicht sich hüten kann.

Von offenkundigen Anschlägen

Ein Narr ist, wer will fangen Sparrn
Und offenkundig stellt das Garn;
Denn leicht ein Vogel dem entflieht,
Wenn er es offen vor sich sieht.
Wer nichts als drohen tut all Tage,
Da sorgt man nicht, daß er fest schlage;
Wer seinen Plan schlägt offen an,
Vor dem bewahrt sich jedermann.
Hätt nicht verändert sich Nikanor
Und fremder gestellt als wie zuvor,
So hätt ihn Judas nicht erraten
Und sich so rasch bewahrt vor Schaden.
Als weiser Herr erscheint mir der,
Der weiß den Plan, sonst niemand mehr,
Zumal wenn ihm sein Heil liegt an;
Es will jetzt schwatzen jedermann
Und sich in solche Händel stecken,
Die hinten kratzen, vorne lecken.
Den acht ich nicht als weisen Mann,
Wer seinen Plan nicht bergen kann.
Denn Narrenplan und Buhlerwerk,
Eine Stadt, erbaut auf einem Berg,
Und Stroh, das in den Schuhen steckt,
Die viere werden bald entdeckt.
Ein Armer wahrt wohl Heimlichkeit,
Eines Reichen Sache trägt man weit;
Sie wird durch treulos Hausgesind
Verraten und verschwatzt geschwind.
Ein jedes Ding kommt leicht heraus
Durch die Genossen in dem Haus.
Es schadet uns kein schlimmrer Feind
Als der, der mit uns wohnt vereint;
Vor denen man nicht auf der Hut,
Die bringen viel um Leib und Gut.



040.

Wer einen Narren sieht fallen hart
Und sich darnach doch nicht bewahrt –
Greift einem Narren an den Bart.

An Narren Anstoß nehmen

Täglich sieht man der Narren Fall
Und spottet ihrer überall;
Sie sind verachtet bei den Klugen,
Die selbst die Narrenkapp oft trugen;
Es schilt ein Narr den andern Narren
Und fährt auf dessen Weg den Karren
Und stößt sich dort zu jeder Frist,
Wo erst ein Narr gefallen ist.
Hippomenes sah manchen Gauch
Vor sich enthaupten, wollte auch
Sich und sein Leben wagen ganz,
Und fast war Unglück seine Schanz.
Ein Blinder schilt den andern blind,
Wiewohl sie beide gefallen sind;
Ein Krebs den andern schalt, weil er
Stets hinter sich gegangen wär,
Ging ihrer keiner vorwärts doch,
Denn einer hinter dem andern kroch.
Dem Stiefvater folgt oft und viel,
Wer nicht dem Vater folgen will.
Hätt Phaethon nicht den Wagen bestiegen,
Wollt Ikarus so hoch nicht fliegen,
Wären gefolgt den Vätern beide –
Sie blieben verschont von Tod und Leide.
Noch nie bei Gott zu Gnaden kam,
Wer nachgefolgt Jerobeam, ,
Obschon er sah, daß Plag' und Rach'
Kam stets ohn Unterlaß darnach.
Wer einen Narrn sieht fallen hart,
Seh zu, daß er sich selbst bewahrt,
Denn töricht nenn ich nicht den Mann,
Der sich an Narren stoßen kann. .
Der Fuchs wollt in die Höhl' nicht, da
Er keinen wiederkehren sah.



041.

Glock ohne Klöppel gibt nicht Ton,
Hängt auch darin ein Fuchsschwanz schon:
Geschwätz im Ohr bringt keinen Lohn.

Nicht auf alle Rede achten

Wer mit der Welt auskommen will,
Der muß jetzt leiden Kummers viel
Und viel vor seiner Türe hören
Und sehn, was er würd gern entbehren.
Darum in großem Lobe stehn,
Die nicht mehr mit der Welt umgehn,
Sie sind durchgangen Berg und Tal,
Daß sie die Welt nicht brächt zu Fall
Und sie vielleicht vergingen sich.
Doch läßt die Welt sie nicht ohn Stich,
Wiewohl sie nicht verdienen kann,
Daß man solch Leute bei ihr trifft an.
Wem recht zu tun ist Herzenspflicht,
Der achte nicht, was jeder spricht,
Bleib vielmehr auf dem Vorsatz steif
Und kehr sich nicht an der Narren Pfeif'.
Hätten Propheten und Weissagen
Sich an Nachred in ihren Tagen
Gekehrt und nicht gesagt Bescheid,
Wärs ihnen jetzt längst worden leid.
Es lebt auf Erden gar kein Mann,
Der jedem Narren recht tun kann;
Wer jedermann könnt dienen recht,
Der müßte sein ein guter Knecht
Und früh vor Tag dazu aufstehn
Und selten wieder schlafen gehen.
Der muß Mehl haben mehr denn viel,
Wer jedem das Maul verstopfen will,
Denn es steht nicht in unsrer Macht,
Was jeder Narr kläfft, schwatzt und sagt.
Die Welt muß treiben, was sie kann,
Sie hats vor manchem mehr getan.
Ein Gauch singt Kuckuck oft und lang
Wie jeder Vogel seinen Sang.



042.

Man kann die Narren gut entbehrn,
Die stets mit Steinen werfen gern
Und sind von Zucht und Weisheit fern.

Von Spottvögeln

Ihr Narren, wollt doch von mir lern'n
Anfang der Weisheit, Furcht des Herrn!
All Kunst der Heiligen liegt bereit
Am Wege der Fürsichtigkeit.
Durch Weisheit wird der Mensch geehrt,
Durch sie die Tage des Lebens gemehrt.
Ein Weiser ist nützlich der Gemeine,
Ein Narr trägt seinen Kolben alleine;
Er dünkt sich weise wie ein Gott
Und treibt mit allen Weisen Spott.
Wer einen Spottvogel lehren will,
Der macht sich selbst Gespött gar viel;
Wer straft den bösgesinnten Mann,
Der hängt sich selbst ein Läpplein an.
Einen Weisen tadle, der hört dich gern
Und eilt, daß er von dir mehr lern'.
Wer den Gerechten tadeln will –
Der nimmt den Tadel an, schweigt still;
Der Ungerechte lästert viel
Und ist doch selbst des Schimpfes Ziel.
Der Häher ein Spottvogel ist,
Und doch gar vieles ihm gebrist.
Wirft man den Spötter vor die Tür,
So kommt mit ihm all Spott herfür,
Und was er Zank und Speiwort treibt,
Dasselbe vor der Türe bleibt.
Hätt David ihn nicht selbst geschont,
Wär Nabals Spott wohl worden belohnt;
Sannabalach den Spott bereute,
Als man Jerusalem erneute.
Von Bären wurde den Kindern vergolten,
Die glatzig den Propheten gescholten.
Simei nennt viel Söhne sein,
Die werfen gern mit Kot und Stein.



043.

Daß ich nur Zeitliches betrachte
Und auf das Ewige nidht achte,
Das schafft, weil mich ein Affe machte.

Verachtung ewiger Freude

Ein Narr ist, wer sich rühmt mit Spott,
Daß er das Himmelreich ließ Gott,
Und wünscht nur, daß er leben mag
In Narrheit bis zum Jüngsten Tag
Und bleiben möge ein guter Gesell,
Fahr er dann hin auch, wo Gott befehl'.
Ach Narr, gab es selbst Erdenfreud,
Die Tag und Nacht währt ohne Leid,
Daß sie nicht würd verbittert dir,
So möcht ich denken doch in mir,
Daß du dir wünschest eine Sach,
Die närrisch ist, gering und schwach.
Denn der fürwahr als Tor sich brüstet,
Den hier es lang zu leben lüstet,
Wo nichts ist denn das Jammertal:
Kurz Freud, lang Leid steckt überall.
Gedenken soll man wohl dabei,
Daß hier kein bleibend Wesen sei,
Dieweil wir werden all gesandt
Von hinnen in ein fremdes Land.
Viel sind vorauf, uns ruft der Tod,
Wir müssen doch einst schauen Gott,
Es sei zur Freude oder Straf.
Drum sage an, du töricht Schaf,
Ob größre Narrn je war'n auf Erden,
Als die, so dies mit dir begehrten?
Du wünschst von Gott zu scheiden dich
Und wirst dich scheiden ewiglich.
Ein Tröpflein Honig dir gefällt,
Dort wird dirs tausendfach vergällt;
Einen Augenblick währt hier die Freud,
Dort ewig Freude – oder Leid.
Drum, wer mit Frevel braucht solch Wort,
Den trügt sein Anschlag hier wie dort.



044.

Wer Vogel und Hund zur Kirche führt
Und andre Leute im Beten beirrt,
Derselbe den Gauch wohl streicht und schmiert.

Lärm in der Kirche

Man braucht nicht fragen, wer die seien,
Bei denen die Hund' in der Kirche schreien,
Während man Messe hält, predigt und singt,
Oder bei denen der Habicht schwingt
Und läßt seine Schellen so laut erklingen,
Daß man nicht beten kann noch singen.
Da muß behauben man die Hätzen,
Das ist ein Klappern und ein Schwätzen!
Durchhecheln muß man alle Sachen
Und Schnippschnapp mit den Holzschuhn machen
Und Unfug treiben mancherlei.
Da lugt man, wo Frau Kriemhild sei,
Ob sie nicht wolle um sich gaffen
Und machen aus dem Gauch 'nen Affen?
Ließ jedermann den Hund im Haus,
Daß man nicht stehle etwas draus,
Dieweil zur Kirche man gegangen,
Ließ man den Gauch stehn auf der Stangen
Und brauchte Holzschuh auf der Gassen,
Wo etwas Dreck man möchte fassen,
Und betäubte nicht jedermann die Ohren:
So kennte man wohl nicht die Toren.
Doch die Natur gibts jedem ein:
Narrheit will nicht verborgen sein.
Es gab uns Christus das Exempel,
Der trieb die Wechsler aus dem Tempel,
Und die da hatten Tauben feil,
Trieb er in Zorn aus mit dem Seil.
Sollt er jetzt offen Sünd' austreiben,
Wer würde in der Kirch' wohl bleiben!
Er fing' wohl meist beim Pfarrer an
Und ginge bis zum Mesner dann!
Dem Gotteshaus ziemt Heiligkeit,
Das sich der Herr zur Wohnung weiht.



045.

Wen Mutwille ins Feuer bringt,
Und wer von selbst in den Brunnen springt,
Dem geschieht schon recht; wenn er ertrinkt.

Von mutwilligem Mißgeschick

Es betet ständig mancher Narr
Und, wie ihm dünkt, mit Andacht gar
Und ruft zu Gott oft überlaut,
Daß er komm aus der Narrenhaut;
Doch er die Kapp nicht missen kann,
Er zieht sie täglich selber an
Und meint, Gott woll ihn hören nicht:
So weiß er selbst nicht, was er spricht.
Wer in den Brunnen keck erst springt
Und dann, voll Furcht, daß er ertrinkt,
Laut schreit, daß man ein Seil ihm brächt,
Des Nachbar spricht: »Geschieht ihm recht!
Er ist gefallen selbst darein,
Er könnt wohl draußen geblieben sein!«
Empedokles in solch Narrheit kam,
Daß er sprang in des Ätnas Flamm'.
Hätt jemand ihn daraus befreit,
Der tät ihm Unrecht an und Leid:
Denn er war worden Narr so sehr,
Er hätt es doch versucht noch mehr.
So tut, wer meint, Gott solle ihn
Mit Wort und Gewalt recht zu sich ziehn,
Ihm geben Gnad und Gaben viel,
Und doch sich drein nicht schicken will.
So kürzt sich mancher die Lebensspann',
Daß Gott ihn nicht mehr erhören kann,
Weil er ihm nicht die Gnad verleiht,
Daß er erfleht, was ihm gedeiht.
Wer betet, wie ein Tor gesinnt,
Der schlägt den Schatten, bläst den Wind.
Mancher mit Bitten von Gott begehrt,
Was, ihm verliehn, nur Leid gewährt.
Drum, wer da lebt im Stand voll Sorgen,
Trag seinen Schaden heut wie morgen!



046.

Die Narrheit hat ein großes Zelt;
Es lagert bei ihr alle Welt,
Zumal wer Macht hat und viel Geld.

Von der Narren Macht

Notwendig man viel Narren findet,
Denn viel sind an sich selbst erblindet,
Die mit Gewalt wollen weise sein,
Da jedermann mit klarem Schein
Wohl ihre Narrheit sieht. Doch wagt
Es keiner, daß »du Narr!« er sagt.
Und wenn sie großer Weisheit pflegen,
Ists fast nur solcher Gäuche wegen;
Und wenn sie niemand loben will,
So loben sie sich oft und viel,
Da doch der weise Mann gibt Kunde,
Daß Lob stinkt aus dem eignen Munde.
Die in sich selbst Vertrauen setzen,
Sind Narren und törichte Götzen,
Wer aber klug im Wandel ist,
Der wird gelobt zu aller Frist.
Das Land ist selig, dessen Herrn
Die Weisheit leitet wie ein Stern,
Des Rat auch ißt zur rechten Zeit
Und sucht nicht Gier noch Üppigkeit.
Weh, weh dem Erdreich, das gewinnt
Einen Herren, der noch ist ein Kind,
Des Fürsten essen in der Früh
Und achten nicht der Weisheit Müh!
Ein armes Kind, das weise ist,
Ist besser noch zu jeder Frist
Als ein König, der – ein alter Tor –
Die Zukunft nicht bedenkt zuvor.
Weh dem Gerechten über weh,
Wenn Narren steigen in die Höh!
Jedoch wenn Narren untergehn,
Gar wohl Gerechte dann bestehn.
Das ehrt ein Land so nah wie fern,
Wenn ein Gerechter wird zum Herrn,
Aber sobald ein Narr regiert,
So werden viel mit ihm verführt.
Der tut nicht recht, wer bei Gericht
Nach Freundschaft und nach Ansehn spricht,
Der selbst auch um den Bissen Brot
Wahrheit und Recht zu lassen droht.
Gerechtes Urteil steht Weisen wohl,
Ein Richter niemand kennen soll.
Gericht soll sein für Freundschaft blind;
Susannen-Richter noch viel sind,
Die Mutwill treiben und Gewalt;
Gerechtigkeit, die ist ganz kalt.
Die Schwerter sind verrostet beide
Und wollen nicht recht aus der Scheide;
Sie schneiden nicht, wo es ist not:
Gerechtigkeit ist blind und tot!
Dem Geld ist alles untertan;
Jugurtha, als er Abschied nahm
Von Rom, sprach: »O du feile Stadt,
Wie wärst du bald so schach und matt,
Wenn sich ein Käufer stellte ein!«
Man findet Städte groß und klein,
Wo man Handschmierung gerne nimmt
Und alsdann tut, was sich nicht ziemt.
Freundschaft und Lohn Wahrheit verkehrt,
Wie Moses' Schwäher schon ihn lehrt,
Neid, Pfennige, Freundschaft, Macht und Gunst
Zerbrechen jetzt Recht, Siegel und Kunst.
Die Fürsten einstmals weise waren,
Die Räte alt, gelehrt, erfahren,
Da stand es wohl in jedem Lande,
Da ward gestrafet Sünd und Schande
Und Friede war rings in der Welt.
Jetzt hat die Narrheit ihr Gezelt
Geschlagen auf und liegt zur Wehr;
Sie zwingt die Fürsten und ihr Heer,
Daß Weisheit sie und Kunst aufgeben
Und nur nach eignem Nutzen streben
Und sich wählen kindische Rät'.
Darum es leider übel steht
Und künftig hat noch schlimmre Gestalt:
Groß Narrheit ist bei großer Gewalt.
Gar mancher Fürst hätt lang regiert
Durch Gottes Gnade, wenn nicht verführt
Und karg er würde und ungerecht
Auf Anreiz falscher Räte und Knecht'.
Die nehmen Gaben, Geschenk und Miete;
Vor solchen ein Fürst sich billig hüte!
Wer Gaben nimmt, der ist nicht frei,
Geschenk bewirkt Verräterei,
Wie von Ehud geschah Eglon
Und Dalida verriet Samson. .
Andronicus güldne Gefäße nahm,
Drob Onias zu Tode kam;
Um Benhadads Bündnis wars geschehn,
Als er die Gaben angesehn; Tryphon voll Trug bewirken wollte,
Daß Jonathas ihm glauben sollte,
Drum schenkt' er Gaben ihm vorher,
Daß jener würd beschissen sehr.



047.

In Torheit will man hier beharren
Und ziehen einen schweren Karren,
Dort wird der Wagen nachgefahren.

Vom Weg der Seligkeit

Gott läßt die Narren nicht verstehn
Die Wunder, die von ihm geschehn
Gestern wie heut; darum verdirbt
Gar mancher Narr, der zeitlich stirbt
Hier, und dort ist er ewig tot,
Weil er nicht lernte kennen Gott
Und leben nach dem Willen sein.
Hier hat er Plag, dort trägt er Pein,
Hier muß er Karrenbürde tragen,
Dort wird er ziehen erst im Wagen.
Drum, Narr, nicht frage nach dem Steg,
Der führet auf der Hölle Weg!
Gar leicht dahin man kommen mag,
Der Weg steht offen Nacht und Tag
Und ist gar breit und glatt zu sehn,
Denn viele Narren auf ihm gehn.
Aber der Weg zur Seligkeit
– Der Weisheit nur ist er bereit –,
Der ist gar eng, schmal, steil und hart,
Und wenige wagen drauf die Fahrt
Und haben drauf zu gehn den Mut.
Der Narren Frag', die man oft tut,
Will ich damit beschlossen haben:
Warum man Narren mehr sieht traben
Oder fahren zu der Hölle
Denn Volks, das nach der Weisheit stelle?
Die Welt in Üppigkeit ist blind,
Viel Narren, wenig Weise sind.
Viel sind berufen zum Mahl der Nacht,
Wenig erwählt – nimm dich in acht! Sechshunderttausend Mann allein,
Ohne die Frauen und Kinder klein,
Führt' Gott einst durch des Meeres Sand:
Zwei kamen ins Gelobte Land.



048.

Ein Gesellenschiff



Ein Gesellenschiff fährt jetzt daher,
Das ist von Handwerksleuten schwer,
Von allem Gewerbe und Hantieren,
Sein Gerät tut jeder mit sich führen.
Kein Handwerk hat mehr seinen Wert,
Überlastet ist jedes und beschwert;
Ein jeder Knecht will Meister werden,
Drum sind jetzt Handwerk viel auf Erden.
Mancher zum Meister sich erklärt,
Dem nie das Handwerk ward gelehrt.
Einer dem andern werkt zu Leide
Und treibt sich selbst oft über die Heide; ;
Daß wohlfeil er es schaffen kann,
Sieht er die Stadt mit dem Rücken an.
Was dieser nicht will wohlfeil geben,
Da sieht man zwei oder drei daneben,
Die meinen das zu liefern wohl,
Doch die Arbeit ist nicht, wie sie soll:
Man sudelt Ware jetzt in Eil,
Daß man sie billig halte feil.
Dabei kann man nicht lange bleiben:
Teuer kaufen und wohlfeil vertreiben!
Mancher erleichtert das Kaufen andern
Und muß dann selbst zum Tor auswandern.
Wohlfeilen Kauf liebt jedermann,
Und ist doch keine Bürgschaft dran;
Denn wenig Kosten legt man an,
Wenn man es schnell nur schaffen kann,
Und wenn es nur ein Ansehn habe.
Das Handwerk trägt man so zu Grabe,
Es kann kaum noch ernähren sich.
»Was du nicht tust, das tu nun ich
Und seh nicht Zeit noch Kosten an,
Wenn ich nur recht viel liefern kann!«
Ich selbst, daß ich die Wahrheit sage,
Vertrieb mit solchen Narrn viel Tage,
Bevor ich dieses hab gedichtet.
Noch sind sie nicht recht zugerichtet,
Ich hätt gebraucht noch manchen Tag:
Kein gut Werk Eile leiden mag.
Ein Maler, der Apelles brachte
Ein Werk, das er in Eile machte,
Und sprach, er hätt geeilt damit,
Fand die gewünschte Antwort nit.
»Das Werk«, sprach jener, »zeigt wohl an,
Du wandtest wenig Fleiß daran;
Daß du nicht viel in kurzer Frist
Dergleichen schufst, ein Wunder ist!«
Der Arbeit nützt nicht eilige Hand,
Denn welcher Prüfung hält das stand:
An einem Tag zwanzig Paar Schuh',
Ein Dutzend Degen ohne Scharten?
Viel schaffen und auf Zahlung warten
Vertreibt gar manchem oft das Lachen.
Schlechte Zimmerleut viel Späne machen,
Die Maurer tun gern große Brüche,
Die Schneider machen weite Stiche,
Da wird die Naht gar schwach davon.
An einem Tag den Wochenlohn
Die Drucker in der Schenk' verzehren,
Das ist so ihre Lebensart,
Ist doch die Arbeit schwer und hart
Mit Drucken und mit Bosselieren,
Mit Setzen, Schlichten, Korrigieren,
Auftragen mit der Schwarzen Kunst,
Farb' brennen in des Feuers Brunst,
Dann reiben und die Stäbchen spitzen.
Viel sind, die lang bei der Arbeit sitzen
Und schaffen doch kein besser Werk,
Das macht, sie sind von Affenberg
Und haben die Kunst nicht besser begriffen.
Mancher fährt gern in solchen Schiffen,
Denn es sind gute Lehrlinge drin,
Haben viel Arbeit und magern Gewinn
Und verzehren den doch geschwind,
Weil ihre Kehlen gern weinfeucht sind.
Um Künftiges haben sie wenig Sorgen,
Will man nur heut noch ihnen borgen.
Einen Restkauf mancher machen kann,
Wo er nicht viel gewinnt daran.
Man kann jetzt nichts verkaufen mehr,
Man hab denn Gott geschworen vorher;
Und schwört man lange ein und aus,
So wird ein Fischerschlag dann draus.
Dabei merkt man, daß alle Welt
An kölnischem Gebot festhält:
»Dat half ab!« ist jetzt Zeitgeschmack;
»Berat dich Gott!« bricht keinem den Sack.
So fahren die Zünfte all daher,
Und noch sind viele Schiffe halb leer.



049.

Den Eltern gleicht der Kinder Gesicht,
Wo man vor ihnen schämt sich nicht
Und Krüg' und Töpfe vor ihnen zerbricht.

Schlechtes Beispiel der Eltern

Wer vor Frauen und Kindern viel
Von Buhlschaft, Leichtsinn reden will,
Dem wird nicht unvergolten bleiben,
Was er vor ihnen wagt zu treiben.
Nicht Zucht noch Ehre ist mehr auf Erden:
Es lernen Frau und Kind Gebärden
Und Wort; die Frau von ihrem Mann,
Das Kind nimmts von den Eltern an,
Und wenn der Abt die Würfel leiht,
So sind die Mönche spielbereit.
Die Welt ist jetzt voll schlimmer Lehre,
Man findet keine Zucht noch Ehre:
Die Väter tragen Schuld daran,
Die Frau lernt es von ihrem Mann,
Der Sohn zum Vater sich gesellt,
Die Tochter zu der Mutter hält.
Darum sich niemand wundern soll,
Ist alle Welt der Narren voll.
Der Krebs gleichwie sein Vater tritt,
Es zeugt der Wolf kein Lämmlein nit,
Brutus und Cato sind beide tot,
Drum mehrt sich Catilinas Rott'.
Sind Väter klug und tugendreich,
Die zeugen Kinder ihnen gleich.
Diogenes einen Jungen sah
Betrunken; zu dem sprach er da:
»Das ist des Vaters Art, mein Sohn,
Ein Trunkenbold erzeugt' dich schon!«

Drum sehe man bedachtsam zu,
Was man vor Kindern red' und tu';
Gewohnheit – andere Natur –
Führt Kinder leicht auf schlechte Spur.
Drum lebe jeder recht im Haus,
Daß Ärgernis nicht komm daraus!


50.
Wollust durch Einfalt manchen fällt,
Manchen sie auch am Flügel hält,
Viel haben ihr Ende darin erwählt.
Von Wollust



Irdische Lust vergleichet sich
Einem üppigen Weib, das öffentlich
Sitzt auf der Straß und schreit sich aus,
Daß jedermann komm in ihr Haus
Und die Gemeinschaft mit ihr teil,
Weil sie um wenig Geld sei feil,
Begehrend, daß man mit ihr übe
In Leichtsinn sich und falscher Liebe.
Drum gehn die Narrn in ihren Schoß
Gleichwie zum Schinder geht der Ochs
Oder ein harmlos Schäflein geil,
Das nicht versteht, wie es ans Seil
Gekommen ist und an den Strang,
Bis ihm der Pfeil sein Herz durchdrang.
Denk, Narr, es gilt die Seele dein!
Du fällst tief in die Höll' hinein,
Wenn es in ihren Arm dich zieht.
Der wird dort reich, wer Wollust flieht.
Such nicht der Zeiten Lust und Freude
Wie einst Sardanapal, der Heide,
Der meinte, daß man leben soll
In Wollust, Prassen freudenvoll:
Des Toten keine Freuden harren!
Das war der Rat recht eines Narren,
Der nach so flüchtger Freude jagt;
Doch hat er selbst sich wahrgesagt!
Wer sich mit Wollust will beladen,
Kauft kleine Freude mit Schmerz und Schaden.
Keine Erdenlust ist also süße,
Daß nicht zuletzt ihr Gall' entfließe;
Die Freude dieser ganzen Zeit
Endet zuletzt mit Bitterkeit,
Wiewohl der Meister Epikur
Setzt höchstes Gut in Wollust nur.


51.
Wer kein Geheimnis kann bewahren
Und jeden Plan muß offenbaren,
Dem wird bald Schaden widerfahren.
Geheimnisse wahren

Der ist ein Narr, wer offenbart
Der Frau, was er geheim bewahrt,
Der starke Samson büßte ein
Dadurch die Haar und Augen sein.
Es ward auch ebenso verraten
Der Seher Amphiaraus mit Schaden.
Die Schrift schon sagt, daß man den Frauen
Nicht Heimlichkeit soll anvertrauen;
Wer Heimliches nicht kann verschweigen,
Wer pflegt Betrügerei zu zeigen
Und krümmt die Lippen wie ein Tor,
Bei dem seh sich der Weise vor!
Gar mancher rühmt sich großer Sache,
Wo er des Nachts auf Buhlschaft wache,
Will man sein Wort dann recht ergründen,
Wird man ihn auf dem Mist oft finden;
Daraus gar oft ersieht man auch
Und merket, wo er atzt den Gauch.
Willst du, daß ich etwas nicht sage,
So schweig, weil solches leicht ich trage;
Kannst du nicht Heimlichkeit bewahren,
Die du mir mußtest offenbaren,
Was forderst Schweigen du von mir,
Da du's nicht halten kannst bei dir?
Hätt Ahab nicht der Jezabel
Vertrauet sein Geheimnis schnell,
Hätt er verschwiegen Naboths Wort,
Es wär geschehen nicht ein Mord.
Wer etwas will im Herzen tragen,
Der hüte sich, es auszusagen,
Dann ist er sicher, daß man nicht
Es inne wird und davon spricht.
Der Prophet sprach: »Nicht allgemein,
Nein, mein soll das Geheimnis sein!«


52.
Wer nicht aus anderm Grunde je
Als Geldes wegen schritt zur Eh',
Der hat viel Zank, Leid, Hader, Weh.
Freien des Geldes wegen

Wer in den Esel kriecht um Schmer,
Ist an Vernunft und Weisheit leer;
Ein guter Tag nur ist dem bestimmt,
Wer ein alt Weib zur Ehe nimmt,
Er wird auch wenig Freude sehn,
Weil keine Kinder ihm erstehn,
Und hat auch keinen guten Tag,
Außer er sieht den Pfennigsack,
Und der fliegt oft ihm um die Ohren,
Durch den er worden ist zum Toren.
Daher denn oftmals es geschehn,
Daß wenig Glück dabei zu sehn,
Wenn den Besitz man nur betrachtet,
Auf Ehr und Frömmigkeit nicht achtet.
Hat man sich übel dann beweibt,
Nicht Fried noch Freundschaft fürder bleibt.
Man wär wohl lieber in der Wüste,
Als daß man lange wohnen müßte
Bei einem zornigbösen Weib,
Die bald dürr macht des Mannes Leib.
Dem möge trauen, wems beliebt,
Wer um das Geld die Jugend gibt!
Weil ihm der Schmerduft wohlbehagt,
Den Esel er auch zu schinden wagt,
Und wenn viel Zeit vergangen ist,
Find't er doch nichts als Kot und Mist.
Viel stellen Ahabs Tochter nach
Und fallen wie er in Sünd und Schmach.
Der Teufel Asmodeus fand
Viel Macht jetzt in der Ehe Stand.
Doch selten ist ein Boas jetzt,
Der eine Ruth begehrt und schätzt,
Drum hört man nichts als Ach und Weh
Und »criminor te!« »kratznor a te!«


53.
Mißgunst und Haß füllt alle Land',
Man findet Neid in jedem Stand:
Den Neidhart deckt noch nicht der Sand.
Von Neid und Haß

Feindschaft und Neid macht Narren viel,
Von denen ich hier reden will.
Der Neid den Ursprung daher nimmt:
Du mißgönnst das, was mir bestimmt,
Und hättest gerne selbst, was mein,
Oder magst sonst nicht hold mir sein.
Der Neid ist solche Todeswund,
Die nimmermehr wird recht gesund;
Er hat die Eigenschaft bekommen,
Wenn er sich etwas vorgenommen,
So hat nicht Ruh er Tag und Nacht,
Bis er den Anschlag hat vollbracht.
So lieb ist ihm nicht Schlaf noch Freud,
Daß er vergaß sein Herzeleid;
Drum hat er einen bleichen Mund,
Ist dürr und mager wie ein Hund,
Die Augen rot, und niemand kann
Mit vollem Blick er sehen an.
Das ward an Saul mit David klar,
An Josephs Brüdern offenbar.
Neid lacht nur, wenn versinkt das Schiff,
Das er gesteuert selbst ans Riff;
Und nagt und beißt der Neid recht sehr,
Frißt er nur sich und sonst nichts mehr,
Wie Ätna sich verzehrt allein:
Drum ward Aglaurus auch zum Stein.
Welch Gift trägt in sich Neid und Haß,
An Brüdern spürt man besser das;
Das zeigen Kain und Esau, nicht minder
Thyest, Eteokles, Jakobs Kinder;
Die waren von größerm Neid entbrannt,
Als wenn sie nicht sich Brüder genannt:
Entzündet sich verwandt Geblüt,
Dann es viel mehr als fremdes glüht.


54.
Wem Sackpfeifen Freud und Kurzweil macht,
Daß Harf und Laut' er drob verlacht,
Der wird auf den Narrenschlitten gebracht.
Tadel nicht dulden wollen

Daß Narrheit sich im Herzen regt,
Zeigt dies: ein Narr es nie erträgt
Noch mit Geduld es leiden kann,
Spricht über weise Dinge man.
Ein Weiser gern von Weisheit hört,
Wodurch ihm Weisheit wird gemehrt.
Die Sackpfeif' ist des Narren Spiel,
Der Harfen achtet er nicht viel.
Kein Gut dem Narren in der Welt
Mehr als sein Kolben und Pfeif' gefällt.
Kaum läßt sich tadeln, wer verkehrt;
Der Narren Zahl ohn End sich mehrt.
O Narr, bedenk zu aller Frist,
Daß du ein Mensch und sterblich bist
Und nichts als Lehm, Asch, Erd und Mist.
Denn unter aller Kreatur,
Die hat Vernunft in der Natur,
Bist die geringste du, ein Schaum,
Ein Hefensack und Bastard kaum.
Was rühmst du doch an dir Gewalt
Und Adel, Jugend, Geld, Gestalt,
Da alles unter der Sonne ist
Unnütz, wenn Weisheit ihm gebrist.
Besser, daß dich ein Weiser straf,
Als daß dich anlach' ein närrisch Schaf;
Denn wie eine brennende Distel kracht,
So ist ein Narr auch, wenn er lacht.
Drum selig der Mensch, der in sich hat
Die Furcht des Herrn an jeder Statt.
Des Weisen Herz auch Trauer betrachtet,
Ein Narr allein auf Pfeifen achtet.
Man sing und sag mit Bitten und Flehn,
Er solle von seinen elf Augen abgehn:
Er wird nicht Lehre noch Tadel verstehn.


55.
Wer der Arzneikunst sich nimmt an
Und doch kein Siechtum heilen kann,
Der ist ein guter Gaukelmann.
Von närrischer Arzneikunst

Der geht wohl heim mit andern Narrn,
Wer dem Todkranken beschaut den Harn
Und spricht: »Wart, bis ich dir verkünde,
Was ich in meinen Büchern finde!«
Dieweil er geht zu den Büchern heim,
Fährt der Sieche hin gen Totenheim.
Viel maßen sich der Arztkunst an,
Von denen keiner etwas kann,
Als was das Kräuterbüchlein lehrt
Und man von alten Weibern hört.
Die treiben Kunst, die ist so gut,
Daß sie all Bresten heilen tut,
Und ist kein Unterschied dabei,
Ob jung, alt, Kind, Mann, Frau es sei,
Ob feucht, ob trocken, heiß und kalt.
Ein Kraut hat solch Kraft und Gewalt,
Gleichwie die Salbe im Alabaster,
Daraus der Scherer macht sein Pflaster
Und alle Wunden heilt damit,
Es sei Geschwür, Stich, Bruch und Schnitt:
Herr Kukulus verläßt sie nit.
Wer zu der Heilung nur ein Unguent
Für Augen rot, blind, triefig kennt,
Purgieren will ohn Wasserglas,
Der ist ein Narr, wie Zuohsta was.
Dem gleichet wohl ein Advokat,
Der in keiner Sache gibt uns Rat;
Ein Beichtvater gleicht dem sicherlich,
Der nicht kann unterrichten sich,
Was denn bei jeder Art von Sünden
Und Übeln Mittel sei'n zu finden,
Und ohne Vernunft geht um den Brei.
Durch Narren wird gar mancher verführt,
Der eher verdirbt, als er es spürt.


56.
Nie Macht so groß auf Erden kam,
Die nicht beizeiten ein Ende nahm,
Wenn ihr das Ziel und Stündlein kam.
Vom Ende der Gewalt

Man findet Narren mannigfalt,
Die sich verlassen auf Gewalt,
Als ob sie ewig sollte stehn,
Die doch wie Schnee pflegt zu zergehn.
Der Kaiser Julius war genug
Reich, mächtig und an Sinnen klug,
Ehe er mit Gewalt gebracht
An sich der Römer Reich und Macht.
Als er das Zepter an sich nahm,
Ihm Sorg und Angst in Haufen kam;
Da war er nicht an Rat so klug:
Denn bald darob man tot ihn schlug.
Darius hatte ein großmächtig Land
Und konnte bleiben daheim ohn Schand
Und hätte behalten Gut und Ehr,
Doch da er wollte suchen mehr
Und haben das, was sein nicht war,
Verlor er auch das Seine gar.
Xerxes, der bracht nach Griechenland
Des Volks soviel wie Meeressand,
Das Meer mit Schiffen er bedeckte,
Daß er die ganze Welt erschreckte.
Und doch, was wars, das er gewann?
Er griff Athen so grausig an,
Wie sonst der Löwe packt ein Huhn
Und – floh doch, wie die Hasen tun.
Als König Nabuchodonosor
Mehr Glück zufiel denn je zuvor
Und er Arphaxad überwand,
Wollt er erst haben alle Land!
Nach Gottes Macht hatt er Begier
Und – ward verwandelt in ein Tier.
Gar leicht ich euch noch viele nennte
Im Alten und Neuen Testamente,
Aber mich dünkt, das tut nicht not.
Gar wenig sind in Ruhe tot
Und sterben auf dem eignen Bette,
Die man nicht sonst getötet hätte.
Drum merket ihr Gewaltigen all:
Ihr sitzet wahrlich in Glückes Fall!
So seid nun weise und achtet aufs Ende,
Daß Gott das Rad euch nicht umwende!
Fürchtet den Herrn und dienet ihm!
Wenn euch sein Zorn ergreift und Grimm,
Der bald schon wird entflammen sehr,
Wird eure Macht nicht bleiben mehr,
Sie wird vielmehr mit euch zergehn.
Ixions Rad bleibt nimmer stehn,
Denn es läuft um von Winden klein,
Drum selig, wer hofft auf Gott allein!
Es fällt und bleibt nicht in der Höhe
Der Stein, den wälzt mit Sorg und Wehe
Den Berg auf Sisyphus, der Narr.
Glück und Gewalt währt nicht viel Jahr',
Denn nach der Alten Spruch und Sage
Wächst Haar und Unglück alle Tage.
Unrechte Macht nimmt gründlich ab,
Das zeigt mit Jezabel Ahab,
Und hat ein Herr sonst keinen Feind,
So muß er fürchten sein Gesind
Und die ihm nächste Freunde sind,
Die bringen ihn um seine Macht.
So hat des Herren Reich gebracht
An sich Zambri durch Mord und Schlag
Und ward ein Herr auf sieben Tag'.
Alexander die ganze Welt bezwang:
Er starb durch eines Dieners Trank.
Darius entfloh aus aller Not:
Sein Diener Bessus stach ihn tot.
So endet Macht und stolzer Mut:
Cyrus, der trank sein eigen Blut.
Auf Erden Macht so hoch nie kam,
Die nicht ein End mit Trauern nahm.
So mächtge Freunde hat kein Mann,
Daß einen Tag er vorausgewann
Und sicher war einen Augenblick,
Daß er sollt haben Macht und Glück.
Denn was die Welt aufs höchste schätzt,
Das wird verbittert doch zuletzt;
Und wer sich stolz erhob und stand,
Der schau und gleit' nicht auf den Sand,
Daß ihm nicht werde Spott und Schand.
So ist es närrisch um Macht bestellt,
Da man sie selten lange behält!
Und wenn ich durchforsche die Reiche bisher:
Assyrien, Meder und Persier,
Mazedonien und Griechenland,
Karthago und der Römer Stand,
So haben sie alle gehabt ihr Ziel.
Das Römsche Reich bleibt, solang Gott will;
Gott hat gesetzt ihm Maß und Zeit,
Der geb, es werde so groß und weit,
Daß ihm sei Untertan die Welt,
Wie sichs nach Fug und Recht verhält.


57.
Wer unverdienten Lohn will sehn,
Auf einem schwachen Rohr bestehn,
Des Anschlag wird auf Krebsen gehn.
Von Gottes Vorsehung

Man findet manchen Narren auch,
Der aus der Schrift schön färbt den Gauch
Und dünkt sich vornehm und gelehrt,
Wenn er die Bücher umgekehrt
Und hat verzehrt den Psalter schier
Bis an den Vers: Beatus vir,
Und meint, hab Gott ihm Gut beschert,
So werde ihm das nie versehrt.
Soll er dann fahren zu der Hölle,
So will er sein ein guter Geselle
Und leben recht mit andern wohl,
Ihm werde, was ihm werden soll.
Narr, laß von solcher Phantasei,
Du steckst sonst bald im Narrenbrei!
Daß Gott ohn Arbeit Lohn verspricht,
Verlaß dich drauf und backe nicht
Und wart, bis dir 'ne Taube gebraten
Vom Himmel könnt in den Mund geraten!
Denn sollt so einfach es zugehn,
So würde jeder Knecht besehn
– Er arbeit' oder sei ein Gauch –
Denselben Lohn: das ist nicht Brauch!
Was sollte Gott mit ewigem Dank
Dir lohnen deinen Müßiggang,
Oder einem Knecht, der schlafen wollt,
Mit seinem Reich und großem Sold?
Ich sag, daß niemand auf Erden lebe,
Dem Gott ohn Gnade etwas gebe,
Oder bei dem er stehe in Pflicht,
Denn er ist uns verschuldet nicht.
Ein freier Herr schenkt, wem er will,
Und gibt uns wenig oder viel,
Wie ihm beliebt; wen geht es an?
Er weiß, warum er es getan.
Ein Töpfer aus dem Erdkloß macht
Geschirr, wie er sich hat erdacht,
Formt Kacheln, Häfen, Wasserkrüge,
Damit es jedem Wunsch genüge,
Die Kachel spricht ihm nicht darein:
»Ich sollt ein Krug, ein Hafen sein!«
Gott weiß, dem es allein zukommt,
Wie jedes Ding dem Menschen frommt,
Warum er Jakob hat erwählt
Und Esau ihm nicht gleichgestellt,
Warum er Nebukadnezar,
Der viel gesündigt manches Jahr,
Gestraft und dann zur Reu ließ kommen
Und in sein Reich hat aufgenommen,
Doch Pharao mit Geißeln hart
Bestraft, der doch nur schlechter ward.
Eine Arznei macht den einen gesund
Und macht den andern noch mehr wund.
Denn der eine, nachdem er empfand
Die Strafe aus Gottes mächtiger Hand,
Gedachte der Sünden mit Seufzen im stillen;
Der andre folgte dem freien Willen
Und merkte Gottes Gerechtigkeit,
Weil er mißbraucht seine Barmherzigkeit.
Denn Gott hat immer an jeden gedacht,
Er weiß, warum ers also gemacht.
Wenn es als billig ihm gefallen,
Hätte er Rosen gemacht aus allen,
Aber auch Disteln er haben wollte,
Dran man Gerechtigkeit sehen sollte.
Der war ein neidisch-boshafter Knecht,
Der meinte, ihm täte sein Herr nicht recht,
Da er ihm gab den bedungenen Sold
Und einem andern, was er wollt;
Der wenig Arbeit hatte getan,
Den ließ er gleichen Lohn empfahn.
Man findet viel gerechte Leut,
Die haben auf Erden schlechte Zeit,
Gott läßt es ihnen also gehn,
Als wäre viel Sünd von ihnen geschehn.
Dagegen findet man Narren oft,
Die haben viel Glück und unverhofft
Und sind in ihren Sünden so frei,
Als ob ihr Werk ganz heilig sei.
Drum ist verborgen Gottes Gericht,
Seine letzten Gründe weiß man nicht,
Je mehr man die zu erforschen begehrt,
Je weniger man davon erfährt,
Und wer da wähnt, er hab sie enthüllt,
Ist recht mit Finsternis erfüllt.
Denn alles wird uns aufgespart
Für künftige, unsichre Hinfahrt.
Drum lasse Gottes Allwissenheit,
Die Ordnung seiner Fürsichtigkeit
Stehn, wie sie steht! Tu recht und wohl!
Gott ist barmherzig, gnadenvoll!
Laß wissen ihn alles, was er weiß:
Tu recht! Den Lohn ich dir verheiß;
Harr aus! So geb ich dir mein Wort,
Du kommst nicht in die Hölle dort!


58.
Wer löschen will eines andern Feuer
Und brennen läßt die eigne Scheuer,
Der ist gut auf der Narrenleier.
Seiner selbst vergessen

Wer große Müh und Ungemach
Hat, um zu fördern fremde Sach',
Sucht, wie er andern Nutzen schaffe,
Der ist mehr als ein andrer – Affe,
Wenn er nicht in der eignen Sache
Schaut, daß er fleißig sei und wache.
Der Narren Büchlein billig liest,
Wer klug ist und sein selbst vergißt.
Wer rechte Liebe will gewinnen,
Der soll bei sich zuerst beginnen,
Wie auch Terentius ermahnt:
»Ich bin mir allernächst verwandt!«
Ein jeder schau auf seine Schanze,
Bevor er sorg', wie ein andrer tanze.
Der will verderben, sobald es geht,
Wer andern schneidet und sich nicht sät
Und wer eines andern Kleid gern putzt
Mit Fleiß und seins derweil beschmutzt.
Wer löschen will eines andern Haus,
Wenn ihm die Flamm schlägt oben aus
Und seines brennt mit aller Macht,
Hat seines Nutzens wenig acht.
Wer vorwärts bringt eines andern Karren
Und hindert sich, der wird zum Narren.
Will einer fremde Sachen laden
Und sich versäumen, der hab' Schaden.
Wer darin Überredung leidet,
Was Schaden ihm und Spott bereitet,
Der kann die Länge sich nicht wehren:
Der Narr erwischt ihn bei den Geren,
Wird Weisheit ihn mit Schaden lehren.
Den kommt der Tod am härtsten an,
Den sonst erkannte jedermann
Und der, an seines Lebens End,
Stirbt, ohne daß er selbst sich kennt.


59.
Wer Dienst begehret alle Tage,
Ob er auch Dank und Lohn versage,
Ist wert, daß ihn die Pritsche schlage.
Von Undankbarkeit

Der ist ein Narr, wer viel begehrt
Und nicht tut, was der Ehre wert,
Und macht dem Müh und Arbeit viel,
Dem er doch wenig lohnen will.
Wer von der Sach' will haben Gewinn,
Der setzt auch billig in seinen Sinn,
Daß er die Kosten lege an,
Will anders er mit Ehren stahn.
In gutem Zustand selten bleibt
Ein müdes Pferd, das man noch treibt,
Und störrisch wird ein willig Pferd,
Wenn man das Futter ihm verwehrt.
Wer einem viel zumutet zwar,
Doch lohnt ihm nicht, der ist ein Narr.
Und wer nicht schätzen kann für gut,
Was man um billigen Lohn ihm tut,
Der darf sich dann auch nicht beklagen,
Will man die Arbeit ihm versagen:
Man soll ihn mit der Pritsche schlagen.
Was einer will, daß er genieße,
Der schau, daß er auch wiederschieße.
Undankbarkeit nimmt bösen Lohn,
Sie macht den Brunnen Wassers ohn.
Aus alter Zisterne kein Wasser fließt,
Wenn man nicht Wasser drein auch gießt.
Ein Türenangel sehr bald quiert,
Wenn man ihn nicht mit Öl auch schmiert.
Wer kleiner Gaben nicht gedenkt,
Verdient nicht, daß man Großes schenkt;
Und dem versagt man alle Gabe,
Der für die kleine weiß kein Lob;
Denn der ist ohn Verstand und grob.
Abstoßend stets der Weise fand,
Wen er als undankbar erkannt.


60.
Des Narrenbreis ich nie vergaß,
Da mir gefiel das Spiegelglas;
Hans Eselsohr mein Bruder was.
Von Selbstgefälligkeit

Der rühret wohl den Narrenbrei,
Wer wähnet, daß er weise sei,
Und wer sich selbst gefällt gar wohl.
In den Spiegel sieht er stets wie toll
Und kann doch nicht bemerken das:
Daß er 'nen Narren sieht im Glas.
Doch sollt er schwören einen Eid,
Fragt man nach Weisen um Bescheid,
So meint er doch, er wärs allein,
– Wo sollte sonst noch einer sein? –
Und schwur auch, daß ohn Fehl er wär,
Sein Tun und Lassen gefällt ihm sehr.
Der Spiegel ständig ihn begleitet,
Wo er auch sitzt, liegt, geht und reitet,
Gleichwie der Kaiser Otto tat,
Der vor dem Kampf zum Spiegel trat
Und schor die Backen täglich zwilch
Und wusch sie dann mit Eselsmilch.
Solch Ding gefällt den Weibern gut,
Ohn Spiegel keine etwas tut;
Bis daß der Schleier sitzt im Haar
Und überm Putz vergeht ein Jahr.
Wem so gefällt Gestalt und Werk,
Das ist der Aff von Heidelberg.
Pygmalion gefiel sein Bild,
Er ward in Narrheit drob ganz wild;
Und blieb Narziß vom Wasser weit,
Er hätt gelebt noch lange Zeit.
Mancher blickt stets zum Spiegel hin,
Der doch nichts Hübsches sieht darin.
Wer so sehr ist ein närrisch Schaf,
Der will auch nicht, daß man ihn straf,
Närrisch lebt er dahin auf Erden,
Will mit Gewalt nicht klüger werden.


61.
Das Best' am Tanzen ist, daß man
Nicht immerdar nur geht voran,
Sondern beizeit umkehren kann.
Vom Tanzen

Die hielt ich fast für Narren ganz,
Die Lust und Freude haben am Tanz
Und springen herum grad wie die Tollen,
Im Staub sich müde Füße zu holen.
Aber wenn ich bedenke dabei,
Wie Tanz mit Sünde entsprungen sei,
So kann ich merken und betrachte,
Daß ihn der Teufel wohl aufbrachte,
Als er das Goldne Kalb erdachte,
Und schuf, daß man Gott ganz verachte.
Noch viel damit zuweg er bringt;
Aus Tanzen Unheil oft entspringt:
Da ist Hoffart und Üppigkeit
Und Vorlauf der Unlauterkeit,
Da schleift man Venus bei den Händen,
Da tut all Ehrbarkeit sich enden.
Drum weiß ich auf dem Erdenreich
Keinen Scherz, der so dem Ernst sei gleich,
Als daß man Tanzen hat erdacht,
Auf Kirchweih und Primiz gebracht:
Da tanzen Pfaffen, Mönch' und Laien,
Die Kutte muß sich hinten reihen;
Da läuft man, wirft umher wohl eine,
Daß man hoch sieht die bloßen Beine;
Ich will der andern Schande schweigen.
Der Tanz schmeckt süßer da als Feigen.
Wenn Kunz mit Greten tanzen kann,
Ficht Hunger ihn nicht lange an,
Bald sind sie einig um den Preis,
Wie man den Bock geb um die Geiß.
Soll das nun Kurzweil sein genannt,
So hab ich Narrheit viel erkannt.
Viel warten lange auf den Tanz,
Die doch der Tanz nie sättigt ganz.


62.
Wer Lust verspürt, daß er hofiere
Nachts auf der Gasse vor der Türe,
Den treibts, daß wachend er erfriere.
Von nächtlichem Hofieren

Jetzt wär schier aus der Narrentanz,
Aber das Spiel doch noch nicht ganz,
Wenn nicht hier wären auch die Löffel,
Die Gassentreter und die Göffel,
Die in der Nacht nicht ruhen können,
Wenn sie nicht auf die Gasse rennen
Und schlagen Laute vor der Tür,
Ob nicht das Mädchen schau herfür.
Nichts andres von der Straß sie bringt,
Bis man mit Kammerlaug' sie zwingt
Oder bewirft mit einem Stein.
Es ist die Freud in Wahrheit klein:
In Winternächten zu erfrieren,
Wenn sie der Gäuchin so hofieren
Mit Saitenspiel, mit Pfeifen, Singen,
Am Holzmarkt über die Blöcke springen.
Das tun Studenten, Pfaffen, Laien,
Die pfeifen zu dem Narrenreihen,
Und jeder schreit, jauchzt, brüllt und plärrt,
Als würd zur Schlachtbank er gezerrt.
Ein Narr es da dem andern kündet,
Wo man ihn hinbeschieden findet,
Dort muß man ihm ein Hofrecht machen.
So heimlich hält er seine Sachen,
Daß jedermann davon muß sagen,
Die Fischer es auf Kübeln schlagen.
Gar mancher läßt die Frau im Bette,
Die lieber Kurzweil mit ihm hätte,
Und tanzt dafür am Narrenseil.
Wenn das gut endet, braucht es Heil!
Ich schweige derer, die es freut,
Daß sie stolziern im Narrenkleid;
Doch wenn man Narren jene hieße,
Gar mancher sich am Namen stieße.


63.
Voll Furcht, mir gingen Narren ab,
Hab ich durchsucht den Bettelstab,
Wenig Weisheit ich gefunden hab.
Von Bettlern

Der Bettel hat auch Narren viel,
Man schafft sich Geld durch Bettelspiel
Und will mit Betteln sich ernähren.
Mönchsorden, Pfaffen sich beschweren,
Daß sie, die Reichsten, wären arm.
Ach, Bettel, daß sich Gott erbarm!
Bist für die Armut auserdacht
Und hast viel Geld zusammenbracht.
Doch schreit der Prior: »Mehr ins Haus!«
Dem Sack, dem ist der Boden aus.
Desgleichen tun die Heiltumführer,
Die Stirnenstoßer, Stationierer,
Die keiner Kirmes vorübergehn,
Wo sie nicht öffentlich ausstehn
Und schrein, sie führten in dem Sack
Das Heu, das tief vergraben lag
Unter der Krippe zu Bettelheim,
Oder von Bileams Esel ein Bein,
Eine Feder aus Sankt Michels Flügel
Und von Sankt Jörgens Roß den Zügel
Oder die Bundschuh von Sankt Claren.
Mancher treibt Bettel in solchen Jahren,
Wo jung er ist, stark und gesund
Und werken könnte jede Stund,
Nur daß er sich nicht gern mag bücken,
Ihm steckt ein Schelmenbein im Rücken.
Seine Kinder müssens jung verstehn,
Ohn Unterlaß zum Bettel gehn
Und lernen wohl den Bettelschrei,
Sonst brach er ihnen den Arm entzwei
Oder ätzte ihnen Wunden und Beulen,
Damit sie könnten schrein und heulen.
Ihrer sitzen vierundzwanzig noch
Zu Straßburg in dem Dummenloch,
Und weitere im Waisenkasten. .
Aber Bettler pflegen selten zu fasten:
Zu Basel auf dem Kohlenberg
Da treiben sie ihr Bubenwerk.
Ihr Rotwelsch sie im Terich haben,
Ernährn bequem sich von den Gaben;
Jeder Stabil ein Hornlüten hat,
Die foppt, färbt, ditzet durch die Stadt,
Wie sie dem Predger Geld gewinne,
Der lugt, wo sei der Joham grimme,
Und läuft durch alle Schöchelboß,
Wo Rübling junen ist recht los;
Hat er besevelt hier und dort,
So schwänzt er sich dann wieder fort,
Veralchend über den Breithart,
Stiehlt er die Breitfüß und Flughart,
Damit er sie flößle und Lüßling abschneide;
Grantner, Klantvetzer geben ihm Geleite.
Gar wunderlich gehts jetzt in der Welt:
Wie trachtet man doch so nach Geld!
Herolde, Sprecher, Parzivante,
Tadelten einstmals öffentlich Schande
Und hatten dadurch Ehre viel;
Jetzt jeder Narr laut sprechen will
Und tragen Stäblein rauh und glatt,
Damit er werde vom Bettel satt.
Einem wärs leid, wenn heil das Gewand –
Bettler bescheißen jetzt alle Land –,
Aber sein Kelch muß silbern sein,
Gehn täglich sieben Maß hinein;
Der geht auf Krücken im Tageslicht,
Wenn er allein ist, braucht er sie nicht;
Dieser kann fallen vor den Leuten,
Daß jedermann möcht auf ihn deuten;
Der borget andern die Kinder ab,
Daß er einen großen Haufen hab,
Belädt einen Esel mit Körben schwer,
Als wenn er Sankt Jakobs Pilger wär.
Der geht hinkend, der muß sich bücken,
Der bindet sich ein Bein auf Krücken
Oder ein Totenbein unters Wams.
Wenn man recht schaute nach den Wunden,
Säh man, wie das wär angebunden.
Noch bin ich nicht am Bettelziel,
Denn es sind leider Bettler viel
Und werden stets noch mehr und mehr,
Denn Betteln – das schmerzt niemand sehr,
Nur den, der es aus Not muß treiben;
Sonst ists gar gut ein Bettler bleiben:
Vom Bettelwerk verdirbt man nit,
Viel schaffen Weißbrot sich damit
Und trinken nicht den schlichten Wein:
Es muß Reinfall, , Elsässer sein.
Gar mancher verläßt auf Betteln sich,
Der spielt, hurt, hält sich üppiglich;
Denn hat er verschlemmt sein Gut und Hab,
Schlägt man ihm Betteln doch nicht ab:
Ihm ist erlaubt der Bettelstab.
Mit Betteln nähren viele sich,
Die reicher sind als du und ich!


64.
Mancher, der ritte gern spat und früh,
Käm er vor Frauen nur dazu:
Die lassen dem Esel selten Ruh.
Von bösen Weibern

In meiner Vorred hab ich schon
Erklärt, getan Protestation,
Ich wollte der guten Frauen nicht
Mit Arg gedenken in meinem Gedicht;
Aber man würde bald über mich klagen,
Wollte ich nichts von den bösen sagen.
Eine Frau, die gern von Weisheit hört,
Die wird nicht leicht zur Schande betört;
Eine gute sänftigt des Mannes Zorn.
Ahasverus hatt' einen Eid geschworn,
Doch Esther machte ihn weich und lind;
Abigail beschwichtigte David geschwind.
Eine böse Frau gibt bösen Rat,
Wie Ochosias Mutter tat;
Herodias ihre Tochter hieß,
Daß man den Täufer köpfen ließ;
Durch Frauen Rat ward so verkehrt
Salomo, daß er Abgötter ehrt'.
Eine Frau wird bald zu einer Hätze,
Wenn ihr sonst wohl ist mit Geschwätze,
Sie schnattert »lip lep« Tag und Nacht.
Pieris hat viel Junge gebracht,
Deren Zunge ist so wohl vergiftet,
Daß sie wie Kohle Feuer stiftet;
Die klagt, die klatscht, die dritte lügt
Und hechelt durch, was kriecht und fliegt,
Die vierte zankt auf der Lagerstatt,
Der Ehmann selten Frieden hat,
Muß hören oft noch Predigt an,
Wenn ein Barfüßer liegen und schlafen kann.
Es zieht die Strebkatz mancher Mann,
Der doch das Mehrteil nie gewann.
Manche Frau ist fromm und verständig genug
Und ist dem Mann allein zu klug,
Weil sie's von ihm nicht leiden mag,
Daß er sie lehr, ihr etwas sag.
Es kommt ein Mann gar manche Stund
Ins Unglück durch der Gattin Mund,
Amphion dies zu Theben geschah,
Als er die Kinder all sterben sah.
Wenn Frauen sollten reden viel,
Dann käm Calpurnia bald ins Spiel.
Eine böse Frau zur Bosheit neigt,
Die Herrin Josephs uns dies zeigt.
Keinen größern Zorn man jemals spürt,
Als wenn ein Weibsbild zornig wird,
Die wütet, wie die Löwin schnaubt,
Der man die Jungen hat geraubt,
Wie eine Bärin, die da säugt:
Medea dies und Prokne zeigt.
Wenn man die Weisheit ganz ergründet,
Kein bittrer Erdenkraut man findet,
Als Frauen, deren Herz ein Garn
Und Strick, darein viel Toren fahrn.
Durch drei Dinge wird die Erde erregt,
Das vierte sie nicht mehr erträgt:
Ein Knecht, der Herr geworden ist,
Ein Narr, der sich gern überfrißt,
Ein neidisch, bös und giftig Weib,
Wer die vermählet seinem Leib;
Das viert' all Freundschaft ganz verderbt:
Eine Dienstmagd, die ihre Frau beerbt.
Drei Dinge man nicht sättigen kann,
Das vierte schreit: »Trag mehr heran!«
Eine Frau, die Hölle, das Erdenreich,
Die schlucken des Wassers Güsse sogleich,
Nie sagt das Feuer: »Nun höre auf!
Ich habe genug; trag nimmer zu Hauf!«
Drei Dinge ich nicht erkennen kann,
Ins vierte Einsicht ich nie gewann:
Wie in der Luft ein Adler fliegt,
Auf glattem Fels die Schlange kriecht,
Ein Schiff einherfährt auf dem Meere,
Und wie ein Mann folgt kindischer Lehre.
Der Weg einer Frau dem ähnlich ist,
Die sich zum Ehbruch hat gerüst't,
Die schleckt und wischt den Mund sich noch
Und spricht: »Nichts Böses tat ich doch!«
Ein rinnend Dach zu Winters Frist
Gleicht einer Frau, die zänkisch ist;
Es hat an Höll' und Teufel genug,
Wer mit einer solchen zieht am Pflug.
Vasthi der Nachkommen viel gewann,
Die wenig achten ihren Mann.
Von solchem Weib sei nichts gesagt,
Das anzurichten ein Süpplein wagt,
Wie Agrippina und Pontia,
Die Beliden und Klytämnestra,
Die ihren Mann erstach im Bett,
Wie mit Pheräus die Hausfrau tat.
Gar selten ist eine Lukrezia
Oder des Cato Porzia;
Leichtfertige Frauen findet man viel,
Denn Thais treibt gar oft ihr Spiel.


65.
Viel Aberglauben man jetzt braut;
Aus Sternen man die Zukunft schaut;
Ein jeder Narr fest darauf baut.
Von Beobachtung des Gestirns

Der ist ein Narr, der mehr verheißt,
Als er in seinen Kräften weiß
Oder er je vollbringen kann.
Verheißen steht den Ärzten an,
Doch ein Narr verspricht an einem Tag
Mehr, als die Welt je leisten mag.
Das Künftge füllt jetzt jedes Hirn,
Was Firmament sowie Gestirn
Und der Planeten Lauf uns sage
Oder Gott in seinem Rat anschlage.
Man meinet, daß man wissen solle,
Was Gott all mit uns wirken wolle,
Als ob Gestirn Notwendiges bringe
Und ihm nachgingen alle Dinge
Und Gott nicht Herr und Meister war,
Der eines leicht macht, andres schwer,
Und schafft, daß manch Saturnuskind
Doch fromm-gerecht sein Heil gewinnt,
Dagegen Sonn' und Jupiter
Oft böse Kinder haben mehr.
Einem Christenmenschen nicht zusteht,
Daß er mit Heidenkunst umgeht
Und merkt auf der Planeten Lauf,
Ob dieser Tag sei gut zum Kauf,
Zum Bauen, Kriegen, Eheschließen,
Zur Freundschaft und was ähnlich diesen.
All unser Wort, Werk, Tun und Lassen
Soll sein aus Gott und Gott umfassen.
Darum auch der Gott nicht vertraut,
Wer so auf die Gestirne baut,
Daß Stunden, Monde, Tag und Jahre
So glücklich seien, daß man wahre
Sich vor und nach und läßt das sein,
Was nicht zu dieser Zeit kann sein,
Daß es nur nicht geschehen mag
An einem unglücksvollen Tag.
Denn wer nicht etwas Neues bringt
Und um das Neujahr geht und singt
Und Tannengrün steckt an sein Haus,
Der meint, er leb' das Jahr nicht aus;
Das hielt Ägypten schon für wahr!
Desgleichen, wem zum neuen Jahr
Von anderen nichts wird geschenkt,
Der meint, daß schlecht das Jahr anfängt.
So gibts Unglauben allerlei
Mit Wahrsagung und Vogelschrei,
Mit Formeln, Segen, Träumenbuche,
Und daß man bei dem Mondschein suche
Oder der schwarzen Kunst nachjage;
Nichts gibt es, dem man nicht nachfrage.
Ein jeder schwört, es fehl ihm nit,
Doch fehlts um einen Bauernschritt.
Nicht daß der Sterne Lauf allein
Sie deuten – jedes Ding so klein;
Das Allerkleinste im Fliegenhirn
Will man jetzt lesen aus dem Gestirn,
Und was man reden, raten werde,
Wie einer Glück hab – die Gebärde
Und Absicht, Unfall, Kränklichkeit
Wird frevelnd aus Gestirn prophezeit.
In Narrheit ist die Welt ertaubt
Und jedem Narren man jetzt glaubt.
Viel Praktik und Weissagekunst
Verbreitet jetzt der Drucker Gunst;
Die drucken alles, was man bringt
Und was man schändlich sagt und singt.
Da schaut nun niemand strafend drein,
Die Welt, die will betrogen sein!
Wenn man die Kunst jetzt trieb und lehrte
Und nicht so sehr zur Bosheit kehrte
Und was sonst Schaden bringt der Seel,
Die Moses trieb und Daniel,
So wärs nicht eine böse Kunst,
Sie wäre Ruhmes wert und Gunst.
Jetzt weissagt man, das Vieh werd sterben,
Oder wie Korn und Wein verderben,
Wann es geb Regen oder Schnee,
Wann schön es sei, der Wind wohl weh'.
Die Bauern fragen nach solcher Schrift,
Dieweil es ihren Gewinn betrifft,
Daß sie Korn hinter sich und Wein
Behalten, bis die teurer sei'n.
Als Abraham las in solchem Buche,
In Chaldäa auf der Sternensuche,
Entbehrte Licht und Trost er sehr,
Die sandt in Kanaan ihm der Herr.
Mit ernstem Sinn verträgt sichs nicht,
Wenn man von solchen Dingen spricht,
Als wollte man Gott damit zwingen,
Sie so, nicht anders zu vollbringen.
Erloschen ist Gottes Lieb und Gunst,
Drum sucht man jetzt des Teufels Kunst.
Als König Saul verlassen war
Von Gott, rief er des Teufels Schar.


66.
Wer ausmißt Himmel, Erd und Meere
Und darin sucht Lust, Freud und Lehre,
Der schau, daß er dem Narren wehre.
Alle Länder erforschen wollen

Ich halt auch den nicht für ganz weis,
Der allen Sinn braucht, allen Fleiß,
Wie er erkunde Stadt und Land,
Und nimmt den Zirkel in die Hand,
Daß er dadurch berichtet werde,
Wie breit, wie lang, wie weit die Erde,
Wie tief und fern sich zieh das Meer,
Was festhalte die letzte Sphär;
Wie sich das Meer am Ende der Welt
Hält, daß es nicht zu Tal abfällt;
Ob um die Welt man fahren kann;
Welch Volk man treffe gradweis an;
Obs unter unsern Füßen gebe
Auch Leute, ob dort nichts mehr lebe,
Und wie man sich dort aufrecht hält,
Daß man nicht in die Lüfte fällt;
Wie man mit einem Stab schlägt an,
Daß man die Welt durchmessen kann.
Archimenides, der wußte viel,
Der macht' im Sande Kreis und Ziel,
Daß ihm durch Rechnen würd viel kund,
Und wollte nicht auftun seinen Mund;
Er fürchtete, es könnt sein Hauch
Verwehen seine Kreise auch,
Und eh er reden wollte ein Wort,
Ertrug er lieber selbst den Mord.
In Meßkunst war er sehr behende,
Konnt doch ausecken nicht sein Ende.
Dikäarchus befliß sich dessen,
Die Höhe der Berge auszumessen,
Und fand, daß Pelion höher was
Denn alle Berge, die er maß;
Doch maß er nicht mit seiner Hand
Die Alpen hoch im Schweizerland
Und maß auch nicht, wie tief das Loch,
Da er hin mußt und sitzet noch.
Ptolemäus wußte auf den Grad,
Welch Länge und Breite das Erdreich hat;
Die Länge zieht er vom Orient
Und endet sie im Okzident,
Daß hundertachtzig Grad er macht,
Sechzig und drei gen Mitternacht
Die Breite vom Äquinoktial,
Nach Mittag hin ist sie mehr schmal:
Er findet fünfundzwanzig Grad
Des Lands, so man erkundet hat.
Das rechnet Plinius schrittweis aus,
Und Strabo machte Meilen draus.
Doch hat man noch gefunden viele
Der Länder hinter Norwegen und Thyle:
Wie Island und Pylappenland,
Die vordem man noch nicht gekannt.
Man hat seitdem von Portugal
Und von Hispanien überall
Goldinseln gefunden und nackte Leut,
Von denen gewußt man keinen Deut.
Marinus hat nach dem Meer die Welt
Berechnet und darin arg gefehlt;
Plinius, der weise Meister, spricht,
Es zeuge von Verständnis nicht,
Wolle man die Größe der Welt verstehn
Und drüber hinaus vorzeitig gehn
Und rechnen weit bis hinters Meer.
Denn Menschengeist irrt darin sehr,
Daß er solches berechnet alle Zeit
Und weiß mit eignem Maß nicht Bescheid
Und meint, die Dinge zu verstehn,
Welche die Welt nie in sich gesehn.
Herkules soll haben ins Meer
Gesetzt zwei eherne Säulen schwer,
Die eine, wo Afrika begann,
Die andre fängt Europa an;
Er hatte wohl acht auf das Ende der Erd
Und wußt nicht, was ihm für ein Ende beschert,
Denn der all Wunderwerk veracht't,
Der ward durch Frauenlist umgebracht.
Bacchus zog um mit großem Heer
Durch die Lande der Welt und durch das Meer;
Es war sein Vorsatz ganz allein,
Daß jeder lernte trinken Wein,
Und wo's nicht Wein gab oder Reben,
Lehrt' er bei Bier und Met zu leben.
Silenus blieb auch nicht zu Haus,
Fuhr mit im Narrenschiffe aus
Und sonst Gesindel und Metzen viel
Mit großer Freude und Saitenspiel.
Er mußte ein Trunkenbold wohl sein,
Daß ihm so wohl war bei dem Wein.
Er brauchte sich nicht abzumühn,
Man lernt' das Trinken auch ohne ihn.
Man treibt mit Prassen noch viel Schande;
Jetzt fährt er erst recht um im Lande
Und macht gar manchen im Praß verrucht,
Des Vater nie den Wein versucht.
Aber was ist dem Bacchus geschehn?
Er mußte zuletzt von den Seinen gehn
Und fahren hin, wo er jetzt trinkt,
Was ihm mehr Durst als Freude bringt;
Wiewohl die Heiden ihn dennoch
Verehrten als Gott und hielten hoch,
Von denen gekommen ist hernach,
Daß man feiert im Land den Bacchustag,
Und hat nach dem Tode dem Ehre erdacht,
Der uns viel Übles nur gebracht.
Die schlechten Gewohnheiten währen lang,
Was Unrecht ist, nimmt Überhang,
Denn stets der Teufel dazu treibt,
Daß man in seinem Dienste bleibt. –
Doch will ich jetzt auch wieder kommen
Auf das, was ich mir vorgenommen;
Welche Not wohnt einem Menschen bei,
Daß er Größres suche, als er sei?
Er weiß nicht, was ihm Guts entspringe,
Wenn er erfährt so hohe Dinge
Und seines Todes Zeit nicht kennt,
Die wie ein Schatten von hinnen rennt,
Ist auch die Kunst gewiß und wahr,
So ist das doch ein großer Narr,
Der es im Sinn wägt so geringe,
Daß er will wissen fremde Dinge
Und die erkennen eigentlich
Und kann doch nicht erkennen sich,
Denkt auch nicht, wie er sich belehre.
Er sucht nur Erdenruhm und Ehre
Und denkt nicht an das ewige Reich,
Wie weit das ist und wundergleich,
Drin Wohnungen so viele sind.
Das Irdische macht Narren blind,
Die suchen Freud und Lust darin,
Zum Schaden mehr als zum Gewinn.
Viel haben erkundet fremdes Land,
Von denen keiner sich selbst erkannt.
Wer klug wird, wie Ulysses ward,
Der lange fuhr auf seiner Fahrt
Und sah viel Land, Leut, Stadt und Meere
Und mehrte in sich gute Lehre;
Oder wie tat Pythagoras,
Der aus Memphis geboren was,
Oder wie Plato durch Ägypten kam,
Den Lauf dann nach Italien nahm,
Damit er täglich sich belehrte
Und seine Kunst und Weisheit mehrte;
Wie Apollonius durchfuhr die Land',
Wo ihm Gelehrte waren bekannt
Und suchte sie auf und stellt' ihnen nach,
Daß er würd weiser jeden Tag,
Und überall fand, was ihn belehrte,
Von dem er vorher niemals hörte –
Wer jetzt solch Reisen und Fahrten tät,
Daß er zunehme an Weisheit stet,
Dem wäre das besser zu übersehn,
Und doch wär nicht genug geschehn,
Denn wer den Sinn aufs Reisen richt't,
Der kann Gott gänzlich dienen nicht!


67.
Die Haut mitsamt dem Haar verlor
Besiegt Marsyas einst, der Tor,
Und blies die Sackpfeif' nach wie vor.
Kein Narr sein wollen

Die Eigenschaft hat jeder Narr,
Daß er es nicht kann nehmen wahr,
Wie man sein spottet; drum verlor
Marsyas Haut und Haar, der Tor.
Denn Narrheit ist oft also blind,
Daß Narren stets der Meinung sind,
Sie seien weise, wenn man lache
Und Possenspiel mit ihnen mache;
Stellt er sich ernstlich zu der Sache,
Man ihn so lang für weise hält,
Bis ihm die Pfeif aus dem Ärmel fällt.
Viel Freunde hat, wer reich an Gut,
Dem hilft man, daß er Sünde tut,
Und jeder lugt, wie er ihn schinde;
Dies währt so lang, bis er wird arm,
Dann spricht er: »Ach, daß Gott erbarm!
Wie hau' ich vordem Nachlauf viel,
Und jetzt – kein Freund mich trösten will!
Hätt ich beizeiten das betrachtet,
Ich wär noch reich und nicht verachtet!«
Die größte Torheit ist fürwahr,
Wenn man verschlemmt in einem Jahr,
Womit man seine Zeit soll leben;
Wenn man durch Üppigkeit im Geben
Bald Feierabend hofft zu sehn,
Um dann – dem Bettel nachzugehn.
Wenn ihm dann stößt in seine Händ'
Verachtung, Armut, Spott, Elend,
Und er zerrissen läuft und bloß,
So kommt ihm wohl der Reue Stoß;
Wohl dem, der Freunde sich erwirbt
Mit Gütern, die er, wenn er stirbt,
Muß lassen; jene stehn ihm bei,
Wie er auch sonst verlassen sei.
Dagegen ist manch Narr auf Erden,
Der annimmt närrische Gebärden,
Und zöge man ihm ab das Fell,
Blieb' doch der frühere Gesell,
Der etwa nur die Ohren schüttelt,
Will närrisch sein mit allem Fleiß,
Und doch lobt niemand seine Weis!
Wiewohl er gleich dem Narren tut,
Scheint doch sein Scherz niemandem gut.
Drum sprechen etliche Gesellen:
»Der Narr will sich gern närrisch stellen
Und kann nicht Weise noch Gebärd'!
Er ist ein Narr und gar nichts wert!«
Das ist ein seltsam Ding auf Erden:
Mancher will sein ein kluger Mann,
Der sich doch nimmt der Torheit an
Und meint, daß man ihn rühmen soll,
Sagt man: »Der kann die Narrheit wohl!«
Dagegen sind viel Narren auch,
Die ausgebrütet hat ein Gauch;
Die wähnen, daß sie klug gesprochen,
Es sei gehauen oder gestochen;
Sie dünken sich für klug gezählt,
Da man sie doch für Narren hält.
Quetscht man auch einen Narren klein,
Wie Pfeffer in einem Mörserstein,
Und stößt ihn darin lange Jahr' –
Er bleibt ein Narr doch, wie er war.
Denn jedem Narren das gebrist,
Daß Wahnolf Trugolfs Bruder ist.
Es ließ' sich mancher gern halb schinden,
An allen vieren mit Seilen binden,
Erwüchse ihm nur Geld daraus
Und hätt er Goldes viel im Haus;
Er litt' auch, daß er läg zu Bett,
Wenn er der Reichen Siechtum hätt;
Er ließ' sich einen Buben schelten,
Wollt mans mit Zins und Gab entgelten.
Mit wenigem niemand sich begnügt,
Wer viel hat, mehr dazu noch fügt.
Aus Reichtum Übermut entspringt,
Denn Reichtum selten Demut bringt.
(Was soll ein Dreck, wenn er nicht stinkt?)
Viel sind allein und ohne Kind;
Ohn Bruder, ohne Freund sie sind,
Die werden nicht von Arbeit matt,
Ihr Auge macht kein Reichtum satt,
Sie denken nicht: »Wem wirk ich vor;
Wem spare ich, ich Gauch und Tor?«
Gott gibt gar manchem Gut und Ehr,
Und seiner Seele fehlt nichts mehr,
Als daß ihm Gott nicht auch verleiht,
Daß er es brauch zur rechten Zeit
Und hab mit Maßen von dem Genuß,
Was fremden Prassern er lassen muß.
Auch Tantalus sitzt in Wassersflut
Und löscht doch nicht des Durstes Glut,
Und sieht er gleich die Äpfel an,
Hat er doch wenig Freude dran –
Dieweil sich selbst nichts gönnt der Mann!


68.
Wer mit Kindern und Narren sich befaßt,
Dem sei ihr Scherz auch nicht verhaßt,
Weil er sonst zu den Narren paßt.
Keinen Spaß verstehen

Ein Narr allein bemerkt wohl nicht,
Wenn er mit einem Narren spricht;
Ein Narr ist auch, wer widerbillt
Und sich mit einem Trunknen schilt,
Mit Narrn und Kindern scherzen will
Und übelnehmen Narrenspiel.
Wer will mit Jägern gehn, der hetze
Wer kegeln will, derselb' aufsetze;
Der heule, der bei Wölfen ist,
Der Sprech, ich lüg, dem nichts gebrist.
Denn Wort auf Wort ist Narrenweise,
Guts geben für Böses steht hoch im Preise.
Wer Böses gibt für Gutes aus,
Dem kommt das Böse nicht aus dem Haus;
Wer lacht, damit ein andrer weint,
Den trifft das gleiche, eh ers meint.
Ein Weiser gern bei Weisen steht,
Ein Narr mit Narren gern umgeht;
Daß keinen leiden kann ein Narr,
Macht seinen Hochmut offenbar.
Mehr Leid dem Narren dadurch geschieht,
Daß er noch etliche vor sich sieht,
Als Freud er hat, daß ihm die andern
Zu Füßen fallen und nachwandern.
Und daß du merkst, wie ich es meine:
Ein Stolzer wär gern Herr alleine!
Haman fand nicht Gefallen dran,
Daß ihn verehrte jedermann,
Viel mehr der Kummer ihn beschwerte,
Daß Mardochai ihn nicht ehrte.
Man braucht auf Narren nicht zu merken,
Man kennt sie wohl an ihren Werken;
Wer weise sein wollt (wie jeder soll),
Der bleibt von Narren verschonet wohl.


69.
Der in die Höhe wirft den Ball
Und glaubt nicht, daß zurück er fall',
Wer will die Leut erzürnen all.
Ungestraft Böses tun wollen



Der ist ein Narr, wer andern tut,
Was ihm von keinem scheint als gut.
Schau jeder, was er andern tu',
Damit man es auch ihm füg' zu.
Was einer rufet in den Wald,
Dasselbe ihm allzeit widerhallt;
Wer andre stößet in den Sack,
Wart selbst auch auf den Backenschlag.
Wer vielen sagt, was jedem gebrist,
Der hört gar oft auch, wer er ist.
Was Adonisedech war gewohnt
An andern, so ward ihm gelohnt;
Berillus sang selbst in der Kuh,
Die er gerüstet andern zu;
Das gleiche geschah auch Busiris,
Dem Diomed und Phalaris;
Mancher gräbt andern wohl ein Loch,
Darein er dann fällt selber doch.
Einen Galgen Haman andern baute,
Daran man ihn bald selber schaute,
Trau jedem wohl, doch sieh dich für!
Vertraun ist mißlich jetzt, glaub mir!
Schau erst, was hinter jedem steck':
Denn Trauwohl ritt viel Pferde weg!
Iß nicht mit einem neidischen Mann;
Geh nicht zu Tisch mit ihm heran,
Denn er von Stund an Pläne macht,
An die du nie bei dir gedacht.
Er spricht: »Freund, iß und trink mit mir!«
Doch ist sein Herz weit weg von dir,
Als ob er spräch: »Wohl gönn ichs dir,
Als hätt's ein Dieb gestohlen mir!«
Es lacht dich mancher an im Scherz,
Der insgeheim gern äß dein Herz.


70.
Du mußt im Sommer die Heugabel drehn,
Willst du im Winter nicht hungrig gehn
Und oft den Bären tanzen sehn.
Nicht beizeiten vorsorgen

Man findet hier gar manchen Toren,
Der ist ins Trödeln so verloren,
Daß er sich nie recht schicken kann
Zu allem, was er je fängt an.
Kein Ding beizeiten er bestellt,
Nichts über Nacht hin er behält,
Als daß er so gleichgültig ist
Und nicht bedenkt, was ihm gebrist,
Und was er haben muß zur Not.
Selbst wenn ihm diese es gebot,
Denkt er nicht weiter alle Stund
Als von der Nase bis zum Mund.
Nur wer im Sommer sammelt mit Fleiß,
Daß er im Winter zu leben weiß,
Den nenn ich einen weisen Mann.
Doch wer im Sommer ruhen kann
Und schlafen allzeit an der Sonnen,
Muß haben Güter schon gewonnen,
Oder muß durch den Winter sich
Behelfen schlecht und kümmerlich,
Muß saugen an den eignen Pfoten,
Bis er dem Hunger Halt geboten.
Wer nicht im Sommer machet Heu,
Der läuft im Winter mit Geschrei,
Hat wohl zusammengebunden das Seil
Und ruft, daß man ihm Heu geb' feil.
Der Träge im Winter ungern pflügt,
Im Sommer er am Bettel liegt
Und muß manch böse Zeit ertragen,
Viel heischen, wenig nur erjagen.
Geh hin zur Ameis, Narr, und lern!
Bei guter Zeit versorg dich gern,
Daß du nicht müssest Mangel leiden,
Wenn andre nachgehn ihren Freuden.


71.
Gar oft die Hechel der empfind't,
Wer immer zanket wie ein Kind
Und machen will die Wahrheit blind.
Zanken und vor Gericht gehn

Von solchen Narrn will ich auch sagen,
Die in jeder Sache wollen tagen
Und nicht mit Güte sich vergleichen,
Um einem Zank gar auszuweichen;
Damit die Sache lang sich ziehe,
Man der Gerechtigkeit entfliehe,
Lassen sie bitten sich, treiben, mahnen,
Ächten, ausläuten und verbannen,
Versteifen sich drauf, daß sie das Recht
Wohl biegen, daß es nicht bleib schlecht,
Als ob es wär eine wächserne Nase.
Sie denken nicht, daß sie der Hase,
Der in der Schreiber Soße schwimmt.
Vogt, Advokat, wer sonst noch stimmt
Und hat Gewalt, will auf dem Tisch
Auch haben einen Zuber Fisch.
Die können dann die Sache breiten,
Ihr Garn wohl nach dem Wildbret spreiten,
So daß ein Sächlein wird zur Sache,
Ein kleines Rinnsal wird zum Bache.
Man muß jetzt teure Redner dingen
Und sie von fernen Landen bringen,
Daß sie die Sache wohl verklügen
Und mit Geschwätz die Richter trügen.
Dann muß man viele Tag' anstellen,
Damit der Tagsold mög' anschwellen
Und werd verritten und verzehrt,
Mehr, als die Sache selbst ist wert.
In Petterle verzehrt mancher mehr,
Als der Prozeß ihm bringt nachher,
Und meint die Wahrheit doch zu blenden,
Wenn er die Sach nicht bald läßt enden.
Ich wollt, wem wohl mit Zanken wär,
Daß der am Arsch trüg Hecheln schwer!


72.
Wüst, schandbar Wort reizt auf und rüttelt
An guten Sitten unvermittelt,
Wenn man zu fest die Sauglock schüttelt.
Von groben Narren

Ein neuer Heilger heißt Grobian,
Den will jetzt feiern jedermann
Und ehren ihn an jedem Ort
Mit schändlich wüstem Werk und Wort,
Und will das ziehn zu einem Schimpf.
Wiewohl der Gürtel hat wenig Glimpf.
Herr Glimpfius ist tot für die Welt:
Der Narr die Sau bei den Ohren hält
Und schüttelt sie, daß die Sauglock klingt
Und sie den Moringer ihm singt.
Die Sau führt jetzt allein den Tanz,
Sie hält das Narrenschiff am Schwanz,
Daß es nicht untergeh vor Schwere,
Was schade doch auf Erden wäre;
Denn wenn die Narren nicht tränken Wein,
Gält er jetzt kaum ein Örtelein.
Aber die Sau jetzt viel Junge macht,
Die wüste Rotte der Weisheit lacht;
Sie läßt niemand beim Brettspiel sein,
Die Krone trägt die Sau allein;
Wer gut die Sauglock läuten kann,
Der muß jetzt immer sein vornan.
Wer jetzt kann treiben solches Werk,
Wie einst der Pfaff vom Kalenberg,
Oder Mönch Eilsam mit seinem Bart,
Der meint, er tu eine gute Fahrt.
Von manchem ist Wort und Tat geschehn,
Wenn das Orestes gehört und gesehn,
Der doch der Sinne war beraubt,
Er hätt es von keinem Verständgen geglaubt.
Sauberinsdorf ist worden blind,
Das macht, die Bauern jetzt trunken sind.
Herr Ellerkunz den Vortanz hat
Mit Wüstgenug und Seltensatt.
Ein jeder Narr will Sauwerk treiben,
Daß ihm die Büchse möge bleiben,
Die man umträgt mit Eselsschmer.
Die Eselsbüchse wird selten leer,
Wiewohl ein jeder drein will greifen
Und damit schmieren seine Pfeifen.
Die Grobheit breitet jetzt sich aus
Und wohnt beinah in jedem Haus,
Daß man nicht viel Vernunft mehr treibt.
Was man jetzt redet oder schreibt,
Das ist aus dieser Büchs entnommen.
Zumal wenn Prasser zusammenkommen,
Dann hebt die Sau die Mette an:
Die Prim' erschallt im Eselston,
Die Terz ist von Sankt Grobian,
Hutmacherknechte singen die Sext,
Von groben Filzen ist der Text;
Die wüste Rott sitzt in der Non',
Die schlemmt und demmt aus vollem Ton,
Darnach die Sau zur Vesper klingt,
Unflat und Schamperjan dann singt,
Bis die Complet den Anfang nimmt,
In der man »All sind voll!« anstimmt.
Das Eselsschmalz ist ohne Ruh,
Mit Schweinefett vermischt dazu;
Das streichet einer dem andern an,
Den er möcht haben zum Kumpan,
Der wüst will sein und es nicht kann.
Man schont nicht Gott noch Ehrbarkeit,
Vom Wüstesten weiß man Bescheid;
Wer kann der Allerschlimmste sein,
Dem bietet man ein Glas mit Wein.
Das Haus erdröhnt, man lacht und johlt
Und bittet, daß ers wiederholt.
Man ruft: »Das ist ein guter Schwank,
Dabei wird uns die Zeit nicht lang!«
Ein Narr den andern schreiet an:
»Sei ein guter Gesell! Und lustig, Mann!
Feti gran schier, e belli schier!
Welch Erdenfreud sonst haben wir
Als bei so guten Gesellen sein?
Drum laßt uns fröhlich prassen und schrein!
Uns bleibt nur wenig Zeit auf Erden,
Die möge uns vergnügt doch werden;
Denn wer einst Todes stirbt, liegt so
Und ist zu keiner Zeit mehr froh!
Wir haben von keinem je vernommen,
Der von der Hölle sei wiederkommen
Und uns nun sagte, wie's da stünde!
Gesellig sein ist keine Sünde!
Die Pfaffen reden, was sie wollen,
Daß dies und jenes wir nicht sollen; Wär es so sündig, wie sie schreiben,
Sie täten es nicht selber treiben!
Wenn nicht der Pfaff vom Teufel sagte,
Der Hirt vom Wolf sein Leiden klagte,
Wo bliebe denn dann ihr Gewinn?«
Das ist der Narren Wort und Sinn,
Die leben mit der groben Rott,
Der Welt zur Schande und auch Gott –
Doch werden sie zuletzt zum Spott!


73.
Mancher trachtet nach Geistlichkeit,
Nach Pfaffen- und nach Klosterkleid,
Dann reut es ihn und wird ihm leid.
Vom Geistlichwerden

Noch anderes wird jetzt gelehrt,
Das auch ins Narrenschiff gehört,
Des jedermann bedient sich gern:
Jeder Bauer will einen geistlichen Herrn,
Der sich mit Müßiggang ernähr',
Ohn Arbeit leb' und sei ein Herr.
Nicht, daß er dies aus Andacht wähle,
Oder aus Achtung fürs Heil der Seele,
Sondern er möchte nur einen Herrn,
Der die Geschwister kann ernährn.
Er läßt ihn wenig sehn ins Buch,
Man spricht: »Er weiß dazu genug!
Braucht nicht auf größre Kunst zu sinnen,
Kann er nur eine Pfründe gewinnen!«
Man schätzt die Priesterschaft gering,
Als ob sie sei ein leichtes Ding.
Drum gibt es jetzt viel junge Pfaffen,
Die so viel können wie die Affen,
Und Seelsorg sieht man treiben die,
Denen man vertraute kaum ein Vieh;
Sie wissen so viel vom Kirchenregieren,
Als Müllers Esel kann quintieren.
Die Bischöfe sind schuld daran,
Die sollten nehmen zum Ordensmann
Oder für die Seelsorg auslesen
Nur einen Mann von tüchtgem Wesen,
Daß einer sei ein weiser Hirt,
Der seine Schafe nicht verführt.
Aber jetzt wähnen die jungen Laffen,
Wenn sie nur einmal wären Pfaffen,
So hätt ihrer jeder, was er wollt.
Doch ist fürwahr nicht alles Gold,
Was man am Sattel gleißen sieht,
Mancher beschmutzt die Hände damit
Und läßt sich jung zum Priester weihn,
Um später sich selbst zu maledein,
Daß er nicht länger hat geharrt;
Gar mancher von ihnen Bettler ward.
Wenn er eine rechte Pfründe gewann,
Eh er die Priesterschaft nahm an,
Er war so weit gekommen nit –
Viel weiht man um der Herren Bitt'
Oder auf dieses und jenes Tisch,
Davon er doch ißt wenig Fisch.
Man borget Brief' einander ab,
Damit man einen Titel hab,
Und wähnt den Bischof zu betrügen,
Um ins Verderben sich zu lügen.
Kein ärmer Vieh auf Erden ist
Als Priesterschaft, der Brot gebrist:
Sie hat schon Abzüge überall:
Vikar, Bischof mitsamt Fiskal,
Der Lehnsherr, dann die Freunde sein,
Die Wirtschafterin, die Kinder klein,
Die geben ihm erst rechte Püff,
Daß er komm in das Narrenschiff
Und damit aller Freude vergesse.
Ach Gott, es hält gar mancher Messe,
Dem besser wär, er dächt nicht dran
Und rührte den Altar nimmer an;
Denn Gott gedenkt des Opfers nicht,
Das in Sünden und mit Sünden geschieht.
Einst hörte Moses Gott den Herrn:
»Ein jedes Tier, das halt sich fern
Und komm dem heilgen Berg nicht nah,
Daß es nicht Plage treffe da!«
Wo angerühret Usas Hand
Die Arche, dort den Tod er fand;
Mit Dathan starb und Abiran
Korah, der's Weihrauchfaß rührt' an.
Geweihtes Fleisch scheint oft nicht teuer;
Es wärmt sich gern am Klosterfeuer,
Dem doch zuletzt wird Höllenglut.
Man predigt klugen Leuten gut!
Jetzt stößt manch Kind man in den Orden,
Eh es ein Mensch noch ist geworden;
Eh es versteht, ob ihm das sei
Gut oder bös, steckt es im Brei.
Wenn auch Gewohnheit viel vermag,
Reut es doch viele manchen Tag,
Die fluchen denen aller Orten,
Die Ursach des Gelübdes worden.
Gar wenig jetzt ins Kloster gehn
Zu solcher Zeit, wo sie's verstehn;
Gar wenig kommen um Gottes Willen,
Die meisten um ihren Hunger zu stillen.
Des Standes haben sie nicht acht
Und tuen alles ohn Andacht,
Zumeist in all den Orden ganz,
Wo man nicht hält die Observanz.
Solch Klosterkatzen sind gar geil,
Das macht, es bindet sie kein Seil.
Doch besser gehört keinem Orden an,
Als daß unrecht tut ein Ordensmann.


74.
Mancher wendet viel Kosten aufs Jagen,
Das ihm doch wenig Nutzen wird tragen,
Kann er auch manchen Weidspruch sagen.
Von unnützem Jagen

Auch Jagen nicht ohn Narrheit bleibt,
Die Zeit man nur damit vertreibt;
Wiewohl es sein soll Scherz und Spiel,
So macht es doch der Kosten viel;
Denn Spür- und Windhund', Rüden, Bracken,
Die füllen nicht mit Luft die Backen;
Jagdvögel auch und Federspiel
Bringen wenig Nutzen und kosten viel.
Nicht Has noch Rebhuhn fängt der Hund,
Den Jäger kostets stets ein Pfund.
Dazu braucht man viel Müh und Zeit,
Wie man ihm nachlauf', geh' und reit',
Durchsuche Berg, Tal, Wald und Hecken,
Wo man sich kann bergen, warten, verstecken.
Mancher verscheucht mehr als er jagt,
Das macht, er hat nicht recht gehagt;
Ein andrer nennt einen Hasen sein,
Den kaufte er auf dem Kornmarkt ein.
Mancher, der will gar mutig sein,
Wagt sich an Löwen, Bären und Schwein',
Oder steigt nach den Gemsen gar,
Und sein letzter Lohn ist – große Gefahr.
Die Bauern jetzt im Schnee oft jagen,
Des Adels Vorzug will nichts mehr sagen:
Der kann dem Wildbret lang nachlaufen –
Der Bauer tat es heimlich verkaufen.
Nimrod, der erste Jäger, war
Von Gott verlassen offenbar;
Esau, der jagte stolzvermessen,
Weil er in Sünde Gott vergessen.
Denn Jäger wie Eustachius
Und Humbert lang man suchen muß,
Die meinten nicht zu dienen Gott,
Wenn sie nicht ließen der Jäger Rott.


75.
Willst schießen du, so ziel und triff!
Denn tust du nicht den rechten Griff,
So schießt du in das Narrenschiff.
Von schlechten Schützen

Wollt es die Schützen nicht verdrießen,
Ich stellt' auch an ein Narrenschießen,
Macht' einen Schießplatz am Gestade,
Wer den verfehlte, dem wärs schade.
Dazu wärn Preise auch bestellt:
Der nächst dem Ziel kam, sie erhält,
Zumindest könnts ein Stechen werden.
Drum hüt er sich, halt nicht zur Erden
Noch in die Höh, vielmehr aufs Ziel,
Wenn er den Zweck berühren will,
Und tu den Anschlag nicht zu eilig!
Viele schießen zu hoch, sich zum Verdruß,
Dem bricht der Bogen, die Sehn oder Nuß,
Der tut beim Anschlag manchen Schlipf, Dem wird verrückt Stuhl oder Schipf,
Des Armbrust geht los, wenn er sie nur rührt,
Das macht, die Sehne ist geschmiert;
Dem steckt das Ziel nicht so wie eh'r,
Den Merkpunkt findet er nicht mehr,
Der hat gemacht der Schüsse viel,
Doch sind sie alle weit vom Ziel,
So daß er wohl die Sau gewinnt,
Wenn man das Stechen dann beginnt.
Kein Schütze auf der weiten Welt,
Der nicht stets wüßte, was ihm fehlt,
Bald dies, bald jenes, damit er hätte
Ein Wehrwort, das die Ehre rette,
Und hätte er nicht gefehlt darin,
Dann freilich wäre der Preis sein Gewinn.
Sodann weiß ich noch Schützen mehr,
Die hören, daß fern ein Schießen wär,
Zu dem von allen Landen Leut
Hinziehen zur bestimmten Zeit,
Die besten, die man finden kann,
Von denen keiner den Preis gewann,
Es sei denn, jeder Schuß ging ins Ziel –
Nun kenn ich doch der Gecken viel,
Die wissen, daß sie nichts gewinnen
Und ziehen dennoch kühn von hinnen,
Dort zu versuchen auch ihr Heil:
Ich nehm sein Zehrgeld, nicht sein Teil,
Vom Einsatz will ganz still ich sein:
Die Sau wird ihm im Ärmel schrein!
Manche wählen sich Weisheit als Ziel,
Doch getroffen haben es nicht viel,
Das macht, man zielt nicht recht aufs Feld,
Zu niedrig oder zu hoch man hält,
Der läßt sich bringen aus dem Visier
Und dem zerbricht der Anschlag v schier,
Der tut wie Jonathan einen Schuß
Und dem fährt ganz heraus die Nuß.
Wer Weisheit richtig treffen will,
Bedarf wohl solcher Pfeile viel,
Mit denen Herkules sich bewehrte
Und alles traf, was er begehrte,
Und was er traf, fiel tot zur Erde.
Wer recht auf Weisheit schießen will,
Der schau, daß er halt Maß und Ziel,
Denn fehlt er oder hält nicht drauf,
So muß er zu der Narren Hauf.
Wer schießen will und fehlt den Rain,
Der trägt die Sau im Ärmel heim;
Wer jagen, stechen, schießen will,
Hat wenig Nutzen und Kosten viel.


76.
Ritter Peter von Altenjahren,
Ich muß Euch greifen an die Ohren!
Mich dünkt, daß beid' wir Narren waren,
Wiewohl Ihr führet Rittersporen.
Von großem Rühmen

Die Gecken-Narren ich auch bringe,
Die sich stets rühmen hoher Dinge
Und wollen sein, was sie nicht sind,
Und wähnen, alle Welt sei blind
Und sie ihr fremd und unbekannt.
Mancher will edel sein genannt,
Des Vater doch machte bumblebum
Und mit dem Küferwerk ging um,
Oder hat sich so durchgebracht,
Daß er mit stählernen Stangen focht,
Oder rannte mit einem Judenspieß,
Daß er gar viele zu Boden stieß,
Und will, daß man ihn Junker nenne,
Als ob man nicht seinen Vater kenne,
Daß man spreche: Meister Hans von Menz,
Und auch sein Sohn, Junker Vincenz.
Viel rühmen hoher Dinge sich
Und prahlen stets zu Widerstich
Und sind doch Narren in der Haut,
Wie Ritter Peter von Pruntraut, ,
Der will, daß man zu ihm Ritter sage,
Dieweil er im Stechen am Murtener Tage
Gewesen sei, wo ihm so not
Zu fliehen war, daß ihm der Kot
Die Hosen hat so hoch beschlämmt,
Daß man ihm waschen mußt' das Hemd.
Doch Schild und Helm er zeigen kann
Als Zeugnis, er sei ein Edelmann:
Er führt einen Habicht, gefärbt wie ein Reiher,
Und auf dem Helme ein Nest voll Eier,
Wobei ein Hahn in der Mauser sitzt,
Der möchte die Eier brüten itzt.
Derselben Narren findet man mehr,
Die wollen haben große Ehr,
Daß man sie hat vornan gesehn.
Ja, da es wollt ans Fliehen gehn,
Lugten sie hinter sich lange Zeit,
Ob ihnen folgten auch andre Leut?
Mancher rühmet sein Fechten groß,
Wie er den erstach und jenen erschoß,
Der doch von ihm so weit wohl war,
Daß keine Büchse ihm brachte Gefahr.
Noch andre trachten nach edeln Wappen,
Wie sie führen mögen viel Löwentappen,
Einen gekrönten Helm und ein gülden Feld:
Die sind des Adels von Bennefeld.
Gar manche sind edel durch ihre Frauen,
Deren Väter saßen in Ruprechtsauen;
Seiner Mutter Schild gar mancher führt,
Weil er vielleicht im Vater irrt.
Viel haben Brief und Siegel gut,
Als seien sie von edlem Blut;
Sie wollen die ersten sein nach Recht,
Die adlig sind in ihrem Geschlecht,
Und dieses ich weder tadle noch acht':
Aus Tugend ist aller Adel gemacht!
Wer Ehr und Sitte wahren kann,
Den halt ich für einen Edelmann,
Aber wer hat keine Tugend nit,
Nicht Zucht, Scham, Ehr, noch gute Sitt,
Den halt ich alles Adels leer,
Und wenn ein Fürst sein Vater wär.
Adel allein bei Tugend steht,
Aus Tugend aller Adel geht. –
Desgleichen will mancher Doktor sein,
Der nie Clementin noch Sext sah ein,
Nie Institut, Dekret, Digest geschaut,
Nur daß er hat 'ne pergamentne Haut,
Drauf steht sein Recht geschrieben an:
Der Brief zeigt alles, was er kann,
Und daß er gut sei auf der Pfeif.
Drum stehet hier Herr Doktor Greif,
Ein sehr gelehrter und kluger Mann,
Der greift einen jeden beim Ohre an,
Weiß mehr als mancher Doktor kann.
Der ist in vielen Schulen gestanden
In nahen und in fernen Landen,
Wo nie ein Gauch ging aus noch ein,
Der doch mit Gewalt will Doktor sein;
Man muß zu ihnen »Herr Doktor« sagen,
Dieweil sie rote Röcke tragen
Und weil ein Aff ihre Mutter ist.
Ich weiß noch einen, heißt Hans Mist,
Der alle Welt will überreden,
Er sei zu Norwegen und Schweden,
Zu Algier gewesen und zu Granat,
Und wo der Pfeffer wächst und staht;
Der doch nie kam so weit hinaus:
Hätt seine Mutter daheim zu Haus
Pfannkuchen oder Wurst gebacken,
Er hätt's gerochen und hören knacken.
Des Rühmens ist so viel auf Erden,
Daß es kann aufgezählt nicht werden;
Denn jedem Narren das gebrist,
Daß er sein will, was er nicht ist.


77.
Viel sind aufs Spielen so versessen,
Daß andre Kurzweil sie vergessen,
Künftgen Verlust auch kaum ermessen.
Von Spielern

Noch find ich närrischer Narren viel,
Die haben Freude nur am Spiel
Und wähnen, sie könnten leben nit,
Sollten sie nicht umgehn damit
Und spielen Tag und Nacht im Saus
Mit Karten und Würfeln in vollem Braus;
Die ganze Nacht hindurch sie säßen,
Daß sie nicht schliefen und nicht äßen,
Aber ein Trunk muß sein zur Hand,
Denn Spielen setzt die Leber in Brand,
So daß man ausdörrt, Durstes voll.
Des Morgens drauf spürt man das wohl:
Einer welken Birn gleicht des einen Gesicht,
Der andre hinter der Türe sich bricht,
Ein Dritter hat solche Farb angenommen,
Als sei er aus dem Grab just gekommen,
Oder erglänzt im Antlitz recht
Wie morgens früh ein Schmiedeknecht.
So eingenommen ist ihm sein Kopf –
Den ganzen Tag muß gähnen der Tropf,
Als ob er Fliegen fangen wollt;
Wenn einer verdienen könnt viel Gold,
Indem er bei einer Predigt säße
Eine Stunde und des Schlafs vergäße –
Er hüllte den Kopf tief in die Geren,
Als sollte der Prediger aufhören.
Aber sitzt man lange beim Spiel,
Dann achtet man des Schlafs nicht viel!
Viel Frauen, die sind auch so blind,
Daß sie vergessen, wer sie sind,
Und, was verbietet jedes Recht,
Sie mischen sich mit anderm Geschlecht;
Sie sitzen bei den Männern frei,
Zuchtlos und ohne natürliche Scheu,
Und spielen, würfeln früh und spät,
Was doch den Frauen übel steht.
Sie sollten an der Kunkel lecken
Und nicht im Spiel bei Männern stecken.
Wenn jeder spielt mit seinesgleichen,
So braucht ihn Scham nicht zu beschleichen.
Als Alexanders Vater wollte,
Daß der um Preise laufen sollte,
Dieweil der Knabe schnell im Lauf,
Sprach er zu seinem Vater drauf;
»Zwar billig wäre, daß ich täte,
Was mich mein Vater hieß und bäte,
Und gewißlich gern ich laufen wollte,
Wenn ich mit Königen es sollte;
Man brauchte mich darum nicht bitten,
Wenn unter Gleichen würd gestritten!«
Doch ist es dahin gekommen jetzt,
Daß Pfaffe, Adel, Bürger sich setzt
An einen Tisch zu Köppelknaben,
Zumal die Pfaffen sollten nicht viel
Mit Laien treiben gemeinsames Spiel,
Wenn sie nur würden bedenken, daß
Zwischen ihnen stets war Groll und Haß,
Der Neidhart, der in ihrer Brust,
Regt bei Gewinn sich und Verlust,
Zumal da ihnen verboten ist
Würfeln und Spielen zu jeder Frist.
Wer mit sich selber spielen kann,
Den geht man nicht um Spielschuld an,
Der bleibt ohne Sorg, daß er verliere
Und daß ihn treffen Fluch und Schwüre.
Wenn ich nun aber sagen soll,
Was ziemt einem rechten Spieler wohl,
So will Virgilium ich beibringen,
Der also redet von solchen Dingen:
»Veracht' das Spiel zu aller Zeit,
Daß dich nicht trübe Gier und Neid,
Denn Spiel entstammt unsinnger Begier,
Die alle Vernunft zerstört in dir.
Ihr Braven, hütet eure Ehre,
Daß euch das Spiel die nicht versehre!
Ein Spieler muß haben Geld und Mut,
Und wenn er verliert, es halten für gut,
Darf nicht ausbrechen in Zorn, Fluch, Schwur.
Wer Geld hat, harr der Schanze nur,
Denn mancher kommt zum Spiele schwer,
Der doch zur Tür hinausgeht leer.
Wer spielt allein um großen Gewinn,
Dem geht es selten nach dem Sinn.
Wer gar nicht spielt, hat seinen Frieden,
Wer spielt, dem ist Verlust beschieden.
Wer in allen Schenken setzen will
Und suchen Glück bei jedem Spiel,
Der muß viel einzusetzen haben
Und oft ohn Geld nach Hause traben.
Hat einer drei Seuchen und trachtet nach mir,
Der hat bald böser Schwestern vier!«
Spiel kann wohl niemals sein ohn Sünd,
Ein Spieler ist nicht Gottes Kind:
Denn Spieler all des Teufels sind!


78.
Viel Narren sind wohl reif zum Drücken,
Die Toren sind in manchen Stücken,
Denen sitzt der Esel auf dem Rücken.
Von niedergedrückten Narren

So viele sind im Narrenorden,
Ich wäre fast vergessen worden
Und um des Schiffes Abfahrt kommen,
Hätt ich des Esels Ruf nicht vernommen.
Ich bin, den alle Dinge drücken,
Will mich in einen Winkel bücken,
Ob wohl der Esel vorbei will gehn,
Nicht stets auf meinem Rücken stehn,
Und wenn ich nur Geduld recht hab,
Hoff ich, vom Esel zu kommen ab.
Doch hab ich sonst Gesellen gut,
Die drückt das, was mich drücken tut:
Der etwa folgt nicht gutem Rat,
Der zürnt, wenn er nicht Ursach hat;
Der kaufet Unglück, trauert ohn Grund,
Der lieber Streit hat als ruhige Stund';
Der seiner Kinder Mutwillen gern sieht,
Der hält mit dem Nachbarn keinen Fried';
Der leidet, daß der Schuh ihn drückt,
Die Frau ins Wirtshaus nach ihm schickt –
Die gehören all ins Narrenbuch.
Wer mehr verzehrt, als er gewinnt,
Und borget viel, was ihm zerrinnt,
Wer seine Frau führt andern vor,
Der ist ein Narr, Gauch, Esel, Tor;
Wer bedenkt die Menge der Sünden sein,
Und was er drum muß leiden Pein,
Und kann doch fröhlich sein damit,
Der taugt nicht selbst zum Eselritt –
Es muß der Esel auf seinen Rücken,
Um ihn zu Boden ganz zu drücken.
Der ist ein Narr, der das Gute sieht
Und doch nicht vor dem Bösen flieht.
Hiermit sind viele Narren berührt,
Die dieser Esel mit sich führt.


79.
Wenn Reuter und Schreiber greifen an
Einen fetten, schlichten, bäurischen Mann,
Ist der es, so den Streit fing an.
Reuter und Schreiber

Schreiber und Reuter trifft auch der Spott,
Sie seien in der Narrenrott;
Daß ihre Nahrung gleich, ist klar:
Der schindet heimlich, der offenbar!
Der wagt sein Leben, sei's trocken, sei's naß,
Und der setzt die Seele ins Tintenfaß.
Der Reuter steckt viele Scheuern an,
Der Schreiber braucht einen Bauersmann,
Der fett sei und kann triefen wohl,
Damit er riechen mach' seinen Kohl.
Ja, täte jeder, was er soll,
So wären sie beide Geldes wert,
Der mit der Feder, der mit dem Schwert –
Man möchte sie beide entbehren nit,
Wäre nicht über der Hand ihr Schnitt,
Und würde durch sie nicht das Recht versehrt:
Man aus dem Stegreif sich ernährt.
Da nun aber auf eignen Gewinn
Jeder von ihnen stellt Trachten und Sinn,
So wollen sie verzeihen mir,
Daß ich im Narrenschiff sie führ'.
Ich habe sie drum gebeten nicht,
Den Fuhrlohn jeder selbst verspricht
Und will sich weiter auch verdingen,
Bekannte genug ins Schiff zu bringen.
Schreiber und Gleißner sind noch viel,
Die treiben jetzt wild Reuterspiel
Und nähren sich kurz vor der Hand,
Gleichwie die Kriegsknecht' auf dem Land.
Wahrlich, es ist eine große Schand,
Daß man nicht eilend die Straßen macht frei,
Daß Pilger und Kaufmann sicher sei,
Aber ich weiß wohl, was das tut:
Man sagt, das Geleitgeld schmecke zu gut!


80.
Ich bin gelaufen fern und weit,
Das Fläschlein war nie leer die Zeit;
Dies Brieflein, Narren, ist euch geweiht.
Närrische Botschaft

Wenn ich der Boten auch vergäße
Und ihnen Torheit nicht zumäße,
Sie mahnten mich wohl selber dran.
Den Narrn gebührt ein Botenmann,
Der trag im Mund, und sei nicht laß,
Ein Brieflein, daß es nicht werd naß,
Geh säuberlich wie auf dem Dache,
Damit das Ziegelwerk nicht krache,
Und schau auch, daß ihm nicht zur Last
Mehr wird, als du befohlen hast;
Er wisse, was ihm aufgetragen,
Vor Wein bald nicht mehr aufzusagen,
Und halt sich unterwegs lang auf,
Daß mancher kreuze seinen Lauf;
Er acht auf Zehrung in der Nähe,
Die Briefe dreimal er umdrehe,
Ob er erspähe, was er trage,
Und was er weiß, bald weitersage,
Und nachts die Tasche leg auf die Bank;
Hat er vom Wein dann einen Schwank,
So kommt er ohne Antwort wieder:
Das sind, so mein ich, Narrenbrüder.
Sie laufen dem Narrenschiffe nach
Und findens zwischen hier und Aach;
Doch sollen sie sich des vermessen
Und ihres Fläschleins nicht vergessen,
Denn ihre Leber, ihr Geschirr
Wird ihnen vom Laufen und Liegen dürr.
Doch wie der Schnee uns Kühlung leiht,
Wenn man ihn trifft zur Sommerszeit,
Also ein treuer Bote erquickt
Den, welcher ihn hat ausgeschickt.
Der Bote ist Lob und Ehre wert,
Der bald bestellt, was man begehrt.


81.
Hier kommen Kellner, Köch', Ehalten,
All, die des Hauses Sorg verwalten
Und redlich in dem Schiffe schalten.
Von Köchen und Kellermeistern

Ein Bötlein uns eben vorüberlief,
Das fragte nach dem Narrenschiff,
Dem gaben wir versalzne Suppen,
Daß er das Fläschlein wohl möcht luppen; ;
Wie schnell ist er davongeflogen,
Das Fläschlein hat er oft gezogen,
Wir wollten ihm ein Brieflein geben,
Doch er tät eilig weiterstreben.
Wir kommen wohl auch so zurecht,
Kellner und Köche, Magd und Knecht,
Die in der Küche zu schaffen haben.
Wir tragen auf nach Kundschaft und Gaben,
Draus kein Bedenken uns entsteht,
Aus unserm Säckel es nicht geht;
Zumal, wenn unsre Herrschaft aus
Und sonsten niemand ist im Haus,
Dann schlemmen wir und tabernieren, ,
Auch fremde Prasser heim wir führen
Und geben da gar manchen Stoß
Den Kannen, Krügen, Flaschen groß.
Wenn nachts die Herrschaft geht zur Ruh,
Und Tor und Riegel sind fest zu,
Dann trinken wir nicht vom schlechtesten Naß
Und zapfen aus dem größten Faß,
So kann man es so leicht nicht spüren.
Ins Bett wir dann einander führen,
Doch ziehen wir zwei Socken an,
Daß uns der Herr nicht hören kann,
Und hört man dann doch etwas krachen,
Wähnt man, daß es die Katzen machen.
Alsdann nach einer kleinen Frist,
Vermeint der Herr, daß ihm noch ist
Im Fäßlein mancher gute Trunk,
So macht der Zapfen: glunk, glunk, glunk!
Das ist ein schlimmes Zeichen, daß
Nur wenig mehr ist in dem Faß.
Sodann wir fleißig darauf achten;
Daß wir zurichten viele Trachten
Und damit Lust und Magen reizen,
Mit Kochen, Sieden, Braten, Beizen,
Mit Rösten, Backen, Pfefferbrei;
Mit Zucker, Gewürz und Spezerei
Bereiten Trank wir und Gericht,
Daß an der Stiege sich mancher erbricht,
Oder er muß es von sich purgieren
Mit Sirupen und mit Klistieren.
Drob machen wir nicht viel Geschrei,
Werden wir doch selbst voll dabei,
Da wir uns selber nicht vergessen:
Das Beste aus dem Topf wir essen;
Denn würden wir auch vor Hunger sterben,
Es hieß doch, das Schlemmen tät uns verderben.
Der Kellner spricht: »Brat mir 'ne Wurst,
Herr Koch, so lösch ich dir den Durst!«
Der Kellner ist des Weins Verräter,
So ist der Koch des Teufels Bräter,
Hier wird er gewohnt das Küchenfeuer,
Drum scheints ihm dort nicht ungeheuer,
Kellner und Köche sind selten leer,
Sie tragen auf und mühn sich sehr:
Zum Narrenschiff steht ihr Begehr.
Als Joseph nach Ägypten kam,
Der Köche Fürst ihn zu sich nahm,
Und Zion gewann Nabursadam.


82.
Ich hätt vergessen fast bei mir,
Daß ich nicht noch ein Schiff einführ':
Der Bauern Narrheit treff ich hier!
Von bäurischem Aufwand

Die Bauern ziemlich einfach waren
Noch kürzlich in vergangnen Jahren;
Gerechtigkeit war bei den Bauern;
Als die entfloh der Städte Mauern,
Wollt sie in strohernen Hütten sein,
Bevor die Bauern tranken Wein,
Den sie jetzt gerne bei sich dulden.
Sie stecken sich in große Schulden;
Wiewohl jetzt Korn und Wein gilt viel,
Nehmen sie doch auf Borg und Ziel
Und wollen bezahlen nicht beizeiten,
Man muß sie bannen und verläuten.
Der Zwillch schmeckt ihnen nicht mehr sehr,
Sie wollen keine Joppen mehr;
Es muß sein leydensch und mechelsch Kleid
Und ganz zerhacket und gespreit
Mit aller Farb, Wild über Wild, ,
Und auf dem Ärmel ein Kuckucksbild,
Das Stadtvolk lernt von Bauern jetzt,
Wie man das Laster besser schätzt;
Aller Beschiß geht von Bauern aus,
Alle Tag wolln sie neue Moden im Haus,
Keine Schlichtheit ist mehr in der Welt;
Die Bauern stecken ganz voll Geld,
Sie speichern Wein und Weizen auf
Und andres und erschweren den Kauf
Und machen es so lange teuer,
Bis Blitz und Donner kommt mit Feuer
Und ihnen abbrennt Korn und Scheuer.
Desgleichen zu unsern Zeiten auch
Ist auferstanden mancher Gauch,
Der sonst ein Bürger und Kaufmann war,
Will adlig sein und Ritter gar.
Der Edelmann möcht sein Freiherr,
Der Graf wünscht, daß ein Fürst er war,
Der Fürst die Krone des Königs begehrt;
Viel werden Ritter, die kein Schwert
Gezogen je für Gerechtigkeit.
Die Bauern tragen seiden Kleid
Und goldne Ketten an dem Leib;
Es geht daher ein Bürgersweib
Viel stolzer, als eine Gräfin tut.
Wo Geld jetzt ist, da ist Hochmut;
Was eine Gans an der andern nimmt wahr,
Drauf ist sie gerichtet ganz und gar,
Das muß sie haben; es schmerzt sonst sehr.
Der Adel hat keinen Vorzug mehr.
Man sieht eines Handwerksmannes Weib,
Die größern Wert trägt auf dem Leib
An Rock, Ring, Mantel, Borten schmal,
Als sie im Haus hat allzumal.
Daran verdirbt manch Biedermann,
Der mit dem Weib muß betteln dann,
Im Winter trinken aus irdenem Krug,
Daß seinem Weibe er tue genug;
Und hat sie heut alles, wonach es sie drängt –
Gar bald es bei dem Trödler hängt.
Wer Frauengelüsten will folgen doch,
Den friert gar oft, spricht er auch: »Schoch!«
In allen Landen herrscht große Schande,
Keiner begnügt sich mit seinem Stande,
Niemand bedenkt, was die Vorfahren waren,
Drum ist die Welt jetzt voll von Narren.
So daß ich wohl die Wahrheit sag:
Der Dreispitz, der muß in den Sack!


83.
Viel Narren freut nichts in der Welt,
Es sei denn, daß es schmeck nach Geld;
Die gehören auch ins Narrenfeld.
Von Verachtung der Armut

Geldnarren sind auch überall
So viel, daß man nicht kennt die Zahl,
Die lieber haben Geld als Ehr.
Nach Armut fragt jetzt niemand mehr;
Man kommt auf Erden dort kaum aus,
Wo nichts als Tugend ist im Haus.
Weisheit tut man nicht Ehr mehr an,
Und Ehrbarkeit muß hinten stahn;
Sie kommt kaum noch auf grünen Zweig,
Man will jetzt, daß man ihrer schweig';
Und wer nach Reichtum nur begehrt,
Der schaut auch, daß er reich bald werd,
Und scheut nicht Sünde, Wucher, Schand,
Nicht Mord, Verrat am eignen Land;
Das ist jetzt üblich in der Welt.
All Schlechtigkeit find't man um Geld:
Gerechtigkeit um Geld ist feil,
Ums Geld kam mancher an ein Seil,
Käm er mit Geld nicht aus der Haft;
Um Geld bleibt Sünd oft ungestraft.
Ich sag dir deutsch, wie ich das meine;
Man henkt die kleinen Dieb' alleine;
Eine Bremse nicht im Spinnweb klebt,
Die kleine Mücke nur drin schwebt.
Ahab war ehmals nicht zufrieden,
Daß ihm ein Königreich beschieden,
Bis er den Weinberg Naboths nahm,
Der arm ohn Recht zu Tode kam.
Der Arme muß stets in den Sack;
Was Geld bringt, ist gut von Geschmack.
Armut, die jetzo ganz unwert,
War einstmals lieb und hochgeehrt
Und angenehm der goldnen Welt.
Da hat niemand geachtet Geld
Oder etwas besessen allein:
Alle Dinge waren da gemein,
Und man an dem Genügen fand,
Was ohne Arbeit jedes Land
Und die Natur ohn Sorgen trug.
Doch als gebraucht erst ward der Pflug,
Fing man auch gierig an zu sein,
Da kam auch auf: »War mein, was dein!«
All Tugend war noch auf der Erde,
Wenn man nur Ziemliches begehrte.
Armut ist eine Gabe von Gott,
Wiewohl sie jetzt der Welt ein Spott;
Das macht allein, weil niemand ist,
Der bedenkt, daß Armut nichts gebrist,
Und daß der nichts verlieren kann,
Der nichts gehabt von Anfang an,
Und daß der leicht kann schwimmen weit,
Der nackend ist und ohne Kleid.
Ein Armer singt frei durch die Welt,
Dem Armen selten etwas fehlt.
Die Freiheit hat ein armer Mann,
Daß er doch betteln gehen kann,
Obschon man ihn sieht übel an;
Und wenn man ihm auch gar nichts reicht,
So bleibt sein Gut wie vorher leicht.
Bei Armut fand man bessern Rat,
Als Reichtum je gegeben hat,
Das zeigt uns Quintus Curius
Und der berühmte Fabricius,
Der wollte nicht haben Gut noch Geld,
Sondern hat Ehr und Tugend erwählt.
Armut gab ehmals Fundament
Und Anfang allem Regiment;
Armut gebaut hat jede Stadt;
All Kunst Armut erfunden hat;
Armut ist ohne Schlechtigkeit,
Aus Armut wächst Ehr allezeit;
Bei allen Völkern auf der Erde
Stand Armut lang in hohem Werte;
Es hat durch sie der Griechen Hand
Viel Stadt bezwungen, Leut und Land.
Aristides war arm und gerecht,
Epaminondas streng und schlecht,
Homer war arm und doch gelehrt,
In Weisheit Sokrates geehrt,
Und Phocion keiner an Mild übertrifft.
Das Lob hat Armut in der Schrift:
Nichts ward auf Erden je so groß,
Das nicht zuerst aus Armut floß.
Das Römische Reich, sein hoher Nam'
Anfänglich her aus Armut kam.
Denn welcher merkt und bedenkt dabei,
Daß Rom von Hirten erbauet sei
Und von armen Bauern lang regiert,
Danach von Reichtum ganz verführt,
Der kann wohl merken, daß Armut
Rom besser war als großes Gut.
Wär Krösus arm, doch klug gewesen,
Er hätt behalten, was er besessen;
Man fragte Solon um Bescheid,
Ob jener hätte Seligkeit –
Denn er war mächtig, reich, geehrt –,
Da sagte Solon: »Auf der Erd
Nenn keinen selig vor dem Tod,
Man weiß nicht, was ihm all noch droht!«
Wer meint noch festzustehen heut,
Der kennt doch nicht die künftge Zeit!
Der Herr sprach: »Euch sei Weh und Leid!
Ihr Reichen, habt hier eure Freud,
Genießet euer Gut auf Erden,
Doch selig wird der Arme werden!«
Wer sich mit Lügen errafft Besitz,
Der ist durchtrieben und ganz unnütz
Und mästet selbst sein Mißgeschick,
Daß er erwürg' am Todesstrick.
Wer einem Armen Unrecht tut
Und damit häufen will sein Gut,
Trifft einen Reichern, der erpreßt
Sein Gut und ihn in Armut läßt.
Richt' nicht die Augen auf das Gut,
Das allzeit von dir fliehen tut;
Gleichwie der Adler, so gewinnt
Es Federn und fliegt durch den Wind.
Wärs gut, auf Erden reich zu leben,
Hätt Christus sich nicht der Armut ergeben.
Wer spricht, daß er ohn Mängel war,
Nur sei die Tasch ihm pfennigleer,
Derselbe ist in der Narrheit Bann,
Ihm fehlt mehr, als er sagen kann,
Vor allem, daß er nicht erkennt,
Daß er sei ärmer, als er wähnt.


84.
Es greift gar mancher hurtig zum Pflug
Und endet zuletzt doch übel genug,
Weil er den Gauch aus dem Nest nicht trug.
Vom Beharren im Guten

Die Hand legt mancher an den Pflug
Und hat zuerst Verlangen genug
Nach Weisheit und nach gutem Werk
Und steigt doch nicht empor zum Berg,
Der ihn führt zu des Himmels Auen,
Er muß vielmehr zurück oft schauen,
Denn ihm gefällt Ägyptenland,
Wo mancher volle Fleischtopf stand,
Und läuft den Sünden weiter nach
Wie mancher Hund dem, was er brach
Und oftmals neu verschlungen hat –
Für solchen gibts nur wenig Rat.
Die Wunde selten sich wieder schließt,
Die oft schon aufgebrochen ist;
Wenn sich der Sieche nicht recht hält
Und zurück in seine Krankheit fällt,
So ist zu fürchten, daß er dann
In Zukunft kaum genesen kann.
Viel besser ists, ans Werk nicht gehn,
Als nach dem Anfang abzustehn.
Gott spricht: »Ich wollt, du hättst Gestalt,
Daß warm du wärest oder kalt;
Aber dieweil du lau willst sein,
Bist du zuwider der Seele mein!«
Wenn einer tat viel Gutes schon,
Wird ihm doch nicht der rechte Lohn,
Wenn er nicht ausharrt bis ans Ende.
Aus großem Übel kam behende
Und ward erlöst die Hausfrau Lot,
Doch da sie nicht hielt das Gebot
Und wieder umsah hinter sich,
Blieb sie da stehn ganz wunderlich.
Ein Narr läuft wieder zu seiner Schelle,
Gleichwie der Hund zu seinem Gewölle.


85.
Kann Adel, Gut, Kraft, Jugendzier
In Fried und Ruh sein, Tod, vor dir?
All das, was Leben je gewann
Und sterblich ist – das muß daran.
Sich des Todes nicht versehen

All die wir leben hier auf Erden,
Ihr lieben Freund', betrogen werden,
Weil wir nicht vorzusehn gewohnt
Den Tod, der unser doch nicht schont.
Wir wissen, und es ist uns kund,
Daß uns gesetzet ist die Stund,
Und wissen nicht wo, wann und wie?
Doch ließ der Tod noch keinen hie,
Wir sterben all und fließen hinnen
Wie Wasser, die zur Erde rinnen.
Darum sind wir gar große Narren,
Daß wir nicht denken in viel Jahren,
Die uns Gott deshalb leben läßt,
Daß wir uns rüsten auf das best'
Zum Tod und lernen, daß wir hinnen
Einst müssen, ohne zu entrinnen.
Der Wein ist schon getrunken drauf,
Wir können nicht abstehn vom Kauf;
Die erste Stund die letzte brachte,
Und wer den ersten ehmals machte,
Der wüßt auch, wie der letzt' würd sterben.
Aber die Narrheit tut uns färben,
Daß wir gedenken nicht daran,
Wie uns der Tod nicht lassen kann
Und unsers hübschen Haars nicht schonen,
Noch unsrer grünen Kränz und Kronen.
Mit Recht »Hans Acht-sein-nit« er heißt,
Denn wenn er greift und an sich reißt,
Sei er auch stark und schön und jung,
Den lehrt er gar seltsamen Sprung,
Den billig ich den Todsprung heiß',
So daß ihm ausbricht kalter Schweiß
Und streckt und krümmt sich wie ein Wurm,
Denn da tut man den rechten Sturm.
O Tod, was hast du für Gewalt,
Dieweil du hinnimmst jung und alt!
O Tod, wie ist so hart dein Nam'
Für Adel, Macht und hohen Stamm;
Für den zumal, der Freud und Mut
Allein gesetzt auf zeitlich Gut!
Der Tod mit gleichem Fuß zertritt
Des Königs Saal, des Hirten Hütt:
Er achtet Pomp nicht, Macht noch Gut,
Dem Papst er wie dem Bauern tut.
Drum ist ein Tor, wer will entfliehn
Dem, dem er sich nicht kann entziehn,
Und meint, wenn er die Schellen schüttelt,
Daß ihn der Tod alsdann nicht rüttelt;
Mit der Bedingung kommt fürwahr
Ein jeder, daß er wieder fahr'
Von hinnen und dem Tod zustehe,
Wenn von dem Leib die Seele gehe.
Nach gleichem Recht der Tod hinführt
Das, was das Leben je berührt:
Du stirbst, der bleibt noch länger hie,
Doch keiner bleibt auf Dauer nie:
Die tausend Jahr erlebten schon –
Die mußten schließlich doch davon.
Der Rock war kaum getragen ab,
Da folgt der Sohn dem Vater ins Grab;
Ein andrer den Tod vorm Vater schaut,
Man findet auch manche Kälberhaut. .
Je einer fährt dem andern nach,
Und wer nicht wohl stirbt, findet Rach.
Auch lassen die ihre Narrheit scheinen,
Welche um Tote trauern und weinen,
Ihnen mißgönnen ihre Ruh,
Der wir doch alle streben zu.
Denn keiner geht zu früh dort ein,
Wo er in Ewigkeit muß sein;
Es geschieht gar manchem wohl daran,
Daß Gott ihn zeitig ruft hindann.
Der Tod bracht manchem Nutzen ein,
Trübsal ward ihm erspart und Pein.
Viel haben den Tod auch selbst begehrt,
Und andern erschien er Dankes wert,
Zu denen er ungerufen gegangen:
Er machte frei viel, die gefangen,
Und hat viel aus dem Kerker gebracht,
Denen der ewig war zugedacht.
Das Glück teilt ungleich arm und reich,
Aber der Tod macht alles gleich;
Er ist ein Richter, der fürwahr
Nichts abläßt, wenn man ihn bittet gar.
Er ists allein, der alles lohnt,
Der keinen jemals hat geschont
Und keinem je gehorsam ward –
Sie mußten all auf seine Fahrt
Und ihm nachtanzen seinen Reihen:
Päpst', Kaiser, König', Bischöf, Laien,
Deren mancher noch niemals gedacht,
Daß man den Vortanz ihm gebracht,
Und er muß tanzen in dem Gezotter
Den Westerwälder und den Trotter;
Wenn er hätt eher daran gedacht,
Es wär nicht gekommen so über Nacht.
Jetzt ist dahin manch großer Narr,
Der um sein Grab voll Sorge war
Und wandte dran so viel an Gut,
Daß es noch manchen wundern tut:
Das Mausoleum, wo den Gatten
Artemisia ließ bestatten
Und so viel Kosten daran wandt'
Mit großer Zier und offner Hand,
Daß man es eins jener Wunder nennt,
Von denen sieben der Erdkreis kennt;
Auch Gräber in Ägyptenland,
Die Pyramiden man genannt –
So baute Chemnis sich ein Grab
Und hing daran sein Gut und Hab,
Da dreimalhunderttausend Mann
Und sechzigtausend werkten dran,
Denen gab an Kraut er alsoviel,
(Der andern Kost ich schweigen will),
Daß wohl kein Fürst wär jetzt so reich,
Der das bezahlte jenem gleich;
Ein gleiches Amasis vollbrachte,
Wie Rhodope auch eins sich machte.
Welch große Torheit doch der Welt,
Daß man wandte so vieles Geld
An Gräber, da man wirft hinein
Den Aschensack, die Totenbein,
Und gab so große Summen aus,
Daß man den Würmern macht ein Haus,
Und für die Seele will nichts geben,
Die doch in Ewigkeit muß leben!
Der Seel hilft nicht ein kostbar Grab,
Daß einen Marmorstein man hab'
Und aufhäng' Schild, Helm, Banner groß;
»Hier liegt ein Herr und Wappengenoß!«
Haut man ihm dann in einen Stein.
Der rechte Schild ist ein Totenbein,
Dran Würmer, Schlangen, Kröten nagen,
Das Wappen Kaiser und Bauer tragen,
Und wer hier zieht einen feisten Bauch,
Speist seine Wäppner am längsten auch.
Da ist ein Fechten, Reißen, Brechen,
Die Freunde sich um das Gut erstechen,
Denn jeder möcht es ganz behalten –
Die Teufel mit der Seele schalten
Und tun mit der wüst triumphieren,
Von einem Bad sie ins andre führen,
Von Eiseskälte in glühende Hitz.
Wir Menschen leben ganz ohn Witz,
Daß wir der Seel nicht nehmen wahr,
Des Leibes sorgen immerdar.
Die ganze Erde ist Gott geweiht,
Wohl ruht, wer stirbt ohn Angst und Leid.
Der Himmel manchen Toten deckt,
Der unter keinem Stein sich streckt.
Wie könnte der haben ein schöner Grab,
Dem das Gestirn glänzt von oben herab?
Gott find't die Gebeine zu seiner Zeit.
Das Grab der Seel keine Freude leiht:
Wer wohl stirbt, hat das beste Grab,
Wer sündig stirbt, fährt schlimm hinab.


86.
Wer meint, daß Gott nicht strafend dräut,
Weil er oft zögert lange Zeit,
Den trifft der Donner wohl noch heut.
Von Verachtung Gottes

Der ist ein Narr, der Gott nicht achtet,
Zu widersprechen ihm stets trachtet,
Und meint, er sei den Menschen gleich,
Daß er sich foppen laß und schweig.
Denn mancher fest und sicher glaubt,
Wenn ihn der Blitzstrahl nicht beraubt
Des Hauses gleich und schlägt ihn tot,
Wenn er sein Frevelstück darbot,
Und wenn er nicht stirbt jähelich –
Er brauch nicht mehr zu fürchten sich,
Denn Gott hab sein vergessen doch
Und warte lange Jahre noch
Und werd ihm dazu lohnen auch.
Damit versündigt sich manch Gauch,
Der in der Sünde recht verharrt;
Darum, daß Gott sein etwa spart,
Denkt er zu raufen ihm den Bart,
Als ob er mit ihm scherzen wolle
Und solches Gott vertragen solle.
Hör zu, o Tor; werd weise, Narr!
Versäum dich nicht, nicht länger harr!
Es trägt fürwahr ein grausam Band
Der, welcher Gott fällt in die Hand,
Denn ob er auch dich lange schont,
So wird dir schließlich doch gelohnt.
Manchen läßt sündigen Gott der Herr,
Daß er ihn strafe desto mehr
Und ihm heimzahle auf einmal;
Man spricht, das mach' den Säckel kahl.
Mancher, der stirbt in Sünden klein,
Dem tut Gott solche Gnade an,
Daß er ihn zeitig nimmt hindann,
Damit er nicht viel Sünd auflade
Und größer werd der Seelen Schade.
Gott will den Reuigen erweisen
Barmherzigkeit, wie er verheißen;
Doch keinem Sünder er verhieß,
Daß er ihn so lang leben ließ,
Bis ihn die Besserung überkäme
Und er zum Guten sich bequeme.
Gott gäb wohl manchem Gnade heut,
Dem morgen er mit Zorne dräut.
Ezechias von Gott erwarb,
Daß er am Lebensziel nicht starb,
Sondern noch fünfzehn Jahre weilte,
Dagegen Belsazar der Tod ereilte.
Die Hand von aller Freud ihn trieb,
Die Mene Tekel Upharsin schrieb;
Er war zu leicht nach dem Gewicht,
Drum ward entzogen ihm sein Licht;
Er merkte nicht, wie sein Vater war
Durch Gott gestraft vor manchem Jahr
Und sich zur Buß und Besserung kehrte,
Darum der Herr ihn auch erhörte,
Daß er in Viehes Gestalt nicht starb,
Durch Reue sich Gnadenfrist erwarb.
Der Sünden wie der Jahre Zahl
Ist jedem festgesetzt zumal,
Und wer in Eile sündigt viel,
Eilt nur damit zum letzten Ziel.
Viel sind schon dieses Jahr gestorben,
Die, hätten Besserung sie erworben,
Ihr Stundenglas gedreht bei Zeit,
So daß der Sand nicht abgelaufen,
Wohl ohne Zweifel noch lebten heut.


87.
Wer lästert Gott mit Fluchen, Schwören,
Der lebt mit Schand und stirbt ohn Ehren;
Weh solchen auch, die dem nicht wehren!
Von Gotteslästerung

Die größten Narren auch ich kenne,
Doch weiß ich nicht, wie man sie nenne,
Die unzufrieden mit aller Sünd
Sich zeigen als des Teufels Kind;
Die öffentlich bezeugen, daß
Sie seien gegen Gott voll Haß
Und leben mit ihm in Widerstreit.
Der hält wohl Gott Ohnmächtigkeit,
Der andre ihm seine Marter vor,
Seine Milz, sein Hirn, Gekrös und Ohr.
Wer oft und ungewöhnlich schwor,
Wogegen doch Natur und Recht,
Der gilt jetzt als ein wackrer Knecht,
Der muß den Spieß, die Armbrust tragen
Und darf es wohl mit Vieren wagen
Und bei der Flasche tapfer sein.
Mordschwüre schallen laut beim Wein
Und bei dem Spiel um wenig Geld;
Kein Wunder wärs, wenn Gott die Welt
Um solche Schwür' ließ untergehn;
Der Himmel könnt in Stücke gehn,
So lästert und so schmäht man Gott.
All Ehrbarkeit ist leider tot,
Das Recht legt keine Strafen drauf,
Drum trifft uns auch der Plagen Hauf,
Weil es so öffentlich geschieht,
Daß alle Welt es hört und sieht;
Kein Wunder, droht nun mit Gericht
Gott selbst, denn länger trägt ers nicht.
Er selbst befahl, wenn man ihn höhne,
Zu steinigen dann Jakobs Söhne.
Einst fluchte Sanherib auf Gott
Und ward geplagt mit Schand und Spott;
Lykaon und Mezentius
Empfand das und Antiochus.


88.
Wer meint, daß Gott uns straf zuviel,
Weil er uns oftmals plagen will,
Des Plage steht kurz vor dem Ziel.
Von Plage und Strafe Gottes

Ein Narr ist, wer für Wunder hält,
Daß Gott der Herr jetzt straft die Welt
Und Plag auf Plage schicket noch,
Dieweil wir seien Christen doch,
Und unter diesen viel geistliche Leut
Mit Fasten und Gebet allzeit
Ihm dieneten ohn Unterlaß.
Doch hör, kein Wunder dünkt mich das,
Weil du nicht findest einen Stand,
Mit dem es übel nicht bewandt,
Der nicht abnehme und verfalle.
Drum gilt des Weisen Spruch für alle:
»Weil du zerbrichst, was ich bereite,
So bleibt nur Reue für uns beide,
Und unsre Mühe ist verlorn!«
So spricht auch sonst der Herr mit Zorn:
»Wenn ihr nicht haltet mein Gebot,
Will ich euch geben Plag und Tod,
Krieg, Hunger, Pestilenz und Hitz,
Samt Teurung, Reif, Kalt, Hagel, Blitz,
Und mehren dies von Tag zu Tag;
Will nicht erhörn Gebet noch Klag;
Ob Moses auch und Samuel
Mich bäten, bin ich doch der Seel
So feind, die treibt mit Sünde Spott,
Daß Plag sie trifft – dieweil ich Gott!«
Schon an der Juden Land ward klar,
Daß es durch Sünd verloren war;
Wie oft sie Gott vertrieben hat
Um Sünde aus der heiligen Stadt.
Den Christen ging sie auch verlorn,
Weil sie verdienten Gottes Zorn.
Noch mehr Verlust muß ich besorgen,
Und daß es wird noch schlimmer morgen.


89.
Wer um 'ne Pfeif des Maultiers wird quitt,
Genießt selbst seines Tausches nit
Und muß oft gehn, wenn er gern ritt'.
Von törichtem Tausche

Viel größre Mühe hat ein Narr,
Daß seine Seel zur Hölle fahr',
Als je ein Eremit noch hat
Gehabt an heimlich-wüster Statt,
Wo er Gott dient mit Beten, Fasten.
Man sieht, was Hoffart trägt für Lasten,
Wie man sich putzt, schminkt, nestelt, schnürt
So fest, daß kaum ein Glied sich rührt.
Die Gier treibt manchen über See
Durch Ungewitter, Regen, Schnee
Nach Norwegen und Lappenland.
Kein Buhler Ruh noch Rast je fand;
Die Spieler haben schlechte Zeit
Und auch der Schnapphahn, der zum Streit
Selbst untern Galgen waget sich.
Des Prassers will geschweigen ich,
Der allzeit voll ist bis ans Herz,
Welch Druck der hat und stillen Schmerz;
Die Eifersucht hats nicht aufs Beste
Aus Furcht vorm andern Gauch im Neste;
Die eignen Glieder kocht der Neid.
Um Gottes Ehr trägt niemand Leid
Und fasset in Geduld die Seel
Wie Noah, Hiob und Daniel.
Gar vielen Böses nur gefällt,
Von wenigen Gutes wird erwählt.
Ein Weiser Gutes wählen soll,
Das Böse kommt von selber wohl.
Wer gibt das Himmelreich um Mist,
Der bleibt ein Narr, wer er auch ist;
Des Tausches wird nie froh im Mut,
Wer Ewiges gibt um zeitlich Gut;
Denn daß ichs kurz im Wort begreife:
Er gibt den Esel um 'ne Pfeife.


90.
Den Vater und die Mutter ehre,
Auf daß dir Gott die Tage mehre,
Und nicht dein Lob in Schand sich kehre!
Ehre Vater und Mutter

Der ist ein Narr, ganz offenbar,
Wer Kindern gibt, was ihm not war
Zum eignen Leben; in dem Wahn,
Daß sich das Kind nahm seiner an
Und ihm auch helfe in der Not.
Dem wünscht man jeden Tag den Tod,
Der wird gar bald unwert als Gast,
Den Kindern sein zur Überlast.
Doch ihm geschieht wohl halbwegs recht,
Weil er sich hat bedacht so schlecht,
Daß er mit Worten sich ließ krauen:
Drum soll man ihn mit Kolben hauen!
Doch lebt nicht lange auf der Erd,
Wem Vater und Mutter nicht sind wert;
In Finsternis verlöscht das Licht
Des, der die Eltern ehret nicht.
Um des Vaters willen traf Absalon
In jungen Jahren böser Lohn,
Desgleichen ward verfluchet Ham,
Weil er entblößt des Vaters Scham,
Belsazar hatte wenig Glück,
Weil er den Vater hieb in Stück';
Auch Sanherib durch die Söhne starb,
Deren keiner doch das Reich erwarb;
Tobias gab dem Sohn die Lehre,
Daß er die Mutter hielt' in Ehre;
Darum stand König Salomon
Vor seiner Mutter auf vom Thron,
Und Corilaus, der gute Sohn;
Die Söhne Rechabs lobt selbst Gott:
Sie hielten väterlich Gebot.
Wer leben will, spricht Gott der Herr,
Der biete Vater und Mutter Ehr,
So wird er alt und reich gar sehr!


91.
Im Chor gar mancher Narr auch steht,
Der unnütz schwätzt und hilft und rät,
Des Wagen und Schiff vom Land bald geht.
Vom Schwätzen im Chor

Viel Schwätzer beraten das ganze Jahr
In Kirche und in Chor fürwahr,
Wie sie zurichten Schiff und Karren,
Um drin gen Narragon zu fahren;
Dort spricht man von dem welschen Kriege,
Hier lugt man, daß man tüchtig lüge
Und etwas Neues bring auf die Bahn.
So wird die Mette gefangen an,
So gehts oft, bis die Vesper schlägt.
Viel kommen nur von Geiz bewegt
Und weil man Geld gibt in dem Chor,
Sonst blieben fern sie nach wie vor.
Für manchen wärs wohl besser gar,
Er blieb daheim das ganze Jahr
Und nutzt sein Plapperbänklein so
Und seinen Gänsmarkt anderswo,
Als daß er in der Kirche will
Sich stören und noch andre viel.
Was er sonst nicht verrichten kann,
Das schlägt er in der Kirche an,
Wie er ausrüste Schiff und Geschirr,
Und bringt viel neue Mär herfür,
Hat großen Fleiß und ernste Gebärde,
Damit das Schiff nicht wendig werde;
Er ging gern aus dem Chor spazieren,
Daß er den Wagen recht möcht schmieren.
Von denen darf ich gar nicht drucken,
Die in den Chor nur grade gucken
Und zeigen sich zum Präsentieren
Und suchen wieder bald die Türen.
Das scheint Gebet andächtig und gut,
Wenn man solche Dinge verrichten tut
Und Pfründen zu verdienen wähnt,
Wenn man dem Roraffen zugähnt.


92.
Wer Hoffart liebt und tut sich loben
Und sitzen will allein hoch oben,
Den setzt der Teufel auf den Kloben.
Überhebung der Hoffart

Der macht ein Feuer auf strohernem Dach,
Wer auf der Welt Ruhm setzt sein Sach
Und alles tut um zeitliche Ehr;
Dem wird zuletzt nichts andres mehr,
Als daß sein Wahn ihn hat betrogen,
Wie einer baut auf Regenbogen.
Wer wölbt auf eine Tannensäule,
Des Anschlag zeigt vorzeitig Fäule;
Wer Ehr und Weltruhm hier begehrt,
Erwart' nicht, daß ihm dort mehr werd.
Manch Narr von Hochmut ist entbrannt,
Weil er gekommen aus welschem Land
Und man auf Schulen ihn unterwies
Zu Bononi, Pavia und Paris
Und zu Hoch-Sien in der Sapienz
Und in der Schule zu Orliens,
Daß er den Roraffen gesehen hätt
Und Meister Peter von Conniget.
Als ob nicht auch in deutscher Art
Vernunft und Sinn noch sei bewahrt,
Daß man Weisheit und Kunst könnt lehren,
Ohn fern auf Schulen sie zu hören.
Wer lernen will in seinem Land,
Der findet jetzt Bücher allerhand,
Daß niemand kann entschuldigen sich,
Er wolle denn lügen lästerlich.
Man meinte einstmals, es gab keine Lehre
Als zu Athenas überm Meere,
Darnach man sie in Welschland fand:
Jetzt blüht sie auch im deutschen Land,
Und nichts gebräch uns – wär nicht der Wein,
Und daß wir Deutsche voll wollen sein
Und hätten gern ohn Arbeit Lohn.
Wohl dem, der hat einen weisen Sohn!
Nicht acht ichs, daß man Wissenschaft
Hoffärtig treibt, nach Vorteil gafft
Und will dadurch sein stolz und klug:
Wer weise ist, der kann genug.
Wer lernt um Hoffart nur und Geld,
Der spiegelt sich allein der Welt,
Wie eine Närrin, die sich putzt
Und spiegelt und die Welt verdutzt,
Wenn sie spannt auf des Teufels Garn
Und läßt viel Seelen zur Hölle fahrn.
Das ist das Käuzlein und der Klobe,
Wodurch der Teufel sucht nach Lobe,
Und hat geführet manchen hin,
Der klug sich hielt in seinem Sinn.
Einst Bileam Balach Rat ersann,
Daß Israel Gottes Zorn gewann
Und nicht sollt in dem Kampf bestehn,
Zu dem um Frauen es mußt gehen.
Hätt Judith sich nicht schön geziert,
War Holofernes nicht verführt;
Jesabel strich sich Farben voll,
Als sie wollt Jehu gefallen wohl.
Der Weise spricht: »Kehr dich geschwind!
Der Frauen Blick reizt dich zur Sünd!«
Denn Närrinnen sind oft so geil,
Daß sie ihr Antlitz bieten feil
Und meinen, es soll schaden nicht,
Schaun sie dem Narrn ins Angesicht,
Doch bringt ein Blick schon auf schlechte Gedank',
Setzt manchen rasch auf die Narrenbank,
Der nicht eher wieder heimgegangen,
Als bis er den Häher hat eingefangen.
Hätt Bersabe ihren Leib bedeckt,
Sie wäre durch Ehbruch nicht befleckt;
Nach fremdem Mann hat Dina gegafft,
Bis sie verlor die Jungfernschaft.
Eine demütige Frau ist ehrenwert
Und würdig, daß sie werde geehrt,
Die aber Hoffart nimmt zu Händen,
Deren Hoffart wird auch nimmer enden,
Die will auch allzeit vornan dran,
Daß niemand mit ihr leben kann.
Die größte Weisheit ist auf der Welt:
Zu tun verstehen, was jedem gefällt;
Und wenn man das für gut nicht nimmt:
Zu tun verstehen, was jedem ziemt.
Wer aber Frauen tun will recht,
Sei stärker als ein Kriegesknecht,
Denn sie erreichen durch Blödigkeit
Oft mehr als wie durch Listigkeit.
Die Hoffart, die Gott haßt so sehr,
Steigt stetig auf, je mehr und mehr,
Und fällt zuletzt zu Boden doch
Zu Luzifer ins Höllenloch.
Hör, Hoffart, es kommt dir die Stunde,
Wo du vernimmst aus eignem Munde:
»Was bringt mein Hochmut mir für Freude,
Wenn ich hier sitz in trübem Leide?
Was hilft mir Geld, Gut, Eigentum,
Was hilft der Welt Ehr, Lob und Ruhm?
Es war nichts als ein Schattenspiel
Und findet bald ein jähes Ziel!«
Wohl dem, der alles dies verachtet
Und Ewiges allein betrachtet.
Für einen Narrn ist nichts zu hoch,
Es fällt mit ihm zum letzten doch,
Zumal die schändliche Hoffart,
Die hat an sich Natur und Art,
Daß sie den höchsten Engel stieß
Vom Himmel fort und auch nicht ließ
Im Paradies den ersten Mann;
Auf Erden sie bestehn nicht kann,
Sie muß stets suchen ihren Stuhl;
Bei Luzifer im Höllenpfuhl
Sucht sie sich den, der sie erdacht:
Hoffart ist bald zur Hölle gebracht.
Durch Hoffart ward Hagar von Haus
Mit ihrem Kind getrieben aus;
Durch Hoffart Pharao verdarb,
Korah mit seiner Rotte starb;
Der Herr ward zürnend aufgebracht,
Als man in Hoffart den Turm erdacht;
Als David ließ aus Hoffart zählen
Das Volk, mußt eine Plag' er wählen;
Herodes prunkte voll Hoffart,
Als ob sein Wesen göttlicher Art;
Er wollt auch haben göttliche Ehr
Und ward vom Engel geschlagen sehr.
Hoffart erniedrigt Gottes Rat,
Demut er stets erhöhet hat.


93.
Die Wuchrer treiben wild Gewerbe,
Den Armen sind sie rauh und herbe,
Ohn Mitleid, ob die Welt verderbe.
Wucher und Aufkauf

Dem soll man greifen an die Hauben
Und ihm die Zecken wohl abklauben
Und rupfen die Schwungfedern aus,
Wer kauft auf Vorrat in sein Haus
So Wein wie Korn im ganzen Land
Und fürchtet weder Sünd noch Schand,
Damit ein armer Mann nichts finde
Und Hungers sterb' mit Weib und Kinde.
Drum ist es jetzo auch so teuer,
Viel schlimmer als früher ist es heuer;
Für Wein man kaum zehn Pfund jüngst nahm,
In einem Monat es dahin kam,
Daß man jetzt dreißig zahlet gern
Gleichwie für Weizen, Roggen, Kern.
Vom Wucherzins will ich nichts schreiben,
Den sie mit Geld und Gült eintreiben,
Mit Leihen, Ramschkauf und mit Borgen.
Manchem gewinnt an einem Morgen
Ein Pfund mehr, als im Jahr es sollt.
Man leiht jetzt Münze aus für Gold;
Für Zehn schreibt man dann Elf ins Buch.
Der Juden Zins war leidlich genug,
Aber sie können nicht mehr bleiben,
Die Christenjuden sie vertreiben,
Die mit dem Judenspieß selbst rennen.
Ich kenne viel und könnt sie nennen,
Die treiben Handel wild und schlecht,
Und dazu schweigt Gesetz und Recht.
Gar viele sich dem Hagel neigen,
Die lachend auf den Reif hinzeigen.
Doch oft dann das Geschick es lenkt,
Daß mancher sich am Strick erhängt;
Wer, andern schadend, reich will sein,
Der ist ein Narr – doch nicht allein.


94.
Mancher freut sich auf fremde Hab,
Daß viel er beerbe und trage zu Grab,
Die mit seinem Gebein dann Nüss' werfen ab.
Von Hoffnung auf Erbschaft

Ein Narr nur wird sich darauf spitzen,
Eines andern Erbe zu besitzen
Oder für ihn im Rat zu schalten,
Sein Gut, Pfründ, Amt einst zu verwalten;
Auf des andern Tod gar mancher baut,
Des End er nimmermehr doch schaut,
Hofft einen zu tragen hin zu Grab,
Der mit seinem Gebein wirft Birnen ab.
Wer eines andern Tod begehrt,
Nicht weiß, wann ihm die Seel ausfährt,
Der tut den Esel selbst beschlagen,
Der ihn gen Narrenberg wird tragen.
Es sterben junge, starke Leute,
So find't man auch viel Kälberhäute,
Es geht nicht über die Kühe allein.
Einem jeden genüge die Armut sein,
Er begehre nicht, daß sie größer werde.
Seltsamer Umschwung herrscht auf der Erde:
Bulgarus mußte den Sohn beerben,
Den sah er wider Erwarten sterben;
Auch Priamus sah seine Erben
(Wie er doch hoffte) alle sterben;
Des Vaters Tod suchte Absalon
Und fand an der Eiche Erbe und Thron.
Manchem ein Erbe wird über Nacht,
An das er nie zuvor gedacht,
Manchem wird auch ein Erbfolger kund,
Dem lieber war, ihn beerbte ein Hund.
Nicht jeder wird seiner Hoffnung so
Wie Abraham und Simeon froh.
Laß die Vöglein sorgen! Wann Gott will,
Dann kommet Glück, Zeit, End und Ziel.
Das beste Erbe ist jenes Land,
Drauf aller Hoffnung hingewandt;
Doch wirds nur wenigen zuerkannt.


95.
Es sollte mancher zur Kirche gehn
Und am Feiertage müßig stehn,
Den wir doch vielgeschäftig sehn.
Von Verführung am Feiertage

Das sind wohl Bürger zu Affenberg,
Die ihre Sachen und ihr Werk
Verrichten an geweihten Tagen;
Die müssen auf den Affenwagen!
Dem einen muß man Rosse beschlagen,
Dem andern Knöpfe setzen an,
Das wäre besser längst getan,
Als man gesessen bei Spiel und Wein.
Dem füllet man die Spitzen sein,
Viel Lappen muß man darein stoßen;
Der muß probieren Röck' und Hosen,
Die könnt er sonst nicht legen an,
Hätt ers am Festtag nicht getan.
Die Köche rüsten Feuer und Glut;
Eh man die Kirche früh auftut,
Ist schon bei ihnen Schlemmen und Prassen.
Eh jemand recht kommt auf die Gassen,
Sind alle Schenken schon fast voll.
So treibt mans ständig jetzt wie toll;
Zumal an den gebannten Tagen,
Wo man sich anders nicht kann plagen,
Da fährt man eifrig mit dem Karren;
Der Feiertag macht manchen zum Narren,
Der meint, daß solchen man erdachte,
Weil kleiner Arbeit Gott nicht achte,
Wenn man das Holz im Spielbrett Schlage
Und Karten spiel' am ganzen Tage.
Viele lassen schaffen ihr Gesind,
Ohne zu achten, daß Diener und Kind
Zur Kirche, Predigt und Gottesdienst gehn
Oder zur Messe früh aufstehn.
Den Met wolln sie erst recht auskochen,
Den sie gesotten in der Wochen.
Ein jedes Handwerk paßt dazu,
Daß es am Feiertag nicht ruh';
Man ist auf den Pfennig so erpicht,
Als tagte der Erde kein neues Licht.
Ein Teil steht schwätzend auf den Gassen,
Die andern sitzen beim Spielen und Prassen,
Und manchem im Wein da mehr zerrinnt,
Als er in der Woche mit Arbeit gewinnt.
Der muß ein Geizhals und Stümper sein,
Wer nicht will sitzen bei dem Wein
So Tag wie Nacht, bis die Katze kräht
Oder die Morgenluft kühl weht.
Die Juden spotten unser sehr,
Daß wir dem Feiertag solche Ehr
Antun, den sie so heilig schätzen,
Daß ich ins Narrenschiff sie setzen
Nicht wollte, falls sie nicht all Stund
Sonst irrten wie ein toller Hund.
Ein Armer Holz am Feiertag las
Und ward gesteinigt allein um das.
Die Makkabäer wollten mit Waffen
Am Feiertag nichts haben zu schaffen,
Ob man auch viele schlug zu Tod.
Man sammelte nicht das Himmelsbrot
Am Feiertag, weil Gott so gebot.
Aber wir arbeiten ohne Not
Und verschieben viel auf den Feiertag,
Was man nicht wochentags schaffen mag.
O Narr, den Feiertag halt und ehr!
Es gibt noch Werktag viel und mehr,
Wenn du schon faulest in dem Grund.
Habsucht macht alle Laster kund!


96.
Der ist ein Narr, der klaget an
Das, was er nicht mehr ändern kann;
Ihn reut auch, daß von ihm geschehn
Dem Gutes, ders nicht kann verstehn.
Schenken und Bereuen

Der ist ein Narr, der schenket Gut
Und es nicht gibt mit frohem Mut
Und dazu sauer und böse sieht,
Daß keinem Liebes damit geschieht;
Denn der verliert wohl Dank wie Gabe,
Wer so bedauert verschenkte Habe.
So ist auch der, der etwas schenkt,
Dabei an Gottes Willen denkt,
Und doch hat Reu und Leid davon,
Wenn Gott ihm nicht gleich gibt den Lohn.
Wer will mit Ehren Geschenke machen,
Der tu's als guter Geselle mit Lachen
Und sprech nicht: »Zwar, ich tu's nicht gern!«
Will er nicht Dank und Lohn entbehrn.
Denn Gott sieht dessen Gab nicht an,
Der nicht mit Freuden schenken kann;
Das Seine mag jeder behalten wohl,
Zum Schenken man niemand zwingen soll;
Allein aus freiem Herzen kommt
Geschenk, das einem jeden frommt.
Der Dank gar selten verlorengeht;
Wenn er zuweilen auch kommt spät,
So pflegt sich alles doch zu schlichten
Und nach der Ordnung einzurichten.
Mag einer keinen Dank auch sagen,
So find't man gegen solch Betragen
Bald einen dankbar weisen Mann,
Der alles wohl vergelten kann.
Doch wer vorhält geschenkte Gaben,
Der will den Händedruck nicht haben
Und will nicht warten aufs Vergelten;
Geschenk vorrücken muß man schelten.
Den sieht man über die Achseln an,
Wer seine Wohltat vorhalten kann:
Er selbst gewinnt nicht mehr daran.


97.
Man findet Trägheit überall,
Bei Knechten und Mägden allzumal;
Die kann man nicht genugsam lohnen,
Obwohl sie sich doch selbst gut schonen.
Von Trägheit und Faulheit

Kein größrer Narr in jeder Sach
Ist, als der stets kann tun gemach
Und ist so träg, daß ihm verbrennt
Sein Schienbein, eh er um sich wend't.
Wie Rauch den Augen ist nicht gut,
Wie Essig weh den Zähnen tut,
So zeigt der Faule und der Träge
Sich denen, die ihn sandten Wege.
Ein träger Mensch ist keinem nutz,
Als daß er ist ein Winterbutz,
Und daß er schlafen darf genug;
Beim Ofen sitzen ist sein Fug.
Selig, wer mit der Hacke schafft,
Doch Müßiggang ist narrenhaft.
Die Müßiggänger straft der Herr,
Der Arbeit gibt er Lohn und Ehr.
Der bös Feind nimmt der Trägheit wahr
Und streut bald seinen Samen dar.
Trägheit – die Ursach allen Fehls –
Ließ murren die Kinder Israels;
David übt' Ehebruch und Totschlag,
Dieweil er träg und müßig lag;
Weil man Karthago ganz verheert,
Geschahs, daß Rom auch ward zerstört,
Viel größern Schaden Rom empfing,
Indem Karthago unterging,
Als es davor im Kampf erfahren
Mit ihm vor hundertsechzehn Jahren. .
Der Träge geht nicht gern herfür,
Er spricht: »Der Löwe steht vor der Tür!«
Zu Haus hält ihn ein toller Hund;
Faulheit ersinnt bald einen Grund.
Faulheit sich hin und wider dreht,
So wie die Tür in der Angel geht.


98.
Hier hab ich gestellt noch viel zusammen,
Die Narren sind auch nach dem Namen,
Deren andre Narren sich doch schamen.
Von ausländischen Narren

Noch sonst gibts viel unnütze Leute,
Die tragen häßliche Narrenhäute
Und sind darin verwachsen ganz,
Gebunden auf des Teufels Schwanz,
Und wollen nicht davon abstehn.
Vorbei will ich mit Schweigen gehn,
Will lassen sie in Narrheit bleiben,
Von ihrer Torheit wenig schreiben:
Die Sarazenen, Türken, Heiden,
All die, so sich vom Glauben scheiden;
Dazu kommt noch die Ketzerschul'
In Prag auf ihrem Narrenstuhl,
Die so verbreitet ihren Stand,
Daß sie jetzt hat auch Mährenland.
Schlimm in die Narrenkappe treten
Sie wie all die, so anders beten
Als zu dem dreigeeinten Gott,
Denen unser Glaube ist ein Spott.
Die halt ich nicht für schlichte Narren:
Sie müssen auf der Kapp verharren;
So offenbar ihre Narrheit ist,
Daß jedem Tuch zur Kappe gebrist.
Hierher gehörn, die Zweifel drückt
Und die des Teufels Band umstrickt:
Wie törichte Fraun und böse Weiber,
Alle Kupplerinnen und Pfauentreiber
Und andere, die in Sünden sind,
In ihrer Narrheit taub und blind.
Auch will ich derer hier gedenken,
Die selbst sich töten oder henken,
Kinder abtreiben und ertränken.
Die sind Gesetz und Gebot nicht wert,
Durch Scherz und Ernst niemals belehrt,
Doch gehören sie in der Narren Zahl,
Die Narrheit gibt ihnen Kappen all.


99.
Ich bitt euch Herren, groß und kleine,
Bedenkt den Nutzen der Gemeine!
Laßt mir die Narrenkapp alleine!
Vom Verfall des Glaubens



Wenn ich der Säumnis denk und Schande,
Die man jetzt spürt im ganzen Lande,
Durch Fürsten, Herren, Lande, Städte,
Kein Wunder wärs, wenn ich drob hätte
Die Augen ganz von Tränen voll,
Daß man so schmählich sehen soll
Den Christenglauben nehmen ab.
Verzeih man mir, daß ich schon hab
Die Fürsten auch hierher gesetzt!
Wir erfahren leider deutlich jetzt
Des Christenglaubens Not und Klage,
Der mindert sich von Tag zu Tage.
Zum ersten hat der Ketzer Heer
Zerrissen und zerstört ihn sehr;
Darnach hat Mohameds böser Sinn
Noch mehr und mehr verwüstet ihn;
Mit Irrlehr den in Schand gebracht,
Der sonst im Orient stark an Macht,
Als gläubig war ganz Asia,
Der Mohren Land und Afrika.
Jetzt haben dort wir gar nichts mehr;
Das schmerzt selbst einen Stein gar sehr,
Daß wir verlorn zu unsrer Schand
In Kleinasien und Griechenland,
Was man die Großtürkei jetzt nennt,
Das ist dem Glauben abgetrennt;
Da sind die sieben Kirchen gewesen,
Davon wir bei Johannes lesen,
Da ist ein so gut Land verloren,
Daß es die Welt wohl hätt verschworen. .
Zudem hat man in Europa seither
Verloren in kurzer Zeit noch mehr:
Zwei Kaisertümer, nebst Königreichen,
Viel mächtig Land und Stadt desgleichen,
Konstantinopel, Trapezunt,
Die Lande sind aller Welt wohl kund,
Achaia und Aetolia,
Böotia, Thessalia,
Samt Thrazia, Mazedonia,
Beid' Mysia und Attika,
Auch Tribulos und Scordiscos,
Bastarnas auch und Tauricos,
Euböa oder Nigrapont,
Auch Pera, Kaffa und Idront,
Ohn anderen Verlust und Schaden,
Den wir uns sonst noch aufgeladen
In Steier, Kärnten und Kroatia,
In Morea und Dalmatia,
In Ungarn und in Windischmark.
Jetzt sind die Türken also stark:
Sie haben nicht das Meer allein,
Die Donau auch gehört ihrer Gemein.
Sie brechen ein in alle Lande,
Bistümer, Kirchen stehn in Schande:
Jetzt greift er an Apulia,
Darnach gar bald Sizilia,
Italia, die grenzt daran,
Wie leicht gelangt nach Rom er dann,
Nach Lombardei und welschem Land!
So ist der Feind uns an der Hand:
Doch möchten schlafend sterben all!
Der Wolf ist wahrlich in dem Stall
Und raubt der heilgen Kirche Schafe,
Dieweil der Hirte liegt im Schlafe.
Die Römische Kirche vier Schwestern hat
Samt Patriarchen in der Stadt
Konstantinopel, Alexandria,
Jerusalem, Antiochia,
Die sind ihr gänzlich jetzt geraubt,
Es geht nun bald auch an das Haupt.
All das ist unsrer Sünden Schuld,
Keins mit dem andern hat Geduld
Oder leidet mit dessen Schwere,
Jeder wollt, daß sie größer wäre.
Es geschieht uns, wie den Ochsen geschah,
Als ruhig einer zum andern sah,
Bis daß der Wolf sie alle zerrissen.
Da hat auch der letzte schwitzen müssen.
Es greift jetzt jeder mit der Hand,
Ob kalt noch sei die Mauer und Wand,
Und denkt nicht, daß er lösche aus
Das Feuer, ehe es komm in sein Haus;
Dann kommt zu spät ihm Reu und Leid.
Zwietracht und Ungehorsamkeit
Zerstört der Christen Glauben und Gut;
Unnütz vergießt man Christenblut.
Niemand bedenkt, wie nah es ihm sei,
Wähnt noch zu bleiben allweg frei,
Bis das Unglück kommt vor seine Tür:
Dann steckt er erst den Kopf herfür.
Europas Pforten offen sind:
Es bringt uns Feinde jeder Wind,
Denen scheint nicht Schlaf noch Ruhe gut:
Es dürstet sie nach Christenblut. –
O Rom! Als einst die Könige waren,
Da warst du leibeigen in langen Jahren;
Zur Freiheit wardst du hingeführt,
Als dich gemeiner Rat regiert.
Doch als auf Hoffart man bedacht,
Auf Reichtum und auf große Macht,
Und Bürger wider Bürger stritt,
Dacht' man gemeinen Nutzens nit,
Da fing die Macht zu zerfallen an,
Wardst einem Kaiser untertan,
Mußtest unter solchem Schutz und Schein
An fünfzehnhundert Jahre sein
Und bist doch stets herabgekommen,
Hast wie das Mondlicht abgenommen,
Wenns schwindet und ihm Schein gebrist,
So daß jetzt wenig an dir ist.
Wollt Gott, es wüchs' das Römsche Reich,
Damit es war dem Mond ganz gleich!
Doch den dünkt nicht, daß er was hab,
Ders nicht dem Römischen Reich bricht ab.
Es hält der Sarazenen Hand
Das heilige, gelobte Land;
Der Türke hat darnach so viel,
Daß man beim Zählen fand kein Ziel.
Viel Städte brachten sich in Wehr
Und achten jetzt keines Kaisers mehr;
Ein jeder Fürst der Gans bricht ab,
Daß er 'ne Feder davon hab;
Darum ist es nicht Wunder groß,
Daß auch das Reich so nackt und bloß.
Man schärft zunächst es jedem ein,
Daß er nicht fordern soll was sein
Und jeden lassen in seiner Statt,
Wie ers bisher gebrauchet hat.
Um Gott, ihr Fürsten, sehet an,
Welch Schaden daraus entstehen kann,
Wenn so herunter kommt das Reich!
Ein gleiches Schicksal trifft bald euch!
Ein jedes Ding mehr Stärke hat,
Wenn beieinander fest es staht,
Als wenn es soll zerteilet sein.
Einhelligkeit in der Gemein'
Das Wachstum aller Dinge macht,
Doch wenn Mißhelligkeit erwacht,
Werden auch große Dinge zerstört.
Der Deutschen Name war hochgeehrt
Und hat erworben durch solchen Ruhm,
Daß man ihnen gab das Kaisertum.
Aber die Deutschen verwandten Fleiß,
Zu vernichten des eignen Reiches Preis.
Damit das Gestüte Zerstörung hab,
Bissen die Pferde die Schwänze sich ab.
Jetzt auf den Füßen wahrlich ist
Der Cerastes und Basilist.
Gar mancher wird vergiften sich,
Wer Gift dem Reich gibt schmeichlerisch.
Aber ihr Herren, Könige, Lande,
Wollt nicht gestatten solche Schande!
Wollet dem Römischen Reich beistehn,
So kann das Schiff noch aufrecht gehn!
Ihr habt fürwahr einen König mild,
Der euch wohl führt mit Ritterschild,
Der zwingen kann all Land gemein,
Wenn ihr ihm helfen wollt allein:
Der edle Fürst Maximilian
Die Römische Krone würdig gewann,
Dem kommt ohn Zweifel in die Hand
Die heilge Erd, das gelobte Land,
Er würde jeden Tag beginnen,
Könnt er nur trauen eurem Sinnen.
Werft von euch darum Schmach und Spott:
Denn kleinen Heeres waltet Gott.
Wiewohl verlor viel unsre Hand,
Sind doch noch so viel Christenland'
Und König, Fürsten, Adel, Gemein,
Sie können gewinnen wohl allein
Und zwingen bald die ganze Welt,
Wenn man nur fest zusammenhält,
Treu, Fried und Liebe gebrauchen tut,
Ich hoffe zu Gott, dann wird es gut!
Ihr seid Regierer doch der Lande,
So wacht und tut von euch die Schande,
Daß man euch nicht dem Schiffsmann gleicht,
Den auf dem Meer der Schlaf beschleicht,
Wenn Ungewitter ist in Sicht;
Oder dem Hunde; der bellet nicht;
Oder dem Wächter, der nicht wacht,
Auf das Vertraute hat nicht acht.
Steht auf, erwacht aus euerm Traum!
Die Axt liegt wahrlich an dem Baum!
Ach Gott, gib unsern Häuptern ein,
Daß sie begehrn die Ehre dein
Und nicht, was ihnen nütz' allein!
Dann will ich ohne Sorgen sein,
Du gebst uns Sieg in kurzen Tagen,
Darob wir ewig Lob dir sagen!
Ich mahn die Stände der ganzen Welt,
Wie ihre Würde auch bestellt,
Daß sie nicht tun wie Schiffersleut,
Die uneins sind und haben Streit,
Wenn sie sind mitten auf dem Meer
In Sturm und Ungewitter schwer,
Und eh sie werden eins der Fahrt,
Stößt schon ihr Schiff zu Grunde hart.
Wer Ohren hat, der merk und höre!
Das Schifflein schwanket auf dem Meere!
Wenn Christus jetzt nicht selber wacht,
Wird bald es werden um uns Nacht.
Drum ihr, die einst nach euerm Stand
Hat auserwählet Gottes Hand,
Daß ihr sollt stehen an der Spitze,
Gebt acht, daß Schmach nicht auf euch sitze!
Tut, was euch ziemt nach euerm Grade,
Damit nicht größer werd der Schade
Und Sonn und Mond verlier den Glanz
Und Haupt und Glieder schwinden ganz:

Es läßt sich recht besorglich an! –
Leb ich – ich mahn noch manchen dran,
Und wer nicht an mein Wort mag denken,
Dem will die Narrenkapp ich schenken!


100.
Wer jetzt vermag den Hengst zu streichen,
Sich bei Betrug behend zu zeigen,
Der meint, zuletzt vom Hof zu weichen.
Den falben Hengst streicheln



Ein Schiff mit Deck kam mir jetzt recht,
Darein setzt ich der Herren Knecht'
Und andre, die zu Hof gehn schlecken
Und heimlich bei den Herren stecken,
Damit sie säßen ganz alleine
Und ungedrängt von der Gemeine,
Denn die scheint ihnen da zum Leide.
Der klaubet Federn, der streicht Kreide,
Der liebkost, der raunt in das Ohr,
Daß er recht bald nur komm empor
Und sich mit Tellerschlecken nähre.
Durch Lügen mancher Herr gern wäre,
Den Kauz zu streicheln er versteht,
Mit falbem Hengst er wohl umgeht;
Zu blasen Mehl ist er geschwind,
Den Mantel hängt er nach dem Wind;
Zutragen hilft jetzt manchem vor,
Der sonst blieb lange vor dem Tor.
Wer Wolle mischen kann und Haar,
Der bleibt bei Hofe gern fürwahr;
Dort ist er wahrlich lieb und wert,
Wo Ehrbarkeit man nicht begehrt.
Mit Torheit alle sich befassen,
Wollen mir die Narrenkapp nicht lassen.
Doch streichelt mancher zu derbe auch,
Daß ihn der Hengst schlägt vor den Bauch
Oder ihm gibt einen Tritt in die Rippen,
Daß ihm der Teller fällt in die Krippen.
Man könnte solcher wohl ledig gehen,
Wenn man sonst Weisheit wollt verstehn;
Wenn jeder wäre, wie er sich stellt,
Den man für fromm und redlich hält,
Oder sich stellte, wie er wär:
– Viel Narrenkappen stünden leer.


101.
Als leichtfertig nenn ich euch jetzt
Den, welcher glaubt, was jeder schwätzt:
Ein Klatschmaul viele Leut verhetzt.
Vom Ohrenblasen

Der ist ein Narr, der leichtlich glaubt
Alles Geschwätz und stopft's in sein Haupt;
Das sind die Zeichen eines Toren,
Hat einer dünn und weit die Ohren.
Man hält für redlich nicht den Mann,
Der einen hinterrücks greift an
Und gibt ihm wortlos einen Schlag,
Daß der sich nicht zu wehrn vermag;
Aber verleumden hinter dem Rücken
Gehört jetzt zu den Meisterstücken,
Die man nicht leicht abwehren kann.
Das tut jetzt treiben jedermann
Mit Afterreden, Abschneiden der Ehr,
Verraten und dergleichen mehr;
Das kann man schminken und verklügen,
Daß man könn' desto mehr betrügen
Und schaffen, daß mans glaubet eh'r;
Den andern Teil hört man nicht mehr.
Ein Urteil über manchen geht,
Der nie vor einem Richter steht,
Der seine Unschuld nicht erwies,
Weil man im Sack ihn ersticken ließ,
Wie Haman Mardochäus tat,
Siba der Knecht – Mephibosath.
Groß Lob man Alexander zollte,
Weil er nicht leichtlich glauben wollte,
Als man verklagte Jonatham.
Rasch glauben nie gut Ende nahm:
Der Gnad war Adam nicht beraubt,
Hätt er nicht rasch der Frau geglaubt
Und sie der Schlange klugem Wort.
Wer rasch glaubt, stiftet oftmals Mord.
Nicht jedem Geist man glauben soll,
Die Welt ist falsch und Lügens voll:
Der Rabe bleibt doch schwarz wie Kohl'.


102.
Man spürt wohl in der Alchemei
Und in des Weines Arzenei,
Welch Lug und Trug auf Erden sei.
Von Fälscherei und Beschiß



Betrüger sind und Fälscher viel,
Die passen recht zum Narrenspiel;
Falsch Lieb, falsch Rat, falsch Freund, falsch Geld:
Voll Untreu ist jetzt ganz die Welt!
Die Bruderlieb ist tot und blind,
Auf Trug und Blendwerk jeder sinnt;
Man will nur ohn Verlust erwerben,
Wenn hundert auch dabei verderben.
Keine Ehrbarkeit sieht man mehr an,
Man läßt es über die Seele gahn,
Wenn eines Dings man nur wird ledig;
Wer drüber stirbt – dem sei Gott gnädig!
Man läßt den Wein nicht rein mehr bleiben:
Viel Fälschung tut man mit ihm treiben,
Salpeter, Schwefel, Totenbein,
Pottasche, Senf, Milch, Kraut unrein
Stößt man durchs Spundloch in das Faß.
Die schwangern Frauen trinken das,
So daß vorzeitig sie gebären.
Elenden Anblick uns gewähren.
Es kommt viel Krankheit auch daraus,
Daß mancher fährt ins Totenhaus.
Man tut ein lahm Roß jetzt beschlagen,
Dem doch gebührt der Schinderwagen;
Das muß noch lernen auf Filzen stehn,
Als sollt es nachts zur Mette gehn,
Wenn es vor Schwäche auch hinkt und fällt,
Schlägt man daraus doch jetzt viel Geld,
Damit beschissen werde die Welt.
Man hat klein Maß und klein Gewicht,
Die Ellen sind kurz zugericht't,
Der Laden muß ganz finster sein,
Daß man nicht seh des Tuches Schein,
Und während einer sieht sich an
Die Narrn, die auf dem Laden stahn,
Gibt man der Waage einen Druck,
Daß sie sich zu der Erden buck',
Und fragt, wieviel der Käufer heische?
Den Daumen wiegt man zu dem Fleische.
Man pflügt den Weg zur Furche jetzt,
Die alte Münz' ist abgewetzt
Und könnt nicht lange Zeit bestehn,
Wär nicht ein Zusatz ihr geschehn.
Die Münze schwächt sich nicht allein,
Falsch Geld ist worden jetzt gemein
Und falscher Rat; falsch Geistlichkeit
Macht sich mit Mönch, Beghin, Blotzbruder breit:
Viel Wölfe gehn in Schafeskleid.
Damit ich nicht vergeß hiebei
Den großen Beschiß der Alchemei,
Die Gold und Silber hat gemacht,
Das man zuvor ins Stöcklein gebracht.
Sie gaukeln und betrügen' grob;
Sie zeigen vorher eine Prob',
So wird bald eine Unke draus.
Der Guckaus manchen treibt vom Haus;
Wer vordem sanft und trocken saß,
Der stößt sein Gut ins Affenglas,
Bis ers zu Pulver so verbrennt,
Daß er sich selber nicht mehr kennt.
Viel haben sich also verdorben,
Gar wen'ge haben Gut erworben,
Denn Aristoteles schon spricht:
»Die Gestalt der Dinge wandelt sich nicht!«
Viel fallen schwer in diese Sucht
Und haben doch draus wenig Frucht.
Man richtet Kupfer zu für Gold,
Mausdreck man untern Pfeffer rollt;
Man kann jetzt alles Pelzwerk färben
Und tut es auf das schlechtste gerben,
Daß es behält gar wenig Haar,
Wenn mans kaum trägt ein Vierteljahr.
Zeismäuse geben Bisam viel,
Der stinkt dann ohne Maß und Ziel;
Die faulen Heringe man mischt
Und sie als frische dann auftischt.
All Gassen sind Verkäufer voll,
Denn Trödel treiben schmeckt gar wohl,
Da alt und neu man mengen kann.
Mit Täuschung geht um jedermann:
Kein Kaufmannsgut steht fest im Wert,
Ein jeder Trug zu treiben begehrt,
Daß seinen Kram er nur setz ab,
Ob der auch Gall und Spatbein hab.
Selig ohn Zweifel ist jetzt der Mann,
Der sich vor Falschheit hüten kann!
Die Eltern betrügt das eigne Kind,
Der Vater ist für die Sippschaft blind,
Wirt trügt den Gast und Gast den Wirt.
Untreu, Beschiß man überall spürt.
Das bereitet dem Antichristen den Lauf:
Der treibt in Falschheit all seinen Kauf,
Denn was er denkt, heißt, tut und lehrt,
Ist nichts als falsch, untreu, verkehrt.


103.
Vom Antichrist



Nachdem ich die voran gelassen,
Die da mit Falschheit sich befassen,
Find ich nun erst die rechten Knaben,
Die um das Narrenschiff her traben
Und sich und andre viel betrügen,
Die Heilge Schrift verkrümmen und biegen;
Die geben erst dem Glauben Püff'
Und netzen das papierne Schiff;
Ein jeder reißet etwas ab,
Daß desto weniger Bord es hab,
Nimmt Ruder und Riemen weg davon,
Daß ihm der Untergang mög' drohn.
Viele sind in ihrem Sinn so klug,
Die dünken weise sich genug,
Aus eigener Vernunft Einfall
Die Heilge Schrift zu deuten all,
Darin sie fehlen doch gar sehr,
Und wird gestraft ihre falsche Lehr.
Denn sie könnten aus andern Schriften wohl
– Deren allenthalben die Welt ist voll –
Genugsam unterrichten sich,
Wenn sie nicht wollten sonderlich
Gesehen sein vor andern Leuten;
Dabei fährt irr das Schiff zuzeiten.
Man kann dieselben trunken nennen,
Da sie die Wahrheit wohl erkennen
Und doch das Schiff umkehren ganz,
Zu zeigen ihren Schein und Glanz.
Das ist der falschen Propheten Lehr,
Vor denen sich hüten heißt der Herr,
Welche anders die Schrift umkehren,
Als sie der heilge Geist tut lehren;
Deren Hände führen falsche Waagen,
Drauf legen sie nach ihrem Behagen,
Machen eines leicht und andres schwer,
Darunter der Glaube leidet sehr.
Inmitten der Verkehrten wir stehn;
Man kann den Skorpion schon sehn
Sich regen, gereizt von solcher Macht,
Die Ezechiel vorausgesagt. .
Die das Gesetz hier übertreten
Und zu dem Antichristen beten,
Die schaffen ihm gar viel voraus;
Wenn seine Jahre sind dann aus,
So hat er viel, die bei ihm stehn
Und mit ihm in der Falschheit gehn.
Deren hat er viele in der Welt!
Wenn er austeilen wird sein Geld
Und an das Licht die Schätze bringen,
Braucht er nicht viel mit Streichen zwingen:
Die Mehrzahl wird selbst zu ihm laufen,
Durch Geld wird er sich viele kaufen,
Die helfen ihm, damit er dann
Die Guten zu Falle bringen kann –
Doch werden lange sie's nicht machen,
Ihnen wird bald fehlen Schiff und Nachen,
Wiewohl sie fahren um und um –
Er wird die Wahrheit machen krumm,
Die wird zuletzt doch Wahrheit bleiben
Und wird die Falschheit ganz vertreiben,
Die jetzo herrscht in jedem Stand.
Ich fürcht, das Schiff kommt nicht zum Land.
Sankt Peters Schifflein schwanket sehr,
Ich sorg den Untergang im Meer,
Die Wellen schlagen allseits dran,
Ihm wird viel Sturm und Plage nahn.
Gar wenig Wahrheit man jetzt hört,
Die Heilige Schrift wird ganz verkehrt
Und jetzt viel anders ausgelegt,
Als sie der Mund der Wahrheit hegt.
Verzeih mir recht, wen dies betrifft!
Der Antichrist kommt angeschifft,
Hat seine Botschaft ausgesandt,
Falschheit verkündigt durch das Land,
Denn falscher Glaub und falsche Lehr,
Die wachsen von Tag zu Tage mehr,
Wozu die Drucker tüchtig steuern.
Man könnte manches Buch verfeuern
Mit Unrecht viel und Falsch darin.
Viele denken einzig auf Gewinn;
Nach Büchern überall sie trachten,
Doch Korrektur sie wenig achten;
Auf großen Beschiß sie jetzt studieren,
Viel drucken, wenig korrigieren,
Die schauen übel auf die Sachen,
Wenn Männlein sie um Männlein machen!
Sie tun sich selber Schaden und Schande,
Gar mancher druckt sich aus dem Lande,
Die kann das Schiff dann nicht mehr tragen,
Sie müssen an den Narrenwagen,
Wo einer kann den andern jagen.
Die Zeit, sie kommt! Es kommt die Zeit!
Ich fürcht, der Endchrist ist nicht weit!
Man merke dies und nehme wahr:
Auf drei Dingen steht der Glaube gar,
Auf Ablaß, Büchern und auf Lehr,
Deren man jetzt schätzt keines mehr.
Vielheit der Schrift spürt man dabei:
Wer merkt die Menge Druckerei!
Ein jedes Buch wird vorgebracht,
Was unsre Eltern je gemacht;
Deren sind jetzt so viel an Zahl,
Daß sie nichts gelten überall,
Daß man sie schier nicht achtet mehr,
Und ähnlich ist es mit der Lehr;
So viele Schulen man nie fand,
Als man jetzt hat in jedem Land;
Fast ist auf Erden keine Stadt,
Die nicht 'ne hohe Schule hat,
Da gibts auch viel gelehrte Leut,
Die man jetzt achtet keinen Deut.
Die Wissenschaft verachtet man
Und sieht sie über die Achseln an;
Die Gelehrten müssen sich schier schamen,
Zu tragen ihr Kleid und ihren Namen,
Die Bauern zieht man jetzt herfür,
Die Gelehrten müssen hinter die Tür.
Man spricht: »Schau an den Schluderaffen!
Der Teufel bescheißt uns wohl mit Pfaffen!«
Das ist ein Zeichen, daß die Kunst
Nicht Ehre mehr hat noch Lieb und Gunst.
Drum wird auch schwinden bald die Lehre,
Denn Kunst gespeiset wird durch Ehre
Und will man sie nicht hoch mehr achten,
So werden wenig nach ihr trachten.
Der Ablaß ist so ganz unwert,
Daß niemand seiner mehr begehrt;
Niemand will mehr den Ablaß suchen,
Ja, mancher möcht ihn sich nicht fluchen,
Und mancher gäb keinen Pfennig aus,
Wenn ihm der Ablaß käm ins Haus,
Und wird ihm doch einst jagen nach,
Erreicht ihn ferner als zu Aach .
Darum dasselbe uns einst droht
Wie denen mit dem Himmelsbrot, Die waren dessen übersatt,
Sie sprachen: ihre Seel sei matt;
Und was gegeben ihnen Gott,
War ihnen unnütz und ein Spott;
So tut man mit dem Ablaß auch,
Den schätzt gering gar mancher Gauch.
Daraus entnehm ich den Bericht:
Es ist der Glaube wie ein Licht,
Eh das will ganz erloschen sein,
Gibt es noch einmal Glanz und Schein.
Daher ich frei es sagen mag:
Es naht sich uns der Jüngste Tag!
Weil man das Licht der Gnad veracht't,
Wird es bald gänzlich werden Nacht,
Und was man nie zuvor gehört:
Das Schiff den Kiel nach oben kehrt.


104.
Wer Schmeichelns halb und um Drohworte
Die Wahrheit bringt zum dunkeln Orte,
Der klopft dem Endchrist an die Pforte.
Wahrheit verschweigen

Der ist ein Narr, der sich verkehrt
In seinem Geist, so man anfährt
Und mit Gewalt ihn zwingen will,
Daß er von Wahrheit schweige still
Und Weisheit unterwegen lasse
Und wandeln soll der Torheit Gasse,
Auf welcher ohne Zweifel fährt,
Wer sich an solche Drohung kehrt.
Denn Gott ist doch auf seiner Seiten
Und schirmet den zu allen Zeiten,
Der von der Wahrheit sich nicht scheidet,
So daß zu keiner Frist ausgleitet
Sein Fuß. Wer in der Wahrheit bleibt,
Bald alle Feinde von sich treibt.
Ein Weiser stimmt der Wahrheit zu,
Selbst wenn er sähe Phalaris' Kuh.
Wer nicht kann bei der Wahrheit stehn,
Der muß den Weg der Torheit gehn.
Tät Jonas zeitig Wahrheit kund,
Verschluckt' ihn nicht des Fisches Schlund;
Die Wahrheit hoch Elias pries
Und fuhr darum ins Paradies;
Johannes floh der Narren Haufen,
Drum ließ sich Christus von ihm taufen.
Wer einen tadelt mit sanftem Sinn
Und dieser nimmts nicht gleich gut hin,
So wird doch wohl die Stunde kommen,
Wo dieser merkt, es sollt ihm frommen,
Und größern Dank für Scheltwort sagt
Als für Geschwätz, das ihm behagt.
Daniel Geschenk nicht nehmen wollte,
Als er Belsazar sagen sollte
Und ihm die Wahrheit legen aus;
Er sprach: »Dein Geld bleib deinem Haus!«
Der Engel hinderte Bileam
Darum, weil er die Gaben nahm
Und wollte nicht die Wahrheit ehren;
Drum mußte sich sein Wort verkehren,
Der Esel strafen den, der ritt.
Zwei Dinge kann man bergen nit,
Und ewig schauet man das Dritt':
Eine Stadt gebauet auf der Höhe,
Einen Narren, er stehe, sitze, gehe,
Kennt man nach Wesen und Bescheid;
Wahrheit sieht man in Ewigkeit,
Die wird fürwahr nie wertlos sein,
Und wenn sich Narren den Hals abschrein.
Wahrheit ehrt man durch alle Lande;
Der Narren Freud ist Spott und Schande.
Man rannte mich gar oftmals an,
Als ich dies Schiff zu baun begann,
Ich sollt es doch ein wenig färben
Und nicht mit Eichenrinde gerben,
Sondern mit Lindensaft auch schmieren,
Etliche Dinge drin glossieren;
Aber ich ließ' sie alle erfrieren,
Eh ich anderes schrieb' als Wahrheit.
Wahrheit, die bleibt in Ewigkeit
Und wird stets jedem sichtbar bleiben,
Tät ich auch nicht dies Büchlein schreiben.
Wahrheit ist stärker als alle, die
Mich wollen verleumden oder sie.
Wenn ich mich hätte daran gekehrt,
So hätt ich die Zahl der Narren vermehrt,
Mit denen mein Schiff jetzt stattlich fährt.


105.
Wer will der Wahrheit Beistand leisten,
Der hat Verfolger wohl am meisten,
Die ihm zu wehren sich erdreisten.
Verhinderung des Guten

Der ist ein Narr durch all sein Blut,
Wer hindert, daß ein andrer tut
Das Gute, und sich untersteht
Zu wehren, was ihn nicht angeht,
Und gern sieht, daß ein andrer sei
Ihm gleich und auch im Narrenbrei.
Denn Narren alle Zeit die hassen,
Die sich mit guten Dingen befassen.
Ein Tor den andern nicht gern sieht;
Jedoch dem rechten Toren geschieht,
Daß er sich freut, wenn er nimmt wahr,
Daß er nicht sei allein ein Narr;
Darum er allzeit sich befleißt,
Daß jedermann ein Narr auch heißt;
Er sinnt, um nicht der Narr allein
Mit Kolben und mit Kapp zu sein.
Sieht er nun einen, der da will
Recht tun und sein in Weisheit still,
So spricht er: »Schau den Duckelmäuser!
Er will allein sein ein Kartäuser
Und treibt solch heuchlerischen Rat,
Weil er an Gott verzweifelt hat!
Wir wollen ja doch auch erwerben,
Daß Gott uns läßt in Gnaden sterben,
Wie er, obgleich er Tag und Nacht
Liegt auf den Knien, betet und wacht;
Er will nur fasten und Zellen bauen,
Wagt weder Gott noch der Welt zu trauen!
Gott hat uns darum nicht geschaffen,
Daß wir Mönche werden oder Pfaffen,
Und zumal, daß wir uns sollten entschlagen
Der Welt! Wir wollen nicht Kutte tragen
Noch Kappe! – sie habe denn Schellen auch!
Schaut an den Narren und den Gauch!
Er hätte noch in der Welt getan
Viel Gutes und größern Lohn empfahn
Als jetzo, hätt er sich belehrt
Und zu dem Wege des Heils bekehrt,
Als daß er da liegt wie ein Schwein
Und mästet sich in der Zelle sein,
Versagt sich auch noch sonst gar viel
Und hat nicht Freude an Scherz und Spiel.
Sollte, wie er tut, jedermann
Ziehn in der Kartause die Kutte an,
Wer wollte die Welt denn weiter mehren?
Die Leute weisen und belehren?
Es ist Gottes Wille und Meinung nicht,
Daß man der Welt so tue Verzicht
Und auf sich selbst allein hab acht!«
So reden die Narren Tag und Nacht,
Denen die Welt ist all ihr Teil,
Drum suchen sie nicht der Seele Heil.
Hör zu! Wärst du auch weis und klug,
Es wären dennoch Narren genug;
Wenn du auch hättest Mönchsgewand,
Es gäbe der Narren mehr im Land.
Doch wäre dir ein jeder gleich,
So wäre kein Mensch im Himmelreich;
Wenn du auch wärst ein kluger Geselle,
So führen dennoch genug zur Hölle.
Wenn ich zwei Seelen hätt in mir,
Setzt' eine ich wohl den Narren für,
Aber so hab ich eine allein
Und muß in Sorgen um diese sein:
Gott hat mit Belial nichts gemein!


106.
Wem es an Öl hier nicht gebricht,
Wer leuchten läßt der Ampel Licht,
Dem fehlt die ewige Freude nicht.
Versäumnis guter Werke

Der ist ein Narr, der zu der Zeit,
Wenn Gottes Urteil ist bereit,
Urteilen muß mit eignem Mund,
Daß er verborgen hab sein Pfund,
Das ihm empfohlen Gott der Herr,
Damit er sollt gewinnen mehr.
Dem wird dasselbe genommen sein,
Und er geworfen in die Pein.
Desgleichen deren Ampel ist
Entleert, daß ihr das Öl gebrist,
Und die erst suchen ander Öl,
Wenn schon ausfahren will die Seel!
Vier kleine Dinge sind auf Erden,
Sind weiser doch als Menschen werden:
Die Ameis, die ihre Kraft nicht schont,
Das Häschen, das im Felsen wohnt;
Die Heuschreck, die keinen König wählt
Und zieht in Einheit doch ins Feld;
Die Eidechs geht auf Händen aus
Und wohnt doch in der Könige Haus.
Wer Honig find't und volle Waben,
Eß nur so viel, als ihn tut laben,
Und hüte sich zu fülln mit Süße,
Daß ers nicht wieder speien müsse.
Wenn auch ein Weiser jählings stirbt,
Die Seel ihm nimmermehr verdirbt,
Aber wer töricht und unklug denkt,
Verdirbt und wird dann eingesenkt
Und wohnt für ewig in dem Grabe.
Dem Fremden läßt er Seel und Habe.
Ein größrer Tor ward nie gemacht,
Als wer der Zukunft nicht hat acht
Und ewig schätzt zeitliches Gut.
Es brennt manch Baum in Höllenglut,
Der nicht wollt tragen Früchte gut.


107.
Zur rechten Hand sieht man die Krone,
Zur linken Hand die Kappe stehn;
Den letztern Weg die Narren gehn
Und kommen so zu schlimmem Lohne.
Vom Lohn der Weisheit

Nach Wissenschaft strebt mancher Tor,
Wie er bald Meister werd, Doktor,
Und ihn die Welt halt' für ein Licht,
Und kann doch das betrachten nicht,
Wie er die rechte Kunst erfährt,
Mit der er hin zum Himmel kehrt,
Und daß die Weisheit dieser Welt
Wie Torheit wird vor Gott gezählt.
Viel scheinen auf dem rechten Wege
Und irren sich doch an dem Stege,
Der zu dem wahren Leben führt.
Wohl dem, der auf dem Weg nicht irrt,
Wenn er ihn schon gefunden hat,
Denn oft geht ab ein Nebenpfad,
Daß einer bald kommt von der Straße,
Es sei denn, daß ihn Gott nicht lasse.
Der Jüngling Herkules bedachte,
Welchen Weg er für den rechten achte,
Ob er der Freude nach wollt gehn
Oder allein nach Tugend stehn?
In solchem Sinnen kamen zu ihm
Zwei Frauen, die er ohne Stimm
Erkannte an ihrem Wesen wohl:
Die eine war aller Freuden voll
Und schön geziert; mit Reden süß
Nur Freud und Lust sie ihm verhieß,
Deren End jedoch der Tod mit Weh,
Darnach nicht Lust noch Freude je.
Die andre bleich und ernst und strenge
War ohne Freude und Gepränge.
Sie sprach: »Nicht Wollust ich verheiße,
Nicht Ruh; nur Müh in deinem Schweiße!
Von Tugend schreit' zur Tugend fort,
Dann wird der ewige Lohn dir dort!«
Und dieser folgte Herkules froh;
Ruh, Wollust, Freud er allzeit floh.
Wollt Gott, da wir begehren alle
Zu leben, wie es uns gefalle,
Daß wir begehrten auch zugleich
Zu haben ein Leben tugendreich.
Wahrlich, wir flöhen manchen Steg,
Der uns führt auf den Narren weg!
Dieweil wir aber alle nicht wollen
Bedenken, wohin wir wenden uns sollen,
Und leben blinzelnd in der Nacht,
Haben wir des rechten Weges nicht acht,
Daß wir gar oft selbst wissen nit,
Wo uns hinführen unsre Tritt'.
Daraus entspringt dann jeden Tag,
Daß unser Plan uns reuen mag.
Erreicht man ihn, nicht ohn Beschwer,
Wünscht andres man nur um so mehr.
Das kommt allein daher, daß wir
Voll sind der angebornen Gier,
Wie uns das höchste Gut auf Erden
Unfehlbar möcht und endlich werden.
Dieweil das aber nicht kann sein
Und wir hier irren im finstern Schein,
Hat Gott gegeben uns das Licht
Der Weisheit, unserm Angesicht
Zu leuchten, Finsternis zu enden,
Wenn wir uns recht zu ihr hinwenden;
Sie zeigt uns bald, wie ganz verschieden
Von Weisheit Torenweg hienieden.
Der Weisheit stellte Plato nach,
Pythagoras, der Hohes sprach,
Und Sokrates – all die durch Lehre
Erworben ewig Ruhm und Ehre,
Und konnten sie doch nie ergründen:
Sie wollten sie auf Erden finden
Drum spricht von ihnen Gott der Herr:
»Ich will verwerfen Kunst und Lehr
Und Weisheit derer, die weis wollen sein,
Will lehren sie kleinen Kindelein!«
Das sind all die, die der Weisheit Gaben
Im Vaterland droben erworben haben;
Die solche Weisheit wurden gelehrt,
Die werden in Ewigkeit geehrt
Und scheinen wie das Firmament;
Wer da Gerechtigkeit erkennt
Und unterweist darinnen sich
Und andre mehr, den gleiche ich
Dem Luzifer vom Orient,
Dem Hesperus gen Okzident.
Bion der Meister uns erzählt,
Wie zu den Mägden sich gesellt,
Die um Penelope lang Zeit
Doch mit vergebner Müh gefreit;
So tun auch, die nicht können ganz
Begreifen rechter Weisheit Glanz,
Die kommen durch der Tugend Zier,
Die jener Magd ist, nah zu ihr.
Die Weltlust nimmt ein traurig Ende;
Ein jeder schau, wo er anlände.


108.
Gesellen, folgt uns unverwandt!
Wir fahren ins Schlaraffenland
Und stecken doch in Schlamm und Sand.
Das Schlaraffenschiff

Glaub nicht, wir seien Narrn allein:
Wir haben Brüder groß und klein;
In allen Landen, überall,
Ist endlos unsre Narrenzahl;
Wir fahren um durch jedes Land
Von Narrbon ins Schlaraffenland;
Wir wollen ziehn gen Montflascun
Und in das Land gen Narragun.
Wir suchen nach Häfen und Gestaden
Und fahren um mit großem Schaden
Und können doch nicht treffen an
Das Ufer, wo man landen kann;
All unser Fahren ist ohn Ende,
Denn keiner weiß, wo er anlände;
So fehlt uns Ruhe Tag und Nacht,
Doch keiner hat auf Weisheit acht.
Wir haben auch noch viel Kumpanen,
Trabanten und auch Kurtisanen,
Die unserm Hof stets nachgeschwommen
Und auch zuletzt ins Schiff noch kommen
Und mit uns fahren auf Gewinn.
Ohn Sorg, Vernunft, Weisheit und Sinn
Ist doch voll Sorge unsre Fahrt,
Denn wer hätt Sorgfalt wohl verwandt
Auf Tabelmarin und Kompaßstand
Oder das Stundenglas umgewandt?
Wer möchte nach den Sternen sehen,
Wohin Bootes, Ursa gehen,
Arkturus oder die Hyaden?
Drum treffen wir die Symplejaden,
Wo Felsen geben unserm Schiff
Von beiden Seiten Stöß' und Püff'
Und es so ganz zusammendrücken,
Daß wenigen kann Rettung glücken.
Durch Malfortunam wir uns wagen
Und werden kaum zu Land getragen,
Da uns Charybdis, Scylla, Syrte
Ganz aus der rechten Straße führte.
Drum nimmt es wunder nicht, wenn wir
Im Meere sehn manch Wundertier,
Wie die Delphine und Sirenen,
Die singen süße Kantilenen,
Die uns so fest in Schlaf versenken,
Daß an die Landung wir nicht denken.
Wir sehen – ob es auch nicht tauge –
Den Zyklops mit dem runden Auge,
Das ihm Ulyß einst ausgebrannt,
Der Schlaue, daß der ihn nicht fand
Und andern Schaden nicht erwies,
Als daß er ein Gebrüll ausstieß
Gleichwie ein Ochs, den man erschlagen.
Der Weise ließ still fort sich tragen
Und ließ ihn schreien, greinen, weinen,
Auch als er warf mit großen Steinen.
Dies Auge wächst ihm wieder sehr;
Sobald er sieht der Narren Heer,
Sperrt er es auf so hoch und breit:
Es wird wie sein Gesicht so weit;
Sein Maul spaziert zu beiden Ohren,
Damit verschluckt er manchen Toren.
Die andern, die ihm noch entweichen,
Wird bald Antiphates erreichen
Mit seinem Volk der Lästrygonen,
Die sicher keinen Narren schonen,
Denn ihre liebste Speise ist
Der Narren Fleisch zu jeder Frist,
Sie trinken Narrenblut für Wein.
Dort wird der Narren Herberg sein!
Homerus hat all dies erdacht,
Damit man gab auf Weisheit acht
Und sich nicht wagte leicht aufs Meer.
Hiermit lobt er Ulysses sehr,
Der manchen klugen Ratschlag gab,
Als man im Krieg vor Troja lag,
Und darauf zehen Jahre lang
Mit Glück durch alle Meere drang.
Als Circe mit des Tranks Gewalt
Den Genossen gab die Tiergestalt,
Da war Ulysses also weise,
Daß er nicht annahm Trank noch Speise,
Bis er die Falsche überböste
Und die Gesellen all erlöste
Mit einem Kraut, Moly genannt.
So half der Weise sich gewandt
Aus mancher Not in manchem Land,
Doch weil er wollte immer fahren,
Konnt er sich dauernd nicht bewahren:
Ihm kam zuletzt ein Widerwind,
Der ihm sein Schiff zerbrach geschwind,
Daß die Gefährten all ertranken.
Schiff, Ruder, Segel ganz versanken.
Doch Weisheit ihm zu Hilfe kam,
So daß er nackt ans Ufer schwamm
Und viel von Unglück konnte sagen.
Doch ward er von dem Sohn erschlagen,
Als er geklopft ans eigne Tor,
Da half ihm Weisheit nicht davor.
Er ward als Herr niemandem kund
Im ganzen Hof, als nur dem Hund,
Und starb darum, weil man nicht wollte
Ihn kennen, wie man billig sollte.
Doch komm ich auf unsre Fahrt zurück:
Wir suchen in tiefem Schlamm das Glück,
Drum wird uns Strandung bald zuteil,
Es bricht uns Mastbaum, Segel, Seil;
Wir können nicht im Meere schwimmen,
Die Wellen sind schlecht zu erklimmen,
Wenn einer wähnt, er sitze hoch,
So stoßen sie ihn zu Boden doch.
Der Wind, der treibt sie auf und nieder:
Das Narrenschiff kommt nimmer wieder,
Wenn es erst ganz versunken ist.
Wir haben weder Sinn noch List,
Um fortzuschwimmen zu Gestaden,
Wie einst Ulyß nach seinem Schaden,
Der brachte nackt mehr mit hinaus
Als er verlor und fand zu Haus.
Wir fahren auf Sandbank und Riff,
Die Wellen schlagen übers Schiff
Und nehmen uns Galeoten viel,
Bald sind die Schiffsleut auch ihr Ziel,
Um die Patrone ists geschehn.
Man kann das Schiff arg schwanken sehn;
Ein Wirbel wird es leicht bezwingen
Und Schiff und Mannschaft jäh verschlingen.
Wir sind all guten Rates bar,
Uns droht des Untergangs Gefahr,
Der Wind uns mit Gewalt hintreibt.
Ein weiser Mann zu Hause bleibt
Und nimmt an uns sich gute Lehr,
Wagt leichtsinnig sich nicht aufs Meer,
Er könne denn mit Winden streiten,
Wie Ulysses tat zu seinen Zeiten,
Und, will das Schiff auch untergehn,
Ans Land zu schwimmen doch verstehn.
Dieweil ertrinken Narren viel,
Sei der Weisheit Ufer unser Ziel,
Jeder nehm das Ruder in die Hände,
Damit er wisse, wo er lände;
Wer klug ist, kommt ans Land mit Fug:
Es gibt doch ohndies Narrn genug!
Der Klügste ist, wer selber wohl
Weiß, was man tun und lassen soll,
Den man nicht braucht zu unterweisen,
Der Weisheit tut von selber preisen;
Der ist auch klug, wer andre hört,
Wenn man ihn Zucht und Weisheit lehrt;
Wer aber davon allzumal
Nichts weiß, gehört zur Narrenzahl.
Ward er nicht in dies Schiff genommen,
So wird gar bald ein andres kommen,
Wo er Gesellschaft viel trifft an
Und Gaudeamus singen kann
Oder das Lied im Narrenton.
Viel Brüder müssen noch draußen stehn,
Auch das Schiff wird zu Grunde gehn.


109.
Der ist ein Narr, der nicht versteht,
Wenn Unheil ihm zu Handen geht,
Daß er sich weislich schicke drein:
Unglück will nicht mißachtet sein.
Mißachtung des Unheils

Manchem ist nicht bei Unglück wohl,
Der doch stets darnach sucht wie toll,
Drum soll er es nicht haben Wunder,
Wenn ihm das Schiff zuletzt geht unter:
Denn ist das Unglück noch so klein,
So kommt es selten doch allein,
Weil nach der Alten Spruch und Sage
Unglück und Haar wächst alle Tage.
Darum den Anfang man abwende,
Man weiß nicht, wohin neigt das Ende.
Wer auf das Meer sich wagen tut,
Der braucht wohl Glück und Wetter gut;
Denn hinter sich fährt der geschwind,
Wer schiffen will mit Widerwind;
Ein Weiser mit Fahrwind segeln lehrt,
Ein Narr gar bald sein Schiff umkehrt.
Der Weise hält in seiner Hand
Das Ruder und fährt leicht zu Land;
Ein Narr versteht sich nicht aufs Lenken,
Drum wird er leicht das Schiff versenken.
Ein Weiser sich und andre führt,
Ein Narr verdirbt, eh er es spürt.
Hätt nicht gefügt in weise Lehre
Sich Alexander auf hohem Meere,
Das ihm sein Schiff warf auf die Seit',
Und sich gerichtet nach der Zeit:
Er würd im Meer ertrunken sein
Und nicht gestorben an Gift im Wein.
Pompejus hatte Ruhm und Ehre,
Als er gereiniget die Meere
Und die Seeräuber all vertrieben,
Und ist doch in Ägypten blieben.
Wer Weisheit sowie Tugend fand,
Der schwimmet nackend wohl zum Land:
So spricht Sebastianus Brant.


110.
Ein Narr beklatscht wohl jedermann
Und hängt der Katz die Schelle an,
Und nimmt sich dessen doch nicht an.
Verleumdung des Guten

Gar manchem war es Herzenslabe,
Daß ich viel Narrn gesammelt habe;
Er nimmt daraus sich gute Lehre,
Wie er sich von der Narrheit kehre.
Dagegen ist es manchem Leid,
Der meint, ich sagte ihm Bescheid,
Und wagt doch laut zu reden nicht,
Drum schilt er nur auf das Gedicht
Und hängt der Katze an die Schellen,
Die ihm an beiden Ohren gellen.
Ein räudig Roß hält nicht lang still,
Wenn man es sauber striegeln will;
Wirft unter Hunde man ein Bein,
Schreit der Getroffene allein.
Ich bin mir dessen wohl bewußt,
Daß Narren schelten mich mit Lust
Und meinen, es ständ mir nicht zu,
Daß ich die Narrn nicht laß in Ruh
Und manchem zeige, was ihn plagt.
Ein jeder spricht, was ihm behagt,
Und klaget, wo ihn drückt der Schuh.
Sagt dir dies Narrenbuch nicht zu,
So laß es doch nur ruhig laufen,
Ich bitte keinen, es zu kaufen,
Er wolle denn klug werden draus
Und ziehen selbst die Kappe aus,
An der ich lang gezogen hab
Und zog sie ihm doch nicht ganz ab.
Wer tadelt, was er nicht versteht,
Der kauf dies Buch, eh es zu spät,
Da doch zu dem, was er verstand,
Noch jeder Lieb und Neigung fand.
Der ist ein Narr, wer sein will klug
Und tut der Wahrheit Widerspruch.


110 a.
Bei Tisch begeht man Grobheit viel,
Die zähl man auch zum Narrenspiel,
Von der zuletzt ich sprechen will.
Von schlechten Sitten bei Tische

Wenn ich die Narrheit ganz durchsuche,
Setz billig ich zuletzt im Buche
Etliche, die für Narrn man acht't,
An die zuvor ich nicht gedacht.
Denn ob sie schon viel Mißbrauch treiben
Und feiner Hofzucht treu nicht bleiben,
Auch grob und ungezogen sind,
So sind sie doch nicht also blind,
Daß sie die Ehrbarkeit verletzten,
Wie die, die wir zuvor hinsetzten;
Sie haben auch nicht Gott vergessen,
Sondern beim Trinken und beim Essen
Sind sie so grob und unerfahrn,
Daß man sie heißt bäurische Narrn.
Sie waschen ihre Hände nicht,
Wenn man die Mahlzeit zugericht't,
Oder wenn sie sich zu Tische setzen,
Sie andre in dem Platz verletzen,
Die vor ihnen sollten sein gesessen;
Vernunft und Hofzucht sie vergessen,
Daß man muß rufen: »Heda, munter,
Mein guter Freund, rück weiter runter!
Laß den dort sitzen an deiner Statt!«
Ein andrer nicht gesprochen hat
Den Segen über Brot und Wein,
Eh er bei Tische Gast will sein;
Ein andrer greift zuerst in die Schüssel
Und stößt das Essen in den Rüssel
Vor ehrbarn Leuten, Frauen, Herrn,
Die er vernünftig sollte ehrn,
Daß sie zum ersten griffen an
Und er nicht war zuvorderst dran.
Der auch so eilig essen muß,
Daß er so bläst in Brei und Mus,
Strengt an die Backen ungeheuer,
Als setzte er in Brand 'ne Scheuer.
Mancher beträuft Tischtuch und Kleid,
Legt auf die Schüssel wieder breit,
Was ihm ist ungeschickt entfallen,
Unlust bringt es den Gästen allen.
Andre hinwieder sind so faul,
Wenn sie den Löffel führen zum Maul,
Dann hängen sie den offnen Rüssel
So über Platte, Mus und Schüssel,
Daß, fällt ihnen etwas dann darnieder,
Dasselbe kommt in die Schüssel wieder.
Etliche sind so naseweise:
Sie riechen vorher an der Speise
Und machen sie den andern Leuten
Zuwider, die sie sonst nicht scheuten.
Etliche kauen etwas im Munde
Und werfen das von sich zur Stunde
Auf Tischtuch, Schüssel oder Erde,
Daß manchem davon übel werde.
Wer einen Mundvoll gegessen hat
Und legt es wieder auf die Platt',
Oder lehnt sich über den Tisch
Und lugt, wo sei gut Fleisch und Fisch,
Wenn das auch andern näher lag,
Er packts und nimmt es in Beschlag
Und läßt es vor sich stehn allein,
Daß es nicht andern sei gemein;
Einen solchen man Schlingrabe nennt,
Der über Tisch sich selbst nur kennt
Und darauf legt Mühe und Fleiß,
Daß er allein ess' alle Speis
Und er allein sich füllen könne
Und andern nicht das gleiche gönne.
Einen solchen heiß ich: Räumdenhagen,
Leersnäpfli, Schmierwanst, Fülldenmagen.
Ein schlechter Tischgenoß ist das
Und wird geheißen wohl ein Fraß,
Der solcher Unart fern nicht bleibt,
Daß er auch andern läßt ihr Teil,
Gewährt gut Essen ihm das Heil.
Ein andrer füllt die Backen so,
Als ob sie steckten ihm voll Stroh;
Er pflegt beim Essen rings zu gaffen
In alle Winkel wie die Affen
Und schaut auf jeden mit Begehr,
Ob der vielleicht mehr ißt als er,
Und eh der einen Mund voll zuckt,
Hat er vier oder fünf verschluckt,
Und daß ihm sonst auch nichts gebreste,
Trägt er noch Teller voll zum Neste,
Und daß er sich ja nicht versäume,
Lugt er, wie er die Platten räume.
Eh er die Speis herunterschluckt,
Er einen Stich in den Becher guckt,
Macht sich 'ne Suppe mit dem Wein
Und schwenkt damit die Backen rein,
Und hat damit oft solche Eil,
Daß aus der Nas ihm rinnt ein Teil,
Oder spritzt gar einem andern wohl
Das Trinkgeschirr und Antlitz voll.
Neun Taubenzüge, ein Bapphart,
Das ist beim Trinken jetzt die Art.
Den schmutzgen Mund wischt keiner mehr:
Im Becher schwimmt das Fett umher;
Schmatzen beim Trinken ist nicht fein,
Kann andern Leuten nur widrig sein.
Durch die Zähne sürfeln klingt nicht schön,
Solch Trinken gibt ein schlecht Getön.
Manch einer trinkt mit solchem Geschrei,
Als käme eine Kuh vom Heu.
Nachtrinken Ehre sonst gebot,
Jetzt ist dem Weinschlauch nur noch Not,
Daß er schnell möge trinken vor:
Das Trinkgeschirr hebt er empor
Und bringt dir einen »frohen Trunk«,
Damit sein Becher macht glunk, glunk;
Er meint, daß er den andern ehrt,
Wenn er den Humpen leer umkehrt.
Ich misse gern die feine Sitte,
Daß man vor mir das Glas umschütte
Oder daß man mich zu trinken bitte;
Ich trink für mich, doch keinem zu:
Wer sich gern füllt, ist eine Kuh.
Ein andrer schwätzt bei Tisch allein,
Läßt nicht das Wort sein allgemein,
Es muß vielmehr ihm jedermann
Zuhörn, wie er gut schwätzen kann.
Keinem andern er das Wort vergönnt,
Doch sein Wort gegen jeden rennt
Und verleumdet gern zu jeder Frist
Manchen, der nicht zugegen ist.
Ein andrer kratzt sich derb am Grinde
Und lugt, ob er kein Wildbret finde
Mit sechs Füßen und dem Ulmer Schild,
Das er erst auf dem Teller knillt,
Dann in die Schüssel die Finger taucht,
Weil er just Nägleinbrühe braucht;
Der eilt, daß er die Nase wische
Und putzt die Finger ab – am Tische!
Andre sind so höflich erzogen,
Daß sie auf Arm und Ellenbogen
Sich lehnen und den Tisch bewegen,
Sich drauf mit allen vieren legen,
Wie jene Braut von Geispitzhain,
Die auf den Teller legte die Bein',
Und da sie sich bückte nach dem Sturz,
Entfuhr ihr über dem Tisch ein Furz;
Sie ließ ein Rülpsen sich entwischen,
Wenn man nicht kommen wär dazwischen
Mit Kübeln und sie nicht aufgetan
Das Maul – ihr bliebe nicht ein Zahn.
Etliche lieben so zu hofieren,
Daß sie das Brot recht tüchtig beschmieren
Mit schmutzigen Händen im Pfefferbrei,
Damit es wohl gesalbet sei.
Es bringt auch Vorteil, vorzulegen:
Das beste Stück so zu bewegen,
Daß, was nicht will gefallen mir,
Ich lege einem andern für,
Dadurch wird dann ein Weg gemacht,
Auf dem ich nach dem Besten tracht;
Einem andern wird, was ich nicht will,
Das Beste mir – und ich schweig still.
So hat mir mancher oft hofiert!
Ich wünscht, daß er nicht angerührt
Die Schüssel, denn dann blieb mir das,
Was vor mir lag und schmeckte baß.
Mancher auf Schlendrian ausgeht
Und die Schüssel auf dem Tische dreht,
Bis das Beste ist vor ihn gekommen.
Ich habe das oft wahrgenommen,
Daß mancher trieb solch Abenteuer
Und listig sich verschaffte Steuer,
Daß ihm gefüllet ward sein Bauch.
So gibts bei Tisch seltsamen Brauch,
Wenn alles ich erzählen sollte,
Ein ganzes Buch ich schreiben wollte,
Wie man sieht in den Becher pfeifen,
Mit Fingern in das Salzfaß greifen,
Was mancher achtet für sehr grob;
Doch hat dasselbe mehr mein Lob,
Als daß man Salz nimmt mit dem Messer:
Gewaschene Hand ist wahrlich besser
Und sauberer als jene Klingen,
Die wir in der Scheide mit uns bringen
Und wissen nicht, ob wir vor Stunden
Vielleicht 'ne Katze damit geschunden.
Für Unvernunft kann man auch halten
Die Eier zu schlagen und zu spalten
Und ander dergleichen Gaukelspiel,
Wovon ich jetzt nicht schreiben will;
Denn das soll feine Sitte sein,
Ich schreib von Grobheit hier allein,
Nicht von subtilen, feinen Sachen.
Ich müßt sonst eine Bibel machen,
Sollt ich den Mißbrauch all beschreiben,
Den man beim Essen pflegt zu treiben.
Desgleichen acht ichs auch nicht viel,
Wenn etwas in den Becher fiel,
Ob man durch Blasen das wegbringe
Oder mit einer Messerklinge
Oder vom Brot mit einer Schnitte –
Wiewohl das letztre feinre Sitte,
So halte ichs doch also nun,
Daß man ein jedes könne tun.
Wo man es aber hält für gut,
Daß aus dem Glas man alles tut
Und lieber ein ganz frisches nimmt,
Wie sich bei Reichen das wohl ziemt,
Kann man es schelten nicht mit Glimpf;
Für Arme ist nicht solcher Schimpf:
Ein armer Mann läßt sich begnügen;
Was Gott ihm gibt, muß ihm genügen,
Er braucht nicht jede Hofzucht pflegen.
Zum letzten spreche man den Segen;
Und wenn man satt sich trank und aß,
Sag man auch Deo gratias!
Denn wer gering hält diese Pflicht,
Den achte ich für weise nicht;
Vielmehr ich billig von ihm sage,
Daß er die Narrenkappe trage.

110b.
Von Faßnachtnarren

Ich weiß noch etliche Faßnachtnarren,
Die in der Torenkappe beharren.
Wenn man die heilige Zeit fängt an,
So stören sie noch jedermann:
Ein Teil macht schwarz sich das Gesicht,
Vermummt am ganzen Leib sich dicht
Und läuft einher nach Butzen-Weise.
Ihr Anschlag steht auf glattem Eise.
Mancher will nicht, daß man ihn kennt,
Der sich zuletzt doch selber nennt;
Er hat den Kopf sich dicht vermacht
Und will doch, daß man auf ihn acht'
Und spreche: »Schau, mein Herr von Runkel!
Der kommt und führt am Arm 'ne Kunkel;
Das hat gar Großes zu bedeuten,
Daß er kommt zu uns armen Leuten,
So gnädig ist, uns zu besuchen.«
Doch will er Schändung nur versuchen
Und Faßnacht legen schon ein Ei,
Singt auch der Kuckuck erst im Mai.
Man spendet Küchlein in manchem Haus,
Wo besser wär, man bliebe draus;
Der Gründe gäb's dafür so viel,
Daß lieber ich ganz schweigen will.
Allein die Narrheit hat erdacht,
Daß man zur Faßnacht Freud sich macht;
Wann man der Seelen Heil sollt pflegen,
Da geben Narren erst den Segen
Und suchen dann ihr Fest herfür:
Fast Nacht ist es vor ihrer Tür.
Der Narren Kirchweih ist bekannt,
Jawohl, Fast- Nacht wird sie genannt!
Man läuft mit Lärmen auf den Gassen
Im Schmutz, als sollt man Immen fassen,
Und wer dann ist unsinnig ganz,
Der meint, ihm schulde man den Kranz.
Von einem Haus zum andern laufen,
Viel Völlerei ohn Geld sich kaufen,
Das Ding währt oft bis Mitternacht:
Der Teufel hat solch Spiel erdacht!
Anstatt zu suchen Seelenheil,
Tanzt man erst recht am Narrenseil.
Mancher vergißt sich so im Fressen,
Als sollt er ein ganzes Jahr nichts essen,
Und sein Verlangen ist nicht gestillt,
Wenn bis zur Meßzeit er sich füllt,
Verbotne Speis schafft ihm Behagen,
Man ißt sie, bis man sieht es tagen.
Ich kann in Wahrheit das wohl sagen,
Daß weder Juden, Heiden, Tataren
Im Glauben schändlich so verfahren
Wie wir, die wir uns Christen nennen
Und wenig mit Werken dazu bekennen,
Denn eh die Andacht man beginnt,
Drei-, vierfach man auf Faßnacht sinnt
Und kommt erst ganz von Sinnen gar,
Das währt dann durch das ganze Jahr.
Man bricht der Fasten ab das Haupt,
Damit man sie der Kraft beraubt.
Nur wen'ge sich der Asche nahen,
Um sie mit Andacht zu empfahen;
Sie fürchten, Asche werde schmerzen;
Sie wollen lieber ihr Antlitz schwärzen
Und sich berußen wie eine Kohl':
Des Teufels Zeichen paßt ihnen wohl,
Das Zeichen Gottes sie verschmähn,
Mit Christo wollen sie nicht erstehn.
Die Frauen gehn gern auf die Straßen,
Wollen sich auch beschmutzen lassen;
Die Kirchen selbst sind nicht zu hehr,
Man läuft darin die Kreuz und Quer,
Um dort die Frauen zu beschmieren,
Man hält das für ein groß Hofieren.
Den Esel wüste Rotten tragen,
Mit ihm die ganze Stadt durchjagen.
Drauf lädt man ein zu Tanz und Stechen,
Da muß man dann die Speere brechen
Und Narren recht zusammenbringen.
Es drängen sich zu solchen Dingen
Handwerker, Bauern auch heran,
Wenn mancher auch nicht reiten kann;
Es wird gestochen unverhofft,
Daß Hals und Rücken brechen oft:
Und das soll höfisch Scherzen sein!
Darnach füllt man sich an mit Wein;
Von Fasten weiß man nicht zu sagen.
Solch Wesen währt bei vierzehn Tagen,
Die Fasten ganz an manchen Enden,
Die Karwoch' kann es kaum abwenden.
So ist zur Beicht man vorbereitet,
Wenn man die hölzernen Tafeln läutet,
Und fängt dann seine Reue an.
Man möchte morgen wieder dran,
Dem Narrenseil noch mehr nachhängen;
Nach Emmaus wir alle drängen.
Die geweihten Fladen uns nicht schmecken,
Man mag das Haupt nicht länger decken,
Es könnte leicht ein Wind entstehn,
Den Frauen ab die Tücher wehn,
Die hingen an den nächsten Hecken.
Die Frauen sich nicht gern bedecken,
Sie reizen damit Mann und Knaben;
Die Narrenkapp sie lieber haben,
Daß man die Ohren daraus strecke,
Als daß man sich mit Tüchern decke.
So kann ich hiermit wohl beschließen,
Wiewohl es einige mag verdrießen,
Daß, wo man sucht Fastnacht allein,
Will keine rechte Andacht sein.
Doch wie wir stellen uns zu Gott,
So läßt er uns oft bis zum Tod.
Der Narren Kapp bringt Angst und Pein
Und kann doch nicht in Ruhe sein,
Sie wird selbst in den Fasten jetzt
Und in der Karwoch' aufgesetzt.


111.
Leicht wär's mit Narrheit sich befassen,
Könnt man auch leicht von Narrheit lassen,
Doch wenn dies einer auch beginne,
Wird er gar vieler Hindrung inne.
Entschuldigung des Dichters

Der ist ein Narr und großer Tor,
Wer einen Werkmann lohnt zuvor,
Denn der gar oft die Sorgfalt spart,
Wer nicht auf künftgen Lohn mehr harrt.
Gar wenig wird für Geld getan,
Das schon verzehrt ist und vertan,
Und dem Werk bald der Stillstand droht,
Wo man zuvor schon aß das Brot.
Drum, hätte man mir wollen lohnen,
Daß ich der Narren sollte schonen,
Ich hätt mich wenig dran gekehrt,
Auch war das Geld jetzt doch verzehrt,
Hätt nicht mehr Sicherheit gewährt,
Weil alles, was da ist auf Erden,
Für Torheit muß geachtet werden.
Hätt ich dies Buch um Geld gemacht,
Nur wenig Lohn hätt ich gesehn
Und hätt es längst wohl lassen stehn,
Aber dieweil es ist geschehn
Zu Gottes Ehr und Nutz der Welt,
So hab ich weder Gunst noch Geld
Noch ander Gut gesehen an,
Was Gott mir wohl bezeugen kann,
Und weiß doch, daß ich nicht kann bleiben
Ganz ungetadelt in meinem Schreiben.
Von Guten will ich das hinnehmen,
Mich ihres Einspruchs nimmer schämen;
Denn Gott ruf ich zum Zeugen an:
Wenn man hier Lügen finden kann,
Oder etwas wider Gottes Lehre,
Der Seelen Heil, Vernunft und Ehre,
So will ich Tadel gern erdulden;
Am Glauben möcht ich nichts verschulden
Und bitte hiermit jedermann,
Daß man für gut es nehme an
Und leg es nicht zum Argen aus
Noch ziehe Ärgernis daraus.
Denn darum hab ichs nicht gemacht!
Aber ich weiß, mir wirds verdacht
Gleichwie der Blume, die schön blüht,
Aus der das Bienlein Honig zieht,
Doch kommen dann darauf die Spinnen,
So suchen sie Gift draus zu gewinnen.
Das wird auch hierbei nicht gespart,
Ein jeder tut nach seiner Art,
Und wo nichts Gutes ist im Haus,
Trägt man auch Gutes nicht hinaus.
Wer nicht gern hört von Weisheit sagen,
Wird über mich gar oftmals klagen,
Doch hört man seinen Worten an,
Was er sei für ein Gaukelmann.
Ich hab gesehen manchen Tor,
Der sich gehoben stolz empor,
Wie auf dem Libanon die Zeder,
In Narrheit höher als ein jeder,
Doch als geharrt ich kurze Frist,
Das Prahlen ihm vergangen ist,
Man könnt auch finden nicht die Statt,
Wo dieser Narr gewohnet hat.
Wer Ohren hat, der hör' und lerne!
Ich schweig, der Wolf ist mir nicht ferne!
Ein Narr tadelt manchen vor der Zeit,
Er kennt nicht dessen Freud noch Leid,
Müßt jeder sein des andern Rücken,
So wüßt er, was den täte drücken.
Wer will, der les' dies Narrenbuch,
Ich weiß wohl, wo mich drückt der Schuch,
Darum, wenn man will schelten mich
Und sprechen: »Arzt, heil selber dich,
Denn du bist auch in unsrer Rott!«
So weiß ich und bekenn es Gott,
Daß ich viel Torheit hab begangen
Und muß im Narrenorden prangen,
Wie sehr ich mag die Kappe rütteln,
Ganz kann ich sie vom Kopf nicht schütteln.
Doch hab ich Ernst verwandt und Fleiß,
So daß ich, wie nun jeder weiß,
Der Narren Arten kenne viel
Und Lust hab, wenn es Gott nur will,
Zu bessern mich in künftger Zeit,
Sofern Gott Gnade mir verleiht.
Ein jeder achte nur auf dies,
Daß ihm nicht bleib' der Narrenspieß,
Daß nicht veralt' in seiner Hand
Der Kolben – des sei er ermahnt!
So schließt Sebastianus Brant,
Der jedem zu der Weisheit rät,
Wer er auch sei und wo er steht:
Kein guter Werkmann kommt zu spät!


112.
Von Narren gab ich euch Bescheid,
Damit ihr sie recht kennt am Kleid.
Wer weise sein will um und um,
Les' meinen Freund Virgilium.
Der weise Mann

Ein guter, vernünftger, weiser Mann,
Desgleichen man nicht leicht trifft an
In aller Welt, wie Sokrates –
Apollo gab ihm Zeugnis des –
Derselbe sein eigner Richter ist;
Wo's ihm an Weisheit noch gebrist,
Prüft er auf das genauste sich;
Er schätzt nicht, was der Adel spricht,
Noch des gemeinen Volks Geschrei;
Er ist rotund ganz wie ein Ei,
Damit kein fremder Makel bleibe;
Der sich auf glattem Weg anreibe;
Wie lang der Tag im Krebs sich streckt,
Wie lang die Nacht den Steinbock deckt,
So denkt er nach und wäget aus,
Damit kein Winkel in seinem Haus
Ihn trübe, oder er rede ein Wort,
Das nicht gezieme jedem Ort,
Damit nicht fehle das Winkelmaß
Und fest sei, wes er sich vermaß;
Daß jeden Angriff mit der Hand
Er abwehr und bald hab abgewandt.
Er liebet nicht so sehr den Schlaf,
Daß er nicht überdenk und straf,
Was er getan den langen Tag,
Wo er versehn sich haben mag;
Was er beizeiten sollt betrachten,
Worauf er tat zur Unzeit achten;
Warum vollendet er die Sache
Ohn Ziemlichkeit und all Ursache
Und viele Zeit unnütz vertrieben;
Warum er bei dem Plan geblieben,
Der besser konnte doch geschehn;
Warum er Arme übersehn,
Und warum im Gemüt so viel
Empfunden Schmerz und Widerwill;
Warum er dies gefangen an,
Und warum jenes nicht getan;
Warum er sich so oft verletzte
Und Nutzen vor die Ehre setzte
Und sich verging mit Wort und Gesicht,
Der Ehrbarkeit geachtet nicht;
Warum er gefolgt natürlichem Hang,
Sein Herz zur Zucht nicht zog noch zwang?
Also erprobt er Werk und Wort
Vom Morgen bis zum Abend fort,
Bedenkt die Sachen, die er tut,
Verwirft, was schlecht, und lobt, was gut.
Das ist eines rechten Weisen Art,
Wie im Gedicht uns hat gewiesen
Virgilius, der hochgepriesen.
Wer also lebte hier auf Erden,
Dem mag auch Gott gewogen werden,
Weil er die Weisheit recht erkannt,
Die einst ihn führt ins Vaterland.
Das gebe Gott uns unverwandt,
Wünsch ich, Sebastianus Brant.
Deo gratias.

Verwahrung



Einst hab ichs Narrenschiff gedichtet,
Mit großer Mühe aufgerichtet,
Mit Toren es so voll geladen –
Man braucht nicht anders sie zu baden:
Ein jeder hat sich selbst gerieben.
Doch ist es nicht dabei geblieben,
Gar mancher hat, wie's ihm gefiel
– Vielleicht als er getrunken viel –,
Dran neue Reime wollen henken.
Derselbe sollte wohl bedenken,
Daß er schon früher saß im Schiff,
Drin ihn und andre traf mein Griff,
Dann blieb ihm Mühe wohl erspart.
Mit altem Segel beginnt die Fahrt
Dies Schiff, dem ersten gleich es fliegt
Und sich mit schlichtem Wind begnügt.
Wahr ists, ich hätt es gern vermehrt,
Doch meine Arbeit ward verkehrt:
Manch andrer Reim ist eingeschoben,
Daran nicht Kunst, Art, Maß zu loben.
Viel Reime sind mir abgeschnitten,
Den Sinn verliert man in der Mitten;
Ein jeder Reim, der mußt sich ducken,
Je wie man ihn hat wollen drucken
Und wie's die Form ergeben hat,
Drum mancher schlechte Reim eintrat,
Daß es im Herzen mich gar sehr
Geschmerzt hat, tausendmal und mehr,
Daß Mühe, Arbeit und Verstand
Ohn Schuld ich übel aufgewandt;
Daß öffentlich ich soll ansehn,
Was ich doch nimmer ließ ausgehn,
Was nie mir kam in Mund und Kehle.
Doch meinem Gott ichs anbefehle:
Fährt doch dies Schiff auf seinen Namen,
Braucht seines Dichters sich nicht schämen,
Gleichwie das alte in allen Sachen.
Es kann nicht jeder Narren machen,
Er heiß' denn, wie ich bin genannt:
Der Narr Sebastianus Brant.

Ende des Narrenschiffs

Hie endet sich / das Narrenschiff / So
zu nutz / heilsamer ler / ermanung / vnd
eruolgung / der wißheit / vernunfft /
vnd guter sytten / Ouch zu verachtung /
vnd stroff der narrheyt / blintheit / Irrsal
/ vnd dorheit / aller stådt / vnd
geschlecht der menschen / mit besunderm
fliß / müg / vnd arbeit / gesamlet ist /
durch Sebastianum Brant / In beiden
rechten doctorem / Gedruckt zu Basel
vff die Vasenaht / die man der narren
kirchwich nennet / Im jor noch Christi
geburt Tusent vierhundert vier vnd
nüntzig
1.4.9.4.
Nüt on Vrsach









(c) Texte, Datenbanken, Auflistungssysteme, Fotos & Layout (wispor.de)
- lexikalischer Auskunftsdienst / Münster (Westfalen)