SPRACHE Deutsch-sprachige Autorinnen und Autoren Gedichte: Johann Wolfgang von Goethe |
Johann Wolfgang von Goethe (*1749 1832) |
Kurzinfo:
b_9573m.jpg © wispor.de Geh! Gehorche meinen Winken, nutze deine jungen Tage, lerne zeitig klüger sein: Auf des Glückes großer Waage steht die Zunge selten ein; Du mußt steigen oder sinken, Du mußt herrschen und gewinnen, oder dienen und verlieren, leiden oder triumphieren, Amboß oder Hammer sein.
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; Im Tale grünet Hoffnungsglück! Der alte Winter in seiner Schwäche Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dorther sendet er, fliehend, nur Ohnmächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die grüne Flur; Aber die Sonne duldet kein Weißes; Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben, Doch an Blumen fehlt's im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen Nach der Stadt zurückzusehn. Aus dem hohlen finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern; Sie feiern die Auferstehung des Herrn. Denn sie sind selber auferstanden, Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straße quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt, Wie der Fluß, in Breit und Länge, So manchen lustigen Nachen bewegt; Und, bis zum Sinken überladen, Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blicken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel; Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein.
c_2037m.jpg © wispor.de Wer reitet so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Vater mit seinem Kind; Er hat den Knaben wohl in dem Arm, Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm. Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht? Den Erlkönig mit Kron und Schweif? Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. "Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel ich mit dir; Manch bunte Blumen sind an dem Strand, Meine Mutter hat manch gülden Gewand." Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht, Was Erlenkönig mir leise verspricht? Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind; In dürren Blättern säuselt der Wind. "Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn? Meine Töchter sollen dich warten schön; Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn, Und wiegen und tanzen und singen dich ein." Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort Erlkönigs Töchter am düstern Ort? Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau: Es scheinen die alten Weiden so grau. "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! Dem Vater grausets, er reitet geschwind, Er hält in Armen das ächzende Kind, Erreicht den Hof mit Mühe und Not; In seinen Armen das Kind war tot. * Erl(en)könig kommt vom dänischen: Ellerkonge und meint Elfenkönig. Goethe hat diese (falsche) Übersetzung von J.G. Herder übernommen.
c_2127m.jpg © wispor.de Hat der alte Hexenmeister Sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister Auch nach meinem Willen leben. Seine Wort und Werke Merkt ich und den Brauch, Und mit Geistesstärke Tu ich Wunder auch. Walle! walle Manche Strecke, Daß, zum Zwecke, Wasser fließe Und mit reichem, vollem Schwalle Zu dem Bade sich ergieße. Und nun komm, du alter Besen, Nimm die schlechten Lumpenhüllen! Bist schon lange Knecht gewesen: Nun erfülle meinen Willen! Auf zwei Beinen stehe, = Oben sei ein Kopf, Eile nun und gehe Mit dem Wassertopf! Walle! walle Manche Strecke, Daß, zum Zwecke, Wasser fließe Und mit reichem, vollem Schwalle Zu dem Bade sich ergieße. Seht, er läuft zum Ufer nieder! Wahrlich! ist schon an dem Flusse, Und mit Blitzesschnelle wieder Ist er hier mit raschem Gusse. Schon zum zweiten Male! Wie das Becken schwillt! Wie sich jede Schale Voll mit Wasser füllt! Stehe! stehe! Denn wir haben Deiner Gaben Vollgemessen! - Ach, ich merk es! Wehe! wehe! Hab ich doch das Wort vergessen! Ach, das Wort, worauf am Ende Er das wird, was er gewesen! Ach, er läuft und bringt behende! Wärst du doch der alte Besen! Immer neue Güsse Bringt er schnell herein, Ach, und hundert Flüsse Stürzen auf mich ein! Nein, nicht länger Kann ichs lassen: Will ihn fassen! Das ist *Tücke! Ach, nun wird mir immer bänger! Welche Miene! welche Blicke! O, du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh ich über jede Schwelle Doch schon Wasserströme laufen. Ein *verruchter Besen, = Der nicht hören will! Stock, der du gewesen, Steh doch wieder still! Willst am Ende Gar nicht lassen? Will dich fassen, Will dich halten Und das alte Holz behende Mit dem scharfen Beile spalten! Seht, da kommt er schleppend wieder! Wie ich mich nur auf dich werfe, Gleich, o Kobold, liegst du nieder; Krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich! brav getroffen! = Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen, Und ich atme frei! Wehe! wehe! Beide Teile Stehn in Eile Schon als Knechte Völlig fertig in die Höhe! Helft mir, ach! ihr hohen Mächte! Geister Und sie laufen! Naß und nässer Wirds im Saal und auf den Stufen: Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister, hör mich rufen! - Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, Werd ich nun nicht los. In die Ecke, Besen! Besen! Seids gewesen! Denn als Geister Ruft euch nur, zu seinem Zwecke, Erst hervor der alte Meister.
Willst du dir ein hübsch Leben zimmern, Mußt dich ums Vergangne nicht bekümmern, Das Wenigste muß dich verdrießen; Mußt stets die Gegenwart genießen, Besonders keinen Menschen hassen Und die Zukunft Gott überlassen.
b_0250m.jpg © wispor.de Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn. Im Schatten sah ich ein Blümchen stehn, wie Sterne leuchtend, wie Äuglein schön. Ich wollt es brechen, da sagt es fein: Soll ich zum Welken gebrochen sein? Ich grub's mit allen den Würzlein aus. Zum Garten trug ich's am hübschen Haus. Und pflanzt es wieder am stillen Ort; nun zweigt es immer und blüht so fort.
Wohl unglückselig ist der Mann. Der unterläßt das, was er kann, Und unterfängt sich, was er nicht versteht; Kein Wunder, daß er zu Grunde geht.
(II von 1780) Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch. (* II ist die bekanntere Fassung!) (I von 1776) Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schmerzen stillest, Den, der doppelt elend ist, Doppelt mit Erquickung füllest, Ach, ich bin des Treibens müde, Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede, Komm, ach komm in meine Brust.
b_3285m.jpg © wispor.de Sah ein Knab ein Röslein stehn, Röslein auf der Heiden, war so jung und morgenschön, lief er schnell, es nah zu sehn, sah's mit vielen Freuden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. Knabe sprach: Ich breche dich, Röslein auf der Heiden! Röslein sprach: ich steche dich, daß du ewig denkst an mich, und ich will's nicht leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden. Und der wilde Knabe brach's Röslein auf der Heiden, Röslein wehrte sich und stach, half ihm doch kein Weh und Ach, mußt es eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein rot, Röslein auf der Heiden.
b_0457m.jpg © wispor.de Arm am Beutel, krank am Herzen, Schleppt ich meine langen Tage. Armut ist die größte Plage, Reichtum ist das höchste Gut! Und, zu enden meine Schmerzen, Ging ich, einen Schatz zu graben. Meine Seele sollst du haben! Schrieb ich hin mit eignem Blut. Und so zog ich Kreis' um Kreise, Stellte wunderbare Flammen, Kraut und Knochenwerk zusammen: Die Beschwörung war vollbracht. Und auf die gelernte Weise Grub ich nach dem alten Schatze Auf dem angezeigten Platze; Schwarz und stürmisch war die Nacht. Und ich sah ein Licht von weiten, Und es kam gleich einem Sterne Hinten aus der fernsten Ferne, Eben als es zwölfe schlug. Und da galt kein Vorbereiten; Heller ward's mit einem Male Von dem Glanz der vollen Schale, Die ein schöner Knabe trug. Holde Augen sah ich blinken Unter dichtem Blumenkranze; In des Trankes Himmelsglanze Trat er in den Kreis herein. Und er hieß mich freundlich trinken; Und ich dacht': es kann der Knabe Mit der schönen lichten Gabe Wahrlich nicht der Böse sein. Trinke Mut des reinen Lebens! Dann verstehst du die Belehrung, Kommst mit ängstlicher Beschwörung Nicht zurück an diesen Ort. Grabe hier nicht mehr vergebens! Tages Arbeit, Abends Gäste! Saure Wochen, frohe Feste! Sei dein künftig Zauberwort.
c_5454m.jpg © wispor.de Wer nie sein Brot mit Tränen ass, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend sass, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte. Ihr führt ins Leben uns hinein, Ihr lasst den Armen schuldig werden, Dann überlasst ihr ihn der Pein, Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.
b_2493m.jpg | © wispor.de Edel sei der Mensch, Hilfreich und gut! Denn das allein Unterscheidet ihn Von allen Wesen, Die wir kennen. Heil den unbekannten Höhern Wesen, Die wir ahnen! Ihnen gleiche der Mensch! Sein Beispiel lehr uns Jene glauben. Denn unfühlend Ist die Natur: Es leuchtet die Sonne Über Bös und Gute, Und dem Verbrecher Glänzen wie dem Besten Der Mond und die Sterne. Wind und Ströme, Donner und Hagel Rauschen ihren Weg Und ergreifen Vorüber eilend Einen um den andern. Auch so das Glück Tappt unter die Menge, Fasst bald des Knaben Lockige Unschuld, Bald auch den kahlen Schuldigen Scheitel. Nach ewigen, *ehrnen, Grossen Gesetzen Müssen wir alle Unseres Daseins Kreise vollenden. Nur allein der Mensch Vermag das Unmögliche: Er unterscheidet, Wählet und richtet; Er kann dem Augenblick Dauer verleihen. Er allein darf Den Guten lohnen, Den Bösen strafen, Heilen und retten, Alles Irrende, Schweifende Nützlich verbinden. Und wir verehren Die Unsterblichen, Als wären sie Menschen, Täten im grossen, Was der Beste im kleinen Tut oder möchte. Der edle Mensch Sei hilfreich und gut! Unermüdet schaff er Das Nützliche, Rechte, Sei uns ein Vorbild Jener geahneten Wesen! |